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Toxische Männlichkeit im SportBund der Unwiderstehlichen

Die Superstars des Fußballs stehen zueinander, wenn der Vorwurf der sexuellen Gewalt im Raum steht. Täter-Opfer-Umkehr ist Teil ihres Spiels.

Buddies: Neymar und Dani Alves nach einer Niederlage der brasilianischen Nationalmannschaft Foto: Zuma Wire/imago

N eymar ist es also nicht gewesen. Sein Vater, so schrieb die spanische Zeitung La Vanguardia diese Woche, würde Dani Alves eine Million Euro Kaution zur Verfügung stellen, damit er bis zum Berufungsverfahren aus dem Gefängnis herauskommt. Zu viereinhalb Jahren ist der 126-fache brasilianische Fußballnationalspieler im Februar wegen einer Vergewaltigung verurteilt worden. 150.000 Euro muss er zudem der Frau zahlen, die davon berichtete, dass sie auf einer Toilette eines Nachtklubs von Alves zum Sex gezwungen wurde.

Diesen kleineren Betrag hat der mittlerweile klamme Alves schon von Neymars Vater vorgestreckt bekommen. Die Kaution will er nun doch nicht zahlen, versicherte er am Freitag. Für die erste Zahlung hätte es schon starke Kritik gegeben. Von einer Parlamentsabgeordneten Brasiliens ist Ney­mar und nicht etwa der Vater kritisiert worden, er hätte seinem Kumpel die Strafe abgenommen.

Zu plump war schließlich Neymars Versuch, seinen Vater vorzuschieben, um sich nicht allzu sehr angreifbar zu machen. Die Familie hält zusammen im Fußball, wenn es um sexuelle Gewalt geht. Im konkreten Fall von Neymar könnte das Mitgefühl mit Alves auch durch eigene Erfahrungen bestärkt sein.

Gegen Neymar wurde einst wegen Vergewaltigung ermittelt. Ein brasilianisches Model hatte diese zur Anzeige gebracht, doch weil es an Beweisen mangelte, wurde das Verfahren eingestellt. Neymar sprach damals von einvernehmlichem Sex – genau wie es sein Freund Alves vor Gericht beteuerte, nur dass die Indizien offenbar nun stärker für ein Gewaltdelikt sprechen.

Der Profi als Objekt der Begierde

Es drängt sich der Eindruck auf, dass in der präpotenten Sphäre der Spitzenstars die Wahrnehmung der eigenen Unwiderstehlichkeit durch nichts zu trüben ist. Als der französische Nationalspieler Benjamin Mendy vor Gericht stand, weil ihm von insgesamt 13 Frauen sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde, versuchte er vor den Richtern die Anklage ad absurdum zu führen. Als „berühmter Fußballer“ sei es für ihn einfach, zwanglos mit Frauen zu schlafen. Er präsentierte sich als das eigentliche Objekt der Begierde.

Nachdem Mendy wegen fehlender Beweiskraft freigesprochen wurde, bekundeten etliche seiner Kollegen ihre Solidarität mit Mendy und schoben ihm nach dem Freispruch die Rolle als eigentliches Opfer zu. „Und was machen wir jetzt? …Wer ist für den Schaden an seinem Namen verantwortlich?“, fragte etwa der niederländische Nationalspieler ­Memphis Depay und machte damit offenkundig die 13 Frauen zu Täterinnen.

Wer Mendys These von den berühmten Fußballern glauben will, der muss sich wundern, wie häufig trotz alledem Spitzenspieler ins Fadenkreuz von Ermittlungen wegen sexueller Gewalt geraten. Robinho, mit dem Neymar und Alves öfters schon in einer Startelf gespielt haben, soll nun, wie diese Woche bekannt wurde, seine italienische Haftstrafe wegen Gruppenvergewaltigung doch in Brasilien absitzen.

Der Berufungsprozess gegen den deutschen Weltmeister Jérôme Boateng wegen Gewaltvorwürfen seiner Freundin soll am 14. Juni, dem Tag des EM-Eröffnungsspiels, beginnen. Die Aufregung darum dürfte sich deshalb in Grenzen halten.

Unter den über 36 Millionen Fans, die Dani Alves auf Instagram folgen, ist die Erleichterung über die scheinbare Freilassung ihres Idols groß gewesen. Der allgemeine Tenor war grob zusammengefasst: Vielleicht hat Alves nicht alles richtig gemacht, aber er ist und bleibt ein großer Fußballer. Alles Gute! Die Frau, die von Alves vergewaltigt wurde, sagte vor Gericht hinter einem Sichtschutz aus. Sie weiß natürlich auch um die Popularität ihres Peinigers.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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