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Transformation der IndustrieJahr der Entscheidung bei Thyssenkrupp

Thyssenkrupp macht einen Milliardenverlust. Trotzdem bekennt sich der Essener Konzern zum Aufbau grüner Stahlproduktion. Dies aber nur vorerst.

Stahlproduzent Thyssenkrupp in Duisburg Foto: Martin Meissner/ap

Berlin taz | Bei Thyssenkrupp wollte man am Dienstag Zuversicht ausstrahlen. Dazu beitragen sollte ein Imagefilmchen, das das Management am Anfang der jährlichen Bilanzpressekonferenz abspielen ließ. Der Konzern schreibe „ein weiteres Mal Industriegeschichte“, hieß es darin. Später sagte Vorstandschef Miguel López: „Wir läuten das Ende des fossilen Zeitalters ein.“

Die Meldungen, die wenige Stunden zuvor die Runde machten, waren weniger optimistisch: Der Essener Konzern hat demnach im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023/24 einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro gemacht, nach einem Minus von 2,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Auch der Umsatz ging zurück – um 7 Prozent auf 35 Milliarden Euro. Trotzdem will Thyssenkrupp seinen An­teils­eig­ne­rn eine Dividende von 15 Cent je Aktie auszahlen. Schließlich legten die Ak­tio­nä­re als Ei­gen­tü­me­r des Konzerns wert auf eine Dividendenkontinuität, begründete dies Finanzvorstand Jens Schulte.

Der Grund für den erneuten Milliardenverlust sind Abschreibungen, die das Unternehmen in seiner Stahlsparte Thyssenkrupp Steel tätigen musste. Seit Jahren kriselt es dort, seit Jahren ist deren Zukunft ungewiss. Nachdem frühere Verkaufsversuche scheiterten, stieg im Sommer der tschechische Milliardär Daniel Křetínský mit seiner EPCG-Holding ein und besitzt derzeit 20 Prozent des Unternehmens. Künftig soll er 50 Prozent an Deutschlands größtem Stahlproduzenten halten.

Nun drücken die hohen Energiepreise und schwache Konjunktur zusätzlich auf den Konzern. Dessen Lage ist dabei symptomatisch für die deutsche Wirtschaft. „Die Industrie befindet sich in einem schwierigen Umfeld und steht unter hohem Anpassungsdruck an sich verändernde strukturelle Rahmenbedingungen am heimischen Produktionsstandort und auf den Weltmärkten“, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank.

Zwei Milliarden Euro vom Staat

Gleichzeitig muss die CO2-intensive Stahlproduktion grün werden, will Deutschland seine Klimaziele erreichen. Dafür greift der Staat Thyssenkrupp auch unter die Arme. Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem Konzern 2 Milliarden Euro versprochen für den Bau einer Direktreduktions-Anlage, in der künftig Stahl mithilfe von klimaneutralem Wasserstoff produziert werden soll. Doch zuletzt wurden Zweifel laut, ob der Konzern angesichts der Marktlage an diesen Plänen festhält.

„Aktuell bewerten wir die Situation, gehen aber davon aus, dass die Anlage unter den gegebenen Rahmenbedingen realisiert werden kann“, sagte nun Konzernchef López und fügte hinzu: „Wir stehen unverändert zu unserem Bekenntnis zur grünen Transformation und zur klimaneutralen Stahlproduktion.“ Doch eine absolute Garantie wollte er nicht geben. Stattdessen sprach er vom laufenden Geschäftsjahr 2024/25 als einem „Jahr der Entscheidungen“. Und entscheidend für den Abschied aus der kohlebasierten Stahlerzeugung sei der schnellere Bau von Wasserstoff-Pipelines in Europa. „Hierzu führen wir intensive Gespräche mit der Politik“, so López.

Auch beim Thema Stellenstreichungen wollte der Manager kein Licht ins Dunkle bringen. 10.000 der 27.000 Arbeitsplätze in der Stahlsparte sollen in Gefahr sein. Diese Zahl wollte López weder bestätigen noch dementieren. Stattdessen wollte er sich „aufrichtig“ bei allen Konzernmitarbeitern bedanken „für ihre starke Arbeit, ihren hohen Einsatz und ihre Bereitschaft, die Ärmel hochzukrempeln“.

Das war vermutlich auch dringend nötig. Als Ende August der Streit um die Zukunft von Thyssenkrupp Steel hochkochte und Sigmar Gabriel als Aufsichtsratschef der Konzernsparte hinschmiss, sparte auch die Gewerkschaft IG Metall nicht mit Kritik am Konzernchef: „Gut ein Jahr nach dem Amtsantritt von Herrn López als CEO stehen wir vor einem Scherbenhaufen“, sagte damals deren zweiter Vorsitzender Jürgen Kerner.

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3 Kommentare

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  • "Trotzdem will Thyssenkrupp seinen An­teils­eig­ne­rn eine Dividende von 15 Cent je Aktie auszahlen."

    Ich bin sicher, dass das auch zum negativen Ergebnis beigetragen hat. Wie die üppigen Ausschüttungen bei VW. Wenn der Staat dann noch Subventionen zahlt, ist er entweder extrem dämlich, oder er will einfach die Aktionäre direkt aus Steuergeldern bezahlen.

    • @Jalella:

      Dazu beigetragen mit Sicherheit, aber marginal.

      Zum nachrechnen: es gibt 622.531.741 Stückaktien. Nehmen wir mal an diese sind alle Dividendenberechtigt und zu 100 Prozent im Streubesitz. Pro Aktie werden 15 Cent ausgeschüttet, das sind 93.379.761,15 Euro.

      Der Gesamtverlust beträgt 1,5 Mrd Euro, der Anteil der Dividendenausschüttung daran beträgt also 6,22 Prozent.

  • Ich war besorgt, daß dort eine Industrieruine enstehen würde, da Wasserstoff in Deutschland nur aus überschüssigem Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt werden kann oder importiert werden muß. Das ist doof, da es in Deutschland für Jahrzehnte nur wenige 100 Stunden im Jahr überschüssigen Strom aus EE geben kann. Im Sommerhalbjahr zur Mittagszeit und an arbeitsfreien Tagen, sowie an einigen stürmischen Tagen im Winter. Der geplante Zuwachs an Solar- und Windstrom ensteht zu überwiegend gleichen Zeiten. Die möglichen Betriebsstunden können kaum steigen. Wasserstoffimporte müßten 2 mal chemisch umgewandelt werden.

    Deutschland würde deswegen selbst in Europa die höchsten Produktionskosten haben. Länder wie Norwegen, Finnland, Frankreich und Belgien haben Laufwasser und Kernkraftwerke. Sie können mehrere tausend Betriebsstunden CO2-arm erzeugten Strom zu Verfügung stellen. Deswegen sind im Vergleich zu iheen z.B. Batterieproduktionen und Wasserstofferzeugung in Deutschland weder umweltschonend noch konkurrenzfähig.

    Mich beruhigt: Die Anlage in Duisburg funktioniert auch mit Erdgas. Man kann jetzt Fördergelder mitnehmen und später Fragen: Erdgas oder zehntausende Arbeitsplätze?