Tourismus in Tunesien: Djerba darbt
In Tunesien bleiben die Urlauber weg. Mit mehr Qualität im Badetourismus und mit alternativen Angeboten will man die Krise nutzen.
Das milde Klima, 320 Sonnentage, lange Strände, das Licht – die Insel Djerba ist das Lieblingsziel der Deutschen in Tunesien. Doch die Touristen bleiben weg auf Djerba. In Hammamet und Sousse kamen 2010 458.631 Deutsche nach Tunesien, 2016 waren es gerade einmal 129.085 Deutsche.
Der Reiseveranstalter TUI setzt trotzdem auf das Europa so nahe Land am Mittelmeer und gibt sich optimistisch: „Die Nachfrage nach Tunesien-Reisen erholt sich allmählich. Entsprechend verbessert sich auch das Flugangebot im Markt für den Sommer 2017. Auch TUI baut das Flugprogramm für Tunesien aus: In der Sommersaison starten wir mit zwei Vollchartern von Tunisair jeweils samstags ab Frankfurt und Düsseldorf nach Djerba. Zudem wird das Angebot von eigenen Hotelkonzepten erweitert. Tunesien zählt zu den Destinationen mit der größten Gästezufriedenheit“, sagt die Pressesprecherin der TUI, Anja Braun.
Derweil kann man im neu renovierten Fünf-Sterne Hotel Sensimar Palm Beach für sagenhafte 450 Euro eine Woche all-inclusive mit Flug urlauben. „Bei diesen Preisen zahlen wir selbstverständlich drauf“, sagt der General-Manager vom Sensimar Palm Beach Palace, Imed Chaouch. „Aber wir halten Arbeitsplätze und die Destination Djerba aufrecht. Auch in den schwierigen Wintermonaten.“
Terror gegen Touristen
Die brutalen Anschläge am Strand von Sousse und im Bardo-Museum von Tunis haben dem Tourismus schwer geschadet. Ihre Brutalität hat sich in den Köpfen festgesetzt. Jetzt patrouilliert eine Garde mit zähnefletschender Dogge am Strand. Das tunesische Innenministerium hat die Beamten der Touristenpolizei erheblich verstärkt sowie mobile Sicherheitsposten eingerichtet.
Während an der Ostküste Djerbas die Anlage für die Urlauber der großen Veranstalter stehen und es mit Reiten, Tauchen und Pilates am Pool modern touristisch zugeht, wird an der einsamen Westküste der Fisch noch auf altbewährte Weise mit kleinen Booten gefangen. Hier direkt am Meer steht das Bed & Breakfast Dar el Bidha. Die Betreiber Sonja und Hijem, ehemals Angestellte in großen Hotelketten, haben hier eine kleinteilige Alternative geschaffen: landestypisch, mit guter Küche, bezahlbar und mit spektakulärem Blick auf das Meer. Kleine, bezahlbare Pensionen wie diese sind selten auf Djerba und in ganz Tunesien. „Wir sind eine sehr junge Initiative hier“, sagt Sonja.
Zwar hat sich in den letzten Jahren eine Reihe alternativer Hotels gegründet, sogenannte Chambre d’Hotes, dieses sind schön und teuer. Wie das Dar Bibene in Erriadh, einem kleinen Ort mit einer großen jüdischen Geschichte auf Djerba. Der belgische Architekt Gerard Gridelte, Besitzer des Dar Bibene, teilt die Sorgen der großen Hotels: „Die Gäste bleiben aus. Lange halten wir nicht mehr durch“, sagt er.
Anja Braun, TUI Presse
In den engen Gassen der Ortschaft Erriadh scheinen die All-inclusive-Hotelburgen weit weg. Der Francotunesier Mehdi Ben Cheikh hat hier 2015 sein Konzept von Kunst in der Öffentlichkeit realisiert: Graffiti an Hauswänden: „Die demokratischste Form von Kultur, da wir keine Orte brauchen, die nur einer Bildungselite zugänglich sind“.sagte er der taz.
150 Kreative aus 30 Ländern haben ihre Bilder auf den weißen Wänden der Ortschaft hinterlassen. „Djerbahood“ wird diese Dorfgalerie genannt. Die Kosten für die Aktion übernahmen private Spender und Firmen aus Frankreich und Tunesien. Im Austausch mit den Bewohnern waren Graffiti-Stars wie der Brite Phlegm, Alexis Diaz aus Puerto Rico und Claudio Ethos aus Brasilien über Wochen privat untergebracht. Der 63-jährige Ladenbesitzer Abdel Kader setzte sich oft zu den Künstlern. „Wir als Dorf hatten durch Djerbahood mehr Kontakt zu anderen Kulturen als in zwanzig Jahren Hoteltourismus, der eher Vorurteile produziert hat“, sagte er der taz.
Starke Marke kreieren
Die Verbesserung der Qualität, die Diversifizierung des Produkts ist heute ein zentraler Punkt der Tourismusstrategie Tunesiens: „Das betrifft die Hotellerie, touristische Infrastruktur, Transport, Flughäfen und Sicherheit, um nachhaltig und auf lange Sicht hin ein Qualitätslabel zu schaffen, einen Imagewandel vollziehen zu können und eine starke Marke Tunesien zu kreieren“, sagt die Ministerin für Tourismus und Kunsthandwerk, Salma Elloumi Rekik, zur Internationalen Tourismusbörse in Berlin.
Boom mit Schlagseite: Im vergangenen Jahr hatten Anschläge und politische Krisen in beliebten Urlaubsregionen der erfolgsverwöhnten Branche ein Umsatzminus beschert. Zwar boomten Mittelmeerklassiker wie Spanien sowie Fernreisen und Kreuzfahrten. Unter dem Strich habe dies die deutlichen Rückgänge für die Türkei sowie für Tunesien und Ägypten jedoch nicht komplett ausgleichen können, erläuterte der Präsident des Branchenverbands DRV Norbert Fiebig.
Krisenländer: Nach wie vor meiden Deutschlands Urlauber die Türkei. Ende Januar lagen die Buchungsumsätze für das Land 58 Prozent unter dem Stand von 2016. Im vergangenen Jahr hatte es bereits einen Einbruch um 40 Prozent gegeben. Ägypten und Tunesien kehren in der Gunst der Urlauber dagegen wieder zurück, sind aber noch weit entfernt von früheren Höchstständen. Mit Buchungen für die USA halten sich die Bundesbürger dagegen bisher zurück. Ob das Minus von 9 Prozent auf die Politik des neuen Präsidenten Donald Trump zurückzuführen ist oder auf den starken Dollar, der Reisen in das Land verteuert, lasse sich derzeit nicht eindeutig beantworten, sagte GfK-Expertin Dörte Nordbeck.
Aufschwung: Nach Daten der GfK-Konsumforscher gab es bisher ein Umsatzplus von zusammengerechnet 6 Prozent für das wichtige Sommergeschäft gegenüber dem schwachen Vorjahreszeitraum. Hoch im Kurs steht Griechenland. Das Land steigt laut einer GfK-Analyse nach den Balearen zum zweitstärksten Urlaubsziel der Bundesbürger auf.
Eine bedeutende Rolle käme Unterkünften zu. Viele Hoteliers hätten die schwierigen Zeiten der letzten Jahre genutzt, um ihre Hotels zu renovieren und zu modernisieren. Gemeinsam mit dem Tourismusministerium und dem tunesischen Hotelverband (FTH) sowie mit internationalen und europäischen Institutionen wurden Reformierungsmaßnahmen im Bereich des Hotelmanagements und der Aus- und Weiterbildung beschlossen. Die großen deutschen Veranstalter setzen mit ihren Konzepthotels neue Qualitätsstandards, denen tunesische Ketten folgen. 2015 kam nach zehn Jahren die TUI Marke „Robinson“ wieder nach Tunesien.
Eine der größten Herausforderungen ist jedoch, den Badetourismus mit der Angebotsvielfalt der verschiedenen Nischenprodukte und der regionalen Vielfalt zu verzahnen. Auch die touristische Aktivität auf mehrere Saisons auszuweiten, um somit ein Zusammenspiel aller touristischen und kulturellen Akteure zu fördern. Ziel sei es, auf lange Sicht einen qualitativ hochwertigen, nachhaltigen, respektvollen und partizipativen Tourismus zu kreieren.
So entstehen zumindest Alternativprojekte, wie neue Wanderrouten, „Star Wars“-Trekkings, kulinarische Entdeckungsreisen, Weinrouten oder Thermalbad-Touren. Ziel sei es, die unterschiedlichsten Attraktionen und Besonderheiten einer jeden Region in die Kommerzialisierung einzubinden und die Hotels dazu zu bringen, ihren Gästen neue Programmpunkte vorzuschlagen.
Die Krise als Chance
Eine besondere Rolle spielen hierbei Events und Veranstaltungen, die jeweils ihre eigene Community in Tunesien und im Ausland haben: das Sahara-Festival von Douz, das Electronic-Musik-Festival Sounds of Sahara vor der „Star Wars“-Kulisse in den Dünen von Nefta, das Klassik-Musikfestival von El Jem, die Kunstbiennale „Dream City“ in der Medina von Tunis oder die Fashion Week Tunis.
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Entwicklungszusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt Tunesien bei der touristischen Produktdiversifizierung in den Segmenten Wüste und Oase, Kultur, Aktiv und Natur sowie bei der Bewerbung der Original-„Star Wars“-Drehorte (vor 40 Jahren wurden in Tunesien die ersten Filmepisoden gedreht).
Vielleicht könnte darin die Chance der jetzigen Krise liegen: dass andere Ansätze in der billig verkauften Badetourismus-Destination Tunesien angedacht werden, die dem Land jenseits der All-inclusive-Anlagen ein Gesicht geben und andere, selbst bestimmtere Arbeitsplätze im Tourismus fördern.
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