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Transatlantisches VerhältnisEine neue Härte

Gastkommentar von Rüdiger Lüdeking

Einen Neuanfang in den transatlantischen Beziehungen kann es nur geben, wenn sich Deutschland dabei als verlässlicher Partner erweist.

Hat der „New Deal“ der Außenminister Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian eine Chance? Foto: Florian Gaertner/photothek.net/imago

S eit dem von Präsident Trump angestachelten Sturm auf das Kapitol ist der Amtsantritt von Joe Biden am 20. Januar herbeigesehnt worden. Markiert dieser Tag nun auch die Chance auf den vom deutschen Außenminister Maas und seinem französischen Amtskollegen Le Drian vorgeschlagenen „New Deal“ in den transatlantischen Beziehungen?

Schon jetzt dürfte feststehen: Die USA werden sich von ihrem isolationistischen außenpolitischen Kurs verabschieden, Europa künftig als Partner und nicht als Gegner betrachten und wieder mehr in das Nato-Bündnis, den Multilateralismus und die Diplomatie investieren. Und absehbar wird sich Europa über konkrete Schritte freuen können wie die Verlängerung des NewSTART-Vertrags über bilaterale amerikanisch-russische Begrenzungen der strategischen Nuklearwaffenpotenziale. Den Wiederbeitritt zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) und zum Pariser Klimaabkommen hat Biden bereits zugesagt. Die amerikanische Außenpolitik wird also in den kommenden Jahren wieder ein anderes, freundlicheres Gesicht erhalten.

Gleichzeitig wird es jedoch kein Zurück in eine vertraute, kommode Zukunft geben. Im Gegenteil: Das, was wir über Bidens außenpolitisches Denken wissen, spricht – ebenso wie die inzwischen bekannt gewordenen Nominierungen für zentrale Posten in der US-Administration – dafür, dass Europa und insbesondere Deutschland durch eine neue selbstbewusste amerikanische Außenpolitik vor neue Herausforderungen gestellt werden, denen sie nicht einfach ausweichen können.

Ausgangspunkt für Bidens Außenpolitik ist die Forderung nach einem Zusammenstehen der transatlantischen Partner als Wertegemeinschaft bei der Verteidigung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten sowie einer regelbasierten internationalen Ordnung. Damit einher geht die Forderung, dass die EU und die USA nicht nur Herausforderungen wie den Klimawandel gemeinsam annehmen, sondern auch gegenüber China und Russland wie aber auch anderen Sicherheitsrisiken, wie etwa dem iranischen Nuklearprogramm, eine „geschlossene Front“ bilden. Die neue US-Administration wird dabei schon aus innenpolitischen Erwägungen den von ihr reklamierten Anspruch als Führungsmacht der westlichen Welt unbedingte Geltung zu verschaffen suchen.

Rüdiger Lüdeking

Botschafter a. D., war während seiner Zeit im Auswärtigen Dienst (1980–2018) in verschiedenen Verwendungen, unter anderem als stellver­tretender Beauftragter der Bundes­regierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle und als Deutscher Botschafter bei der OSZE, mit Fragen der Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik intensiv befasst.

Konfrontativer gegenüber Russland und China

Biden hat auch deutlich gemacht, dass er angesichts global zunehmender autoritärer Tendenzen und der Verschärfung der Rivalität zwischen den Großmächten noch stärker als zu Zeiten von Präsident Obama auf eine konfrontative Politik des „Containment und Rollback“ setzen wird. Dies ist auch aufgrund der innenpolitischen Situation in den USA naheliegend: Ex-Präsident Trump hinterlässt ein politisches Erbe, das nachwirkt. So hat sich nach den Auseinandersetzungen der letzten Jahre der Eindruck verfestigt, dass sowohl China als auch Russland „Feinde“ der liberalen Demokratien sind und ihrer aggressiven Politik nur mit Härte begegnet werden kann. B­iden wird sich über diese in der breiten amerikanischen Öffentlichkeit vorherrschende Stimmung nicht hinwegsetzen können. Dies gilt, zumal diese Stimmung beispielsweise durch chinesische und russische Menschenrechtsverletzungen, Maßnahmen gegenüber Regimegegnern sowie Cyberattacken weitere Nahrung erhält.

Deutschland und Europa werden sich also auf eine härtere, zumindest teilweise an die Zeiten von George W. Bush erinnernde Politik aus Washington einstellen müssen. Nach dem isolationistischen Präsidenten Trump wird es dabei schwieriger werden, sich Bidens nachhaltigen Forderungen nach Solidarität und Gefolgschaft zu verweigern.

Die deutsche Außenpolitik wird durch den konfrontativen, mit moralischem Impetus begründeten Politikansatz Bidens vor besondere Probleme gestellt, da sie traditionell – aus den bei der Überwindung des Kalten Kriegs gemachten Erfahrungen – eine auch stark auf Dialog, Zusammenarbeit und Entspannung ausgerichtete Politik verfolgt. Beispielsweise geht sie im Verhältnis zu Russland von der realpolitischen Maxime aus, dass es trotz der menschenverachtenden Politik Putins im deutschen Sicherheitsinteresse liegt, die Konfrontationsspirale mit Moskau nicht außer Kontrolle geraten zu lassen und Moskau nicht durch alleinige konfrontative Einhegung und Ausgrenzung in die Arme Chinas zu treiben. Damit sind Konflikte mit den USA vorprogrammiert. Allerdings wird die Bundesregierung diese mit Rücksicht auf die angestrebte „Gesundung“ der transatlantischen Beziehungen scheuen.

Will Deutschland seine außenpolitische Handlungsfähigkeit ansatzweise behalten und gleichzeitig Augenhöhe und Einfluss gegenüber dem Bündnispartner USA ausbauen, dann muss es seine Stellung als Partner in der Nordatlantischen Allianz stärken. Dazu gehört, schnellstmöglich die eklatanten Mängel in Ausrüstung und Personalausstattung der Bundeswehr zu beheben und das vereinbarte, von Präsident Biden bekräftigte 2-Prozent-Ziel für den Verteidigungshaushalt zu erreichen. Zudem sollte die nukleare Teilhabe nicht in Frage gestellt werden. Dies entspräche dem realpolitischen Grundsatz, dass gesicherte Verteidigungsfähigkeit die Voraussetzung für die Bereitschaft zu Dialog und Entspannung ist.

Daneben bleibt es unabdingbar, dass Europa – trotz der Vorbehalte in Washington – weiterhin strategische Autonomie anstrebt. Strategische Autonomie ist eine Stärkung des europäischen Pfeilers des transatlantischen Bündnisses; sie ist aber auch eine unabdingbare Voraussetzung für die europäische Selbstbehauptung in einer komplexen, multipolaren Welt.

Und schließlich ist sie auch eine notwendige Rückversicherung, sollte sich die Präsidentschaft Trumps nicht als bloßes unseliges Intermezzo erweisen.

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14 Kommentare

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  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    ... ein günstiger Zeitpunkt für unsere Parteien, in diesem Wahljahr einmal erneut und ernsthaft, über die Mitgliedschft in der Nato, zu debattieren. Gerade wenn es um die detsche Entspannugspolitik geht, unabdingbar.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Einen Neuanfang in den transatlantischen Beziehungen kann es nur geben, wenn sich Deutschland dabei als verlässlicher Partner erweist."

    Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.



    Unsere Politiker sind doch, wie üblich, schon auf den Knien.



    Liebe Amis, bitte verkauft uns euer dreckiges Fracking-Gas.

    In Sachen Gas-Lieferung haben sich tatsächlich die Russen als verlässliche Partner erwiesen - über Jahrzehnte.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - setzt so an

    “ Rüdiger Lüdeking: "Gleichzeitig wird es jedoch kein Zurück in eine vertraute, kommode Zukunft geben. "



    Warum fällt mir da Ernst Jandl ein? "Manche meinen lechts und rinks..."



    Na gut. Never joke about names.



    Ich vergaß: de.wikipedia.org/w...iger_L%C3%BCdeking

    kurz - Einem Diplomat isset nie zu spat



    Im Sonnesinken das volle Glas zu heben!



    In Nigeria Brüssel oder New York -



    Alles völlig wumpe & Schloork!



    Irgendwas mit Legationsrat 1. Klasse!



    Der Sprung in der Schüssel beginnt mit ner AA-Tasse.



    Und da paßt unser AA-Slim&slime -



    Aber Hallo! Aber Prima Klima rein! - 🧐 -

  • "Die neue US-Administration wird dabei schon aus innenpolitischen Erwägungen den von ihr reklamierten Anspruch als Führungsmacht der westlichen Welt unbedingte Geltung zu verschaffen suchen."

    "..sich Bidens nachhaltigen Forderungen nach ... Gefolgschaft zu verweigern."

    Führung und Gefolgschaft? Danke. Hatten wir schon mal und ist uns nicht gut bekommen.

    PS: Wenn die USA sich irgendwo an die Spitze stellen wollen, sollten sie wenigstens europäische Mindeststandards erfüllen.

  • Wie man schon erwarten konnte, ist in den USA das, was in den letzten 40 Jahren immer passiert ist, auch dieses Mal passiert: Während die Reps den Präsi stellten, sind die Demokaten weiter nach rechts gerückt.

    • @Kaboom:

      Das mag zwar stimmen, aber außenpolitisch standen die Demokraten schon immer dort, wo sie jetzt stehen. Amerika als Herr der Welt...

  • Meine Güte, was für eine kaltkriegerische, aggressive, transatlantische Standpauke. Wie in alten Zeiten. Und ich befürchte, dass insbesondere die Grünen und die Röttgens und Maas zustimmen und Deutschland als Frontstaat ausbauen wollen.

    Wenn das die fernen Ziele sind mit militärischen Mitteln die Welt zu befrieden, dann wird es sicher Krieg geben. Die Demokraten in den USA lechzen ja geradezu nach einem Krieg in Europa. Die Ukraine wird den Sprengstoff liefen.

    Und weit und breit kaum ein Politiker bzw. eine Politikerin in Sicht, der diesem Kriegstreiben etwas entgegen setzt.

    Warum noch Klimapolitik betreiben, wenn sich eine derartige Politik durchsetzt?

  • "den konfrontativen, mit moralischem Impetus begründeten Politikansatz Bidens" und das militaristische 2 % aufrüstungsziel der nato sollte man beide möglichst schnell in der mülltonne entsorgen.

    welches recht hat Joe Biden einer der korruptesten politiker des korrupten establishments seiner plutokratisch dominierten partei und ein langjähriger lobbyist des militärisch industriellen komplexes der für völkerrechtswidrige im ergebnis massenmörderische kriege politisch mitverantwortlich ist das wort moral auch nur in den mund zu nehmen?

    www.theguardian.co...iden-role-iraq-war

    Joe Biden sollte möglichst bald zurücktreten.



    er braucht zeit um im ruhestand über seine vielen sünden nachzudenken

  • Seit Beginn des Eintritts Deutschlands in das imperialistische Zeitalter werden Russland und China dem Deutschen als Erzfeinde präsentiert und abgesehen von einer kurzen Zeit der Hoffnung und Entspannungspolitik haben Hass und Arroganz auch weite Teile der Grünen und Linken im ideologischen Griff. China und Russland als Aggressor? Das alte Lied. Der Militäretat ist mittlerweile so hoch wie noch nie zuvor: 2021 wird er nach NATO-Kriterien über 53 Milliarden Euro betragen. Weltweit steigen die Rüstungsausgaben in nie gekannte Höhen. Im doppelten Sinne unangreifbarer Spitzenreiter bleiben die Länder der NATO. Ihre Militärbudgets betrugen 2019 zusammen 1.040 Milliarden Dollar. Chinas Anteil beträgt 25%, Russlands gerade mal 8%. Die Kriege der jüngeren Vergangenheit gehen ausnahmslos auf das Konto der Wertegemeinschaft, die sich die Verteidigung der Menschenrechte, Demokratie und regelbasierten Ordnung auf die Fahne geschrieben hat. Dass die EU und vor allem Deutschland davon träumen als Juniorpartner der US-Hegemonie die alte Ordnung, in der die reichen die armen Länder ausbeuten, aufrechterhalten zu können, ist für mich ein Alptraum, auf dem ein noch böseres Erwachen folgen wird.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Ostwind:

      ... und dabei kann ein Lakai kein Partner sein ...

  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollte die EU und insbesondere Deutschland, der USA einmal ihre Werte vermittel ...

    • @02612 (Profil gelöscht):

      Welche Werte meinen Sie?

      • 0G
        02612 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        ... täusche ich mich, der Artikel wurde doch überarbeitet ... Mir geht es um unsere freiheitlichen Werte und dem Respekt anderen Staaten gegenüber.

  • Nicht ihr ernst, ständig wird mir in den Medien das 2% Ziel um die Ohren geklatscht, jetzt auch noch in der Taz. Deutschland hat in absoluten Zahlen weltweit sehr hohe Rüstungsausgaben. Aber darüber reden wir lieber nicht, denn das würde ja die Illusion zerstören, dass wir zu wenig Geld in Rüstung stecken. Wir werden die Welt, auch Russland nicht mit der Bundeswehr befrieden. Kommt mal klar damit. Wird das Geld sinnvoll eingesetzt in der Bundeswehr, dass ist eine ganz andere Frage. Trägersysteme für Atomwaffen sind nicht günstig und vielleicht, nur vielleicht nicht die sinnvollste Investition.