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Tour de FranceEs hagelt Rekorde

Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar prägen nicht nur diese Frankreich-Rundfahrt. Und sorgen für sporthistorische Marken.

Jonas Vinegaard und Tadej Pogačar machen die Tour de France unter sich aus. Mit deutlichen Vorteilen für den Slowenen Foto: Belga/imago

Wann hat man das schon, dass Verlierer mit ihrer Niederlage nicht hadern, sondern stolz sind? Radprofi Jonas Vingegaard sorgte auf dem Plateau de Beille für einen dieser raren Momente. Eine Minute und acht Sekunden kam er hinter Tadej Pogačar ins Ziel. Im Radsport ist das eine Ewigkeit.

Seine erste Tour de France gewann Pogačar vor Landsmann Primož Roglič nur mit insgesamt weniger als einer Minute. Das betont die Extraleistung des Slowenen am Sonntag. Etwa fünf Kilometer vor dem Ziel ließ er den Titelverteidiger aus Dänemark förmlich stehen. Der hatte den ganzen Tag über sein Team Visma-Lease a Bike eingesetzt, um eine eigene Attacke vorzubereiten. Er trat auch an. Pogačar aber folgte leichtfüßig.

Der Slowene gab später zu, in diesem Moment selbst am Limit gewesen zu sein. Er kaschierte das aber mit seinem üblichen Jungenslächeln. Und als er sich am Hinterrad erholt hatte, zog er selbst von dannen.

Vingegaard war geschlagen. Mehr als drei Minuten liegt er schon im Gesamtklassement zurück. Er sagte dennoch: „Ich bin stolz auf meine Leistung und auch stolz auf die des Teams.“ Er fügte hinzu: „Das heute war eine meiner besten Leistungen in meiner Laufbahn.“ Diese Bestleistung war zwar nicht gut genug für Pogačar, aber in der Liste der Allzeitbesten platzierte er sich an Position zwei, noch weit vor dem bisherigen Spitzenreiter Marco Pantani.

Die Heroen der Vergangenheit werden abgeschüttelt

Pogačar stellte zudem Rekorde am Galibier und der San Luca-Rampe auf

Der hatte bei seinem Double-Ritt 1998 43:28 Minuten gebraucht. Vingegaard war mehr als zwei Minuten schneller. Und Pogačar toppte das um 3:44 Minuten. Der Tagesdritte Remco Evenepoel lag ebenfalls noch unter der Bestzeit von Pantani. Die Heroen der Vergangenheit werden also bei dieser Tour abgeschüttelt.

Pogačar ragt da heraus. Er lieferte bei dieser Tour eine ganze Serie von Rekordfahrten. Schon am Vortag, als er in Pla d’Adet Vingegaard stehenließ, verbesserte er die alte Bestzeit von Zenon Jaskuła aus dem Jahr 1993 um fast zwei Minuten. Der Pole, damals Gesamtdritter der Tour, gab später zu, von Koffein und Kortison beflügelt gewesen zu sein. Pantanis Epo-Konsum ist gar kein Geheimnis mehr. Pogačar stellte bei dieser Tour auch noch Rekorde am mythischen Galibier sowie der steilen San Luca-Rampe bei Bologna auf. Da war Vingegaard zeitgleich mit dem Slowenen. Selbst durfte sich der Däne mit dem neuen Rekord am Zentralmassiv-Gipfel Col de Pertus trösten.

Auf dieser 11. Etappe fing er den enteilten Pogačar noch ein und holte sich im Bergaufsprint den Tagessieg. Es war zugleich der Tag, an dem sich das Pendel mal zugunsten des Dänen auszuschwingen schien. Davor wie danach aber war Pogačar der Herr im Peloton. Und er ist immer mehr auf dem Wege, es dem Kletterer mit dem berühmten Piratentuch um den Kopf gleichzutun. „Ich bin zwar zu jung, um mich an Pantani zu erinnern, als er noch fuhr. Aber ich würde gern erreichen, was ihm gelang. Denn ich weiß, wie wichtig er für den Radsport in Italien und in der ganzen Welt war“, sagt der Slowene.

Doch kein Herr der Tour de France

Sein Mut zur Offensive stellt ihn tatsächlich schon jetzt auf eine Ebene mit dem Italiener. „Er könnte im gelben Trikot konservativer fahren, auf die Attacken der anderen warten. Aber er geht selbst in die Offensive. Das ist herausragend“, lobte ihn etwa Rolf Aldag vom Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe.

Vingegaard hingegen bevorzugt den eher abwartenden Stil früherer Grand-Tour-Stars. Immer kompakt bleiben als Team lautet seine Devise. Das trug ihm den Ruf ein, ein Zauderer zu sein. Das ist er natürlich nicht. Er griff ja mehrmals auch selbst an. Und ohne Pogačar wäre er wahrscheinlich der eindeutige Herr dieser Tour de France. Jetzt hat er aber einen Besseren vor sich.

Und natürlich fragt man sich bei all den tollen neuen Bestleistungen von Vingegaard wie Pogačar auch, welche Faktoren dazu beitragen. Die dritte Tour-Woche dürfte daher im Zeichen von Erklärungsversuchen stehen: Wie schnell sind die Räder geworden, um wie viel aerodynamischer die Bekleidung? Welchen Einfluss hat die Energiebereitstellung durch Ernährung? Aber auch: Was gibt der Markt der leistungssteigernden Substanzen alles her?

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5 Kommentare

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  • ...Inzwischen wird selbst die Kleidung der Radsportler aerodynamisch optimiert. Und dann das Thema Training und Ernährung. Wenn Jan Ullrich und Co. erzählen, wie sie früher trainiert haben, schlägt man sich heute die Hände über dem Kopf zusammen. Damals war es z.B. verpönt während des Trainings zu essen. Heute weiß man, dass regelmäßige Nahrungsaufnahme während der Belastung elementar ist.

    Beweist das, dass die "Außerirdischen" Pogačar und Vingegaard ihre Leistungen sauber erbringen? Nein, absolut nicht, und eine gesunde Skepsis ist immer angebracht. Aber ich denke, dass es heute ohne Doping gut möglich ist, im Feld mitzufahren und auch mal eine Etappe zu gewinnen. Das war zu EPO-Zeiten praktisch ausgeschlossen.

    Eine differenziertere Berichterstattung wäre hier wünschenswert.

    (2/2)

  • Die ganze Veranstaltung gleicht mehr und mehr einer sportmedizinischen Leistungsschau -- zumal die Fortschritte in der Technik diese Leistungssteigerungen nicht erklären. Und wenn dann die Rekorde von Pantani purzeln, fällt einem nichts mehr ein.

    Ob das alles schon Doping ist oder "nur" die Grauzone wie z.B. die Einnahme von Schmerzmitteln während des Rennens, ist da zweitrangig. Ein Imageproblem hat der Radsport schon jetzt. Neue Sponsoren sind entweder Milliardäre, die sich ein Spielzeug leisten (Ineos), oder aber Staaten, die Sportswashing betreiben (Bahrain, UAE, Saudi-Arabien). Nicht einmal das Visma-Team konnte einen Hauptsponsor wie Amazon an Land ziehen. Obwohl -- oder gerade weil es letztes Jahr alle drei Grand-Tours gewonnen hat?



    Und am schlimmsten ist die Berichterstattung, z.B. auf Europsport. Alle himmeln "Tadej" und "Jonas" an. "Wahnsinn", "brutal", was die da leisten.



    Irgendwer hört da den Schuss nicht ...

  • Marco Pantani hat damals den Rekord unter Doping aufgestellt, und jetzt wird dieser Rekord um 3 Minuten unterboten von Athleten die sauber sein sollen. Wer glaubt wird selig!

    Ab dem Jahr 2010 räumten ehemalige Teamkollegen bei US Postal wie Floyd Landis und Tyler Hamilton ein, zusammen mit Armstrong gedopt zu haben. Wenn man bedenkt das Lance Armstrong nie des Dopings überführt wurde, sondern seine Doping Beichte nach seiner Karriere bei Oprah Winfrey im TV ablegte, das sagt alles darüber aus, wie sauber der Radsport wirklich ist!

  • Wie stehen die Chancen, dass keiner von den Stars in ein paar Monaten oder Jahren die Anwendung vielleicht heute noch unzureichend nachweisbarer Substanzen beichten muss ?

  • Natürlich alles sauber erfahren, Doping bei der Tour? Vraiment?