Bidens Politik nach Amtsantritt: Volldampf in die Politikwende

„Back to normal“ heißt große Veränderung: Joe Biden beginnt seine Amtszeit als US-Präsident mit 17 Dekreten zu Klima und Einwanderung.

Sechs Beamte des Secret Service begleiten die Limousine des Präsidenten

Alles wie immer: Beamte des Secret Service begleiten die Fahrt des Präsidenten ins Weiße Haus Foto: Jose Luis Magana/dpa

Gerade noch hatte Joe Biden auf der Westfront des Kapitols seinen Amtseid abgelegt. Genau choreografiert, hatte sein Team eine Amtseinführungsfeier vorbereitet, die eines zeigen sollte: Man kann einen Überschwang an pompösem Patriotismus demonstrieren, ohne in jenen scheinrevolutionären weißen Ethnonationalismus zu verfallen, der schon Donald Trumps Antrittsrede vor vier Jahren charakterisiert und letztlich seine gesamte Präsidentschaft geprägt hatte. Es gibt eine andere Definition von diesem „Amerika“ als die der Rechten.

Ohne konkreter auf einzelne Politikfelder einzugehen und ohne den Namen Trump ein einziges Mal zu erwähnen, hat Biden in seiner Rede skizziert, in welchen Abgrund Spaltung und Hassrede das Land gestürzt haben. Sein Angebot zur Reparatur: Einheit, unity, das meistbenutzte Wort seiner Rede. Und Respekt.

Dennoch waren das Wichtigste an der Veranstaltung nicht die Besonderheiten. Nicht die Vereidigung von Kamala Harris als der ersten, noch dazu Schwarzen Frau als Vizepräsidentin durch die erste Hispano-Richterin des Supreme Court, nicht das beeindruckende Gedicht der jungen Schwarzen Poetin Amanda Gorman, nicht die „This Land Is Your Land“-Version von Jennifer Lopez, gemixt mit „America, America“ und auf Spanisch ausgerufenem Treueschwur auf die USA („y justicia para todos!“), nicht Lady Gagas Vortrag der Nationalhymne. All das wärmte viele Seelen und ließ Tränchen in die Augen steigen.

Aber das Wichtige war die Selbstverständlichkeit, mit der die Militärkapelle aufspielte, wie immer alle vier Jahre am 20. Januar. Das Wichtige war die Selbstverständlichkeit, mit der republikanische und demokratische Honoratioren gemeinsam auf der Tribüne saßen, wie immer alle vier Jahre am 20. Januar. Der Fahnenaufmarsch. Die Secret-Service-Beamten. Der Besuch auf dem Militärfriedhof in Airlington. Die Salutschüsse. Das für Biden vorbereitete Oval Office im Weißen Haus. Die Punkt 12 Uhr auf Biden umgestellte Whitehouse.gov-Seite, der neue Twitter-Account. Alles wie immer alle vier Jahre am 20. Januar. Trotz Pandemie. Und vor allem: trotz Trump. Die USA funktionieren noch, trotz allem.

Biden hat es doppelt schwer

Aber das alles war mittags, und die Botschaft, die US-Amerikaner*innen mögen bitte nicht über politische Meinungsverschiedenheiten einander an die Gurgel gehen, war gesendet. Biden verlor keine Zeit, eine Politikwende einzuleiten. 17 Präsidialdekrete unterzeichnete er bei seinem ersten Aufenthalt im Oval Office. Das erste: eine Maskenpflicht in allen Bundesgebäuden im ganzen Land.

Außerdem: Die USA kehren zurück in das Pariser Klimaabkommen und die Weltgesundheitsorganisation, die von Trump verhängten Einreiseverbote für Bür­­­ge­r*in­nen bestimmter muslimischer Länder sind aufgehoben, die Keystone XL Pipeline von Kanada in die USA ist gestoppt, Ölbohrungen in Nationalparks von Alaska sind vorerst wieder untersagt, für Trumps Mauerbau an der Südgrenze zu Mexiko gibt es kein Geld mehr.

Und gleich am Abend gab Bidens neue Pressesprecherin Jen Psaki das erste von nunmehr wieder täglichen Pressebriefings für die akkreditierten White-House-Journalist*innen. In der Bedeutungsschwere dieses Tages hieß auch das: Back to normal, aber mit Volldampf in die Politikwende.

Dabei hat es Biden doppelt schwer: Durch Trumps Weigerung, den normalen Übergangsprozess von einer Regierung zur nächsten zuzulassen, hinkt Biden bei den Anhörungen und Bestätigungen seiner nominierten Kabinettsmitglieder hoffnungslos hinterher: Mit Geheimdienstdirektorin Avril Haines ist bislang erst ein einziger Führungsposten bestätigt – mit so wenig Personal an Tag 1 musste zuletzt Ronald Reagan 1981 antreten.

Am Donnerstag sollten die nächsten zehn Dekrete folgen, alle rund um die Bekämpfung der Coronapandemie. Und so wird es auch die nächsten Tage weitergehen: Für jeden Tag hat sich Biden ein anderes Thema vorgenommen, Klima, Migration, Gleichheit … Wer Trumps Politik toll fand, wird Bidens verabscheuen, Versöhnungsrhetorik hin oder her.

Wer aber den letzten Tag der Trump-Regierung nicht erwarten konnte, kann mit Bidens Start zufrieden sein.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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