Transgeschlechtlichkeit und Mutterschaft: Können Frauen alles sein?
Im Kampf um Selbstbestimmung schließt der Feminismus trans Frauen aus. Auch der Staat ist auf ein Kind mit zwei leiblichen Müttern nicht vorbereitet.
Mein Kind hat zwei leibliche Mütter. Meine Frau und mich. Als meine Frau noch schwanger war, kam es des Öfteren zu wundervollen Sätzen wie „Kennen Sie den Samenspender persönlich?“, „Ist die Blutgruppe des Vaters bekannt und gab es irgendwelche familiären Vorerkrankungen in dessen Familie?“. Wir sagten dann gerne: „Die SamenspenderIN steht vor Ihnen.“ Ich habe auf die Frage nach der Blutgruppe und nach Erkrankungen oft selbst geantwortet, was mir meist fragende Blicke einbrachte.
Zumindest sind wir aber einer Kinderärztin begegnet, die so weit sensibilisiert war, dass sie uns zunächst ohne große Erklärungen „gebärende und zweite Mama“ nannte. Auch nachdem wir mehr erklärt hatten, sagte sie nur: „Zwei leibliche Mütter? Wie praktisch, so ganz ohne notwendigen Mann.“ Wir sind immer noch ganz angetan von ihr.
Im restlichen Leben sind die Kommentare leider nicht immer so aufgeklärt. Zwei Mütter? Darf das sein? Natürlich blieben wir auch nicht von Vermutungen verschont, wie wohl die Zeugung vonstatten gegangen sein muss. Und nicht nur Hobbypsychologen, sondern auch der deutsche Staat ist, wenn es um eine trans Frau geht, schnell der Meinung: „Wenn sie sich für ein Kind entschlossen hat, zeigt dies ganz klar, dass sie mit ihrem Geschlecht wohl doch nicht so sicher war.“
Das Private ist politisch
Ich schreibe seit mehreren Jahren öffentlich auf Twitter über meinen Weg und lasse hierbei auch keine intimen Details aus. Auch mein Privates ist politisch. Frausein und Transgeschlechtlichkeit sind politisch. Auch wenn das verletzlich macht, gibt es mir die Möglichkeit, so über mich zu sprechen, wie ich es für richtig halte. Es geht um Selbstbestimmung.
Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.
Dass ich mich mit diesen Sprüchen überhaupt auseinandersetze, liegt daran, dass ich nicht nur für mich spreche, sondern auch für andere Eltern, die sich wünschen, mit ihren Geschlechtern und Titeln respektiert zu werden, bei leiblicher und nichtleiblicher Elternschaft.
Für meine Frau stellte sich zu keiner Zeit die Frage, ob ich „auch Mutter“ sein darf. Doch selbst vermeintlich aufgeklärte Menschen sagen Dinge wie: „Selbstverständlich ist Felicia eine Frau, aber in Bezug auf ihr Kind ist sie nun mal biologisch betrachtet der Vater.“
Das zeigt zwei Dinge. Erstens: Zu welch akrobatischen Verrenkungen cis Personen mitunter bereit sind, nur um alles in die ihnen bekannten Schubladen zu stopfen. Nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. Sie wollen einerseits respektvoll erscheinen, aber ebenso dringend müssen sie ihre privilegierte cis Position als „Normalzustand“ verteidigen. Alles nur, damit sie sich nicht eingestehen müssen, dass sie selbst Teil einer lediglich von Menschen erdachten Ordnung, der Zweigeschlechtlichkeit, sind. Und zweitens: Viele cis Personen betrachten Dinge meistens gerne vor allem dann „biologisch“, sobald es um eine trans Person geht.
Aber meinetwegen: „Biologisch betrachtet“ bin ich ein leibliches Elternteil unseres Kindes. Nebenbei bin ich eine Frau, gemeinhin nennt man das dann Mutter. Es geht um geschlechtergerechte Sprache, ein ziemlich bekannter Anspruch des Feminismus, der aber selbst von leidenschaftlichen FeministInnen gerne mal vergessen wird, wenn es um trans Personen geht. In meinen Gesprächen mit cis FeministInnen kippt die Stimmung – online und offline – erfahrungsgemäß meist genau dann, wenn sie mitkriegen, dass eine transgeschlechtliche Frau ihnen gerade Misogynie vorwirft.
Ringen um Selbstbestimmung und Anerkennung
Dieses Ringen um Selbstbestimmung und Anerkennung ist in einem zwischenmenschlichen Kontext unangenehm, manchmal schmerzhaft. Was aber viel schlimmer ist: Die deutsche Gesetzgebung arbeitet gegen mich. Allein dass trans Personen einer eigenen Gesetzgebung unterliegen, ist schon ein Bekenntnis gegen jegliche Gleichstellung. Es geht ums sogenannte Transsexuellengesetz (TSG). Es ist seit Januar 1981 in Kraft und erreicht somit bald sein 40-jähriges Bestehen. Die Glückwünsche setze ich an dieser Stelle mal aus.
Für mich bedeutet das, dass es nur durch mein Geschlecht allein, nur durch meine Existenz, bereits nötig ist, dass ich mich mit diesem Gesetz beschäftige. Für die rechtliche Anerkennung meines Frauseins musste ich nicht nur acht Monate meiner Lebenszeit für eine gerichtliche Anhörung, zwei mehrstündige Gutachtensitzungen und viel Wartezeit investieren, sondern auch 1.200 Euro für Gutachten und Verwaltungsgebühren bezahlen und mit der völligen Offenlegung meines Privatlebens gegenüber fremden Personen umgehen.
In zwei ärztlichen Gutachten wurde unter anderem genau festgehalten, wie ich aufgewachsen bin, welche Schulbildung ich bekam, welche berufliche Entwicklung, was für familiäre Verhältnisse, welche sexuellen und romantischen Beziehungen ich hatte und ebenso weshalb ich mich kleide, wie ich es tue – und sogar wie meine Stimme klingt musste da festgestellt werden. Das Ergebnis: Meine Stimme klingt „weiblich“ und ich kann das durch lautes Lesen und Singen zeigen.
In den 40 Jahren wurden verschiedene einschneidende Passagen des Gesetzes mit dem Grundgesetz als unvereinbar eingestuft. Passagen wie der Operationszwang, also verpflichtende operative Eingriffe wie Vulva- und Vaginalplastik, Mastektomie oder auch der Zwang zur Sterilisation wurden 2011 nach verschiedenen Klagen aufgehoben.
Dennoch ist dieses juristische Ungetüm noch da. Ein Geschlechtsidentitätsgesetz, das die Anpassung des Geschlechtseintrags ohne Begutachtung ermöglichen könnte, wie es in anderen Ländern bereits existiert, lässt bei einigen Leuten aber die Sorge aufkommen, dass es cis Männer massenweise ermutigen könnte, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, um Räume für Frauen zu betreten. Hier werden also mal wieder die Rechte von mehrfach marginalisierten Personen dem möglichen Handeln von cis Männern untergeordnet.
Geschlechtsneutrale Erfassung von Eltern existiert nicht
Für meine Frau und mich ist es aktuell ein Problem, dass das TSG auch nach den vielen „Lockerungen“ in der Praxis bedeutet, dass meine Frau in der Geburtsurkunde unseres Kindes neben einem nicht existenten Mann aufgeführt ist. Allein das zu erreichen, hat fast zwei Monate gedauert, da wir „ein Fall“ waren, den das Standesamt „so noch nie zuvor hatte“. Die Alternative wäre gewesen, so zu tun, als wäre ich nicht die Mutter meines leiblichen Kindes, um es dann in einem langen und aufwändigen Verfahren zu adoptieren, um dann als zweite Mutter mit meinem Namen erfasst zu werden. Andere Optionen gibt es rechtlich derzeit nicht. Eine geschlechtsneutrale Erfassung von Eltern und Erziehungsberechtigten existiert in Deutschland nicht.
Frauen, die bewegen
Transgeschlechtliche Menschen werden ständig bewertet. Es wird stets über unsere Geschlechter geurteilt. Wir werden dafür kritisiert, mit welcher Unnachgiebigkeit wir Respekt für unserer Existenz einfordern. Das klingt irgendwie bekannt? Körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung fordern und fordern zu müssen, weil man sie von alleine nicht bekommt? Genau, wieder so ein Anspruch des Feminismus.
Doch wenn es „nur“ um Selbstbestimmung geht: Wieso ist es so vielen Cisgenders dennoch so wichtig, festzulegen, wer welches Geschlecht haben darf und wer nicht? Darauf gibt es zweierlei Antworten. Erstens: Transgeschlechtliche Menschen gelten als Störfaktor. Einfach, weil wir öffentlich existieren. Ja, das gilt auch für wichtige feministische Kämpfe, etwa um reproduktive Rechte. Bisher wird für das Frausein und die Mutterschaft aber immer noch das Gebären vorausgesetzt.
Doch wir wollen nicht als zwangsweises Neutrum irgendwo „mitgedacht“ werden und warten, bis wir dran sind. Wir existieren hier und jetzt. Wir wollen die feministischen Kämpfe ja nicht aufhalten, sondern ein Teil davon sein. Mit unseren Geschlechtern und nicht getrennt davon, für die Sache. Wir wollen diese Kämpfe inklusiver, geschlechtersensibler und besser machen.
Gewalt durch cis Personen
Ein weiterer Grund, wieso Cisgenders mir mitunter verhalten begegnen, ist, dass einige Männer Angst haben, irgendwann nur noch für die Zeugung notwendig zu sein. Durch Frauen wie mich scheint diese Angst einen Anlass zu bekommen. Das kann zu einem erheblichen Bedrohungspotenzial führen. Nicht für die cis Männer, sondern für mich – ich werden von solchen Männern beleidigt, erhalte körperliche, oft sexualisierte Drohungen. Doch auch cis Frauen sehen sich durch meine Mutterschaft herausgefordert und stellen sie in Frage, weil sie die Mutterschaft als ihr Vorrecht sehen.
Statt Menschen zu respektieren und die Fähigkeit zur Reproduktion für sich zu betrachten, wird sie stets in zwei Kategorien eingeteilt und vergeschlechtlicht – gegen jede Lebensrealität. Hier zeigt sich die Wirkweise von Transfeindlichkeit, nämlich Einschluss und Ausschluss. Transgeschlechtliche Frauen werden vom Frausein ausgeschlossen und als Männer definiert. Trans Männer und viele nichtbinäre Personen wiederum, werden als Frauen vereinnahmt, ohne welche zu sein. Oftmals wird auch von „Frauen*“ gesprochen, um Inklusion vorzugeben. Ja, auch zum „Frauen*(kampf)tag“.
Bei allen Attacken, ob Beleidigung oder gar Gewaltandrohung, geht es nie nur um den Titel „Mutter“, sondern um einen Angriff auf mein Frausein und meine Weiblichkeit. Doch Frauen können alles sein. Manche sind lesbisch, manche transgeschlechtlich und manche Mütter. Manche sind all das gleichzeitig. Und 8. März ist jeden Tag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“