piwik no script img

Trainerwechsel bei Hannover 96Bemerkenswerte Demontage

Hannover 96 trennt sich auf unrühmliche Weise von der Identikationsfigur Daniel Stendel. Nun soll André Breitenreiter den Aufstieg schaffen.

Bei der Geburt getrennt und erst in Schalke, nun in Hannover wiedervereint: André Heldt und Horst Breitenreiter Foto: dpa

Hannover/Hamburg taz | Eigentlich war schon vor zwei Wochen klar, dass Daniel Stendel keine Zukunft als Trainer von Hannover 96 hat. Am 6. März stellten die Niedersachsen Horst Heldt als neuen Manager vor, er saß neben Präsident Martin Kind und Gerhard Schröder, dem Altkanzler und Chef des Aufsichtsrats, auf der Bühne im Pressesaal des Stadions, und es drängte sich bei dieser Veranstaltung der Eindruck auf, dass Heldts Berufung nur der erste Schritt einer Neuausrichtung war und ein Trainerwechsel bald folgen dürfte.

Die hohen Herren sprachen davon, dass der Manager der Mannschaft Selbstvertrauen geben solle. Eigentlich doch eine klassische Trainer-Aufgabe. Und es hieß, dass Heldt erst einmal die Lage analysieren und dann eine Entscheidung treffen würde, ob Stendel noch der richtige Mann ist, um den als alternativlos eingestuften Wiederaufstieg in die erste Liga zu schaffen. Die Präsentation des Managers war zugleich eine bemerkenswerte Demontage des noch amtierenden Übungsleiters.

Zwei Wochen später hat der Verein die zu erwartende Entscheidung getroffen und Stendel abberufen, ihn ersetzt André Breitenreiter. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, sahen uns nach den Ergebnissen und den Auftritten der Mannschaft in den letzten Wochen aber zu diesem Schritt gezwungen“, ließ sich Heldt in einer Mitteilung des Klubs zitieren.

Inhaltlich ist der Trainerwechsel nachvollziehbar. Die Hannoveraner waren zwar zwischenzeitlich Tabellenführer, spielen in dieser Saison aber nicht so dominant wie erwünscht und sind durch das jüngste 0:0 beim FC St. Pauli auf den vierten Platz abgerutscht. Klubchef Kind sieht das große Saisonziel in Gefahr. Dem direkten Aufstieg „müssen wir alle Entscheidungen unterordnen“, weiß Manager Heldt. Deshalb ist Stendel jetzt weg.

Stendel holte die Fans zurück

Der Umgang des Klubs mit ihm ist allerdings zweitklassig. Stendel war als Spieler für Hannover aktiv, trainierte verschiedene Nachwuchsmannschaften, ehe er sechs Spieltage vor dem Ende der vergangenen Saison die Profis übernahm. Den Abstieg konnte er nicht mehr verhindern, aber es gelang ihm, die Menschen wieder für ihren Verein zu begeistern. Stendel war eine Identifikationsfigur. Was den Klub jetzt nicht davon abhielt, ein ziemlich unwürdiges Schauspiel zu veranstalten.

Stendel war zuletzt nur noch Trainer unter Vorbehalt, seine Job-Garantie galt immer nur bis zum nächsten Spiel. Jüngst berichtete Klubchef Kind im NDR von die Suche nach einem Nachfolger – obwohl Stendel da noch im Amt war. St. Paulis Trainer Ewald Lienen nannte die Debatte um seinen Kollegen nach dem direkten Vergleich am Wochenende „skandalös“ und „lächerlich“.

Mit dem Manager Heldt verbindet Breitenreiter indes ein kompliziertes Verhältnis. Bei ­Schalke 04 scheiterte vergangene Saison die Zusammenarbeit

Die Nachfolge-Lösung mit Breitenreiter ist genauso logisch wie konfliktträchtig. Der 43-jährige Coach kommt aus der Region, begann seine Profi-Karriere bei den Hannoveranern und wurde 1992 mit dem Klub Pokalsieger. Schon in der Vergangenheit galt Breitenreiter immer wieder als Kandidat für den Trainerposten.

Mit dem neuen Manager Heldt verbindet ihn allerdings ein kompliziertes Verhältnis. Die beiden arbeiteten in der vergangenen Saison bei Schalke 04 zusammen, die Kooperation scheiterte, beide mussten gehen. „Wir hatten in einer extrem problematischen Situation sicher schwierige Momente“, gestand Heldt neulich. Jetzt unternehmen sie einen neuen Anlauf. Breitenreiters Einstand findet übrigens schon am Donnerstag statt – mit einem Testspiel gegen Schalke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!