Traditionelle Rollen und Corona: Väter durch Pandemie konservativer
Viele Familien teilten sich ihre Aufgaben während der Lockdowns anders auf. Eine Studie zeigt, dass sich die Rollenbilder verändert haben.
Väter mit jungen Kindern, die vor der Coronapandemie zunehmend von Geschlechtergleichheit überzeugt waren, sind nun zum Teil zu einem traditionelleren Rollenbild zurückgekehrt. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Nachdem 2016 noch rund 60 Prozent der deutschen Väter sehr egalitäre Einstellungen hatten, sind es ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie rund 10 Prozent weniger.
Die ForscherInnen untersuchten anhand repräsentativer Daten, ob sich infolge der coronabedingten Kita- und Schulschließungen Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern verändert haben. Eltern mussten Betreuungs- und Bildungsarbeit oft selbst übernehmen, viele Familien teilten die Arbeiten innerhalb des Haushalts anders auf als bisher.
Während des ersten Lockdowns übernahmen überwiegend Mütter die zusätzliche Sorgearbeit – vor allem dann, wenn ihr Anteil schon vor der Pandemie größer war. Das führt etwa dazu, dass Frauen auch im internationalen Vergleich während der Pandemie häufiger ihre Lohnarbeit verloren als Männer.
Die Frage war nun, ob die Verschiebungen nur kurzfristig sind – oder ob sie auch Effekte auf die Einstellungen zu Geschlechtergleichheit haben und damit mindestens mittelfristig wirken können. Gefragt wurde etwa, ob eine berufstätige Mutter ein genauso herzliches und vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kindern haben kann wie eine Mutter, die nicht berufstätig ist, und ob ein Kleinkind darunter leide, wenn seine Mutter berufstätig ist.
Frauen sind egalitärer eingestellt
Grundsätzlich sind die Einstellungen von Frauen zur Erwerbstätigkeit von Müttern egalitärer als die von Männern. Aber auch in anderen Bevölkerungsgruppen ist ein Trend hin zu mehr Geschlechtergleichheit zu beobachten. Im Frühjahr 2021 aber, ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie, zeigt sich, dass insbesondere Väter von jüngeren Kindern am häufigsten von ihren sehr egalitären Einstellungen abgerückt sind.
„Damit ist jene Gruppe besonders zurückgefallen, die sich in den Jahren vor der Coronapandemie am stärksten hin zu einem egalitäreren Geschlechterrollenverständnis entwickelt hatte“, konstatieren die AutorInnen. Zugleich rückten westdeutsche Männer allgemein von sehr egalitären Einstellungen ab. Frauen hingegen sind bei ihren Einstellungen geblieben. Und der Osten Deutschlands hat historisch bedingt auch heute noch egalitärere Einstellungen als der Westen.
Der Befund, so die ForscherInnen, sei auch vor dem Hintergrund interessant, dass die Geburt des ersten Kinds zwar oft dazu führt, dass sich das Verhalten von Eltern retraditionalisiere. Das spiegele sich aber nicht in einem veränderten Rollenverständnis. Die Herausforderungen der Pandemie hingegen hätten nun offenbar auch zu veränderten Einstellungen geführt.
Solche mittel- bis langfristigen Nebenwirkungen von Kita- und Schulschließungen könnten Folgen haben, die dem politischen Ziel entgegenstehen, die Berufstätigkeit von Müttern zu erhöhen und Väter stärker an der häuslichen Sorgearbeit zu beteiligen. „Auch vor diesem Hintergrund sollten Bemühungen intensiviert werden, Maßnahmen für einen sicheren Präsenzbetrieb zu realisieren“, so das Fazit.
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