piwik no script img

Tote bei Vulkanausbruch in NeuseelandRisiko hat seinen Preis

Die Suche nach immer neuen Abenteuern machen gefährliche Urlaubsziele attraktiv. Das fordert Opfer, nicht nur unter den Tourist*innen.

Schöne Bilder von der Naturkatastrophe Foto: dpa

Sechs Tote sind mittlerweile offiziell bestätigt, acht Menschen werden noch vermisst. Dass sie lebend gefunden werden, ist unrealistisch und auch unter den 31 Verletzten im Krankenhaus ist die Überlebenschance bei vielen gering. Es sind Tourist*innen aus China, Australien, den USA, Deutschland, Malaysia und Großbritannien. Sie alle waren auf der neuseeländischen White Island, als am Montagmittag der Vulkan ausbrach.

Der Tod und die schweren Verletzungen der Menschen sind in jedem Fall zu bedauern, doch sie stehen auch für den absurden Trend des Gefahrentourismus. Tourist*innen, die sich an ihre Grenzen bringen wollen, um jeden Preis. Konkrete Zahlen zu Gefahrentourismus gibt es nicht, doch immer mehr kommerzielle Anbieter werben mit ungewöhnlichen und nicht ungefährlichen Reisezielen. So springen Tourist*innen von meterhohen Klippen, wandern auf steinigen Wegen über tiefe Schluchten oder schwimmen mit Haien – immer auf der Suche nach dem nächsten Thrill und Tausenden Likes für ihre Instagram-Schnappschüsse.

Klar ist es wahrscheinlicher, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, als durch einen Vulkanausbruch zu sterben. Doch anders als Menschen, die aufgrund ihres Wohnortes Naturkatastrophen ausgesetzt sind oder Opfer gewöhnlicher Unfälle werden, begeben sich Tourist*innen freiwillig in Gefahr.

So hatte GeoNet, die neuseeländische Vulkan- und Erdbebenmessstation, schon Wochen vorher den Warnpegel für den aktiven Vulkan erhöht. Denn seit dem Sommer war es zu erhöhten Schwefeldioxidwerten in der Luft und kleinen Erdbeben unter der Insel gekommen.

Schlangen am Everest

Doch gerade diese Gefahr macht einen Vulkanbesuch für die Tourist*innen reizvoll. Das Wandern auf dem steinigen Grund, aus dem es dampft und brodelt, ist eben interessanter, als sich das graue Geröll inaktiver Vulkane anzuschauen. Auch in Italien ist im diesjährigen Juli ein Bergsteiger bei einem Ausbruch des Stromboli-Vulkans tödlich verunglückt.

Doch nicht nur Vulkane locken die Massen an. Bilder von meterlangen Schlangen kurz vor dem Gipfel des Mount Everest sind in diesem Frühling um die Welt gegangen. Elf Menschen sind allein im Mai bei dem Versuch, den höchsten Berg der Welt zu erklimmen, gestorben. Die Amateur*innen zahlen Zehntausende Euro, um sich der Gefahr auszusetzen, durch einen Sturz, durch Erfrieren oder Herzstillstand zu sterben.

Doch die adrenalinsuchenden Touris begeben sich mit ihren Reisezielen nicht nur selbst in Gefahr. So sollen unter den Toten in Neuseeland auch zwei ausgebildete Reiseführer sein. Menschen, die jährlich 10.000 Tourist*innen auf die Vulkaninsel führen. Es sind Menschen, die sich regelmäßig in Gefahr bringen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Die neuseeländische Präsidentin Jacinda Ardern forderte postwendend eine Untersuchung. Die Polizei hat nun Ermittlungen eingeleitet. Eine Untersuchung, die wichtig ist um herauszufinden, welche Verantwortung die Reiseunternehmen, welche die örtlichen Behörden tragen und welche der Privatbesitzer der Insel trägt. Die der Frage nachgehen muss, warum die Touren trotz der Warnung noch angeboten wurden. Ob finanzielle Interessen der Tourismusbranche über die Sicherheit von Menschen gestellt wurden.

Doch selbst wenn es künftig verboten werden sollte, White Island zu betreten, die Tourist*innen werden schon einen anderen Ort finden, wo sie sich und andere in Gefahr bringen können. Klar ist am Vulkanausbruch bisher nur eines: Die Toten hätten verhindert werden können, würden Menschen aufhören, im Urlaub unbedingt den Nervenkitzel zu suchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was für ein undifferenzierter Artikel!

    Aspekt 1: Warum bringt sich jemand selbst in Gefahr? Jede Aktivität ist mit Gefahren verbunden. Angefangen vom Spaziergang über Sport, Wanderungen im Mittelgebirge, Bergtouren in den Alpen bis hin zur Arktisdurchquerung, dem Everest oder eben einem aktiven Vulkan. Was für Einen „extrem“ ist, ist für den Anderen noch keine Herausforderung. Wo genau wollen Sie die Grenze ziehen? Und wie gehen wir mit der Tatsache um, dass überhaupt keine Bewegung zwar langsam, dafür aber um so sicherer zu Gesundheitsschäden führt?

    Aspekt 2: Die Abhängigkeit der Angestellten. Die Situation der Sherpa in Nepal ist definitiv ein Dilemma. Das Risiko dem sie sich aussetzen eigentlich nicht zu rechtfertigen. ABER: Eine Everestumrundung schaffen gute Bergsteiger auch ohne Begleitung. Die vorgeschriebene Begleitung (vor ein paar Jahren waren Reiseführer und Koch verpflichtend) verkommt dann schnell zu ABM-Maßnahmen oder Almosen. Will man das? Und kommen bei zu starken Einschränkungen überhaupt noch viele Touristen?



    Ob sich diese Problematik auf den reicheren Teil der Welt, zu dem sicher auch Neuseeland gehört, übertragen lässt, wage ich zu bezweifeln. Für die wenigsten Reiseführer dürfte die Berufswahl hier alternativlos gewesen sein. Im Gegenteil, diese Branche ist gerade im Bereich des Abenteuertourismus geprägt von Menschen, die versucht haben ihr Hobby zum Beruf zu machen. Das macht ihren Tod nicht weniger bedauernswert. Sie aber als Opfer Nervenkitzel suchender Touristen darzustellen erscheint mir, ja eben, undifferenziert.

  • Selbstbetäubung mit überhöhtem Adrenalinspiegel, kann nunmal mit dem Tod enden.



    Wer's braucht.



    Haben "wir" keine andere Sorgen, als uns zu Tode zu amüsieren?

  • "Der Tod und die schweren Verletzungen der Menschen sind in jedem Fall zu bedauern ..."



    ... aber Sie, Frau Schwarz, können sich trotzdem die Widerlichkeit nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, daß sie ja eigentlich selbst schuld sind. „Gefahrentouristen“ eben, selbst schuld genau wie Raucher, Radfahrer, Übergewichtige, Nichtsportler oder Menschen, die sich von ihrem Job stressen lassen. Sie hätten es ja alle wissen können. All diese „Toten hätten verhindert werden können". Ein „Hoch“ auf die selbstoptimierten Vollkasko-Sesselfurzer, die ihr ganzes Leben daran arbeiten, friedlich sabbernd und in Windeln in einem Altersheim sterben zu dürfen.

    • @jhwh:

      Ein "klein wenig" einseitig Ihre Äußerungen – finden Sie nicht?



      Lösen wir doch erst "unsere" Probleme wirklich.



      Da haben|hätten wir alle Hände voll zu tun.



      Langweile ausgeschlossen, aber ist eben selbstfordernd und mühsam.



      Von Klimaschutz-Fragen dabei mal ganz ab von.

  • "Der Tod und die schweren Verletzungen der Menschen sind in jedem Fall zu bedauern, …"



    Hhm, sorry, aber wer so einen Wahnsinn macht, hat damit gespielt, dabei umzukommen.



    Viele Menschen haben verlernt, zu hinterfragen, worum es im Leben geht. Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er auf's Eis – oder auf den, zu dem oder in den Vulkan. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Die Angehörigen können einem leid tun.

    • @Frau Kirschgrün:

      Seh ich ähnlich. Wer auf einen Vulkan krabbelt, muß damit rechnen, daß da was passiert. Flugzeuge fallen vom Himmel, Schiffe sinken, Fahrzeuge stoßen zusammen... Um was es geht? Die Kunst, dem Moment Sinn zu verleihen und das dann auch noch zu genießen.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    wenn es noch etwas zu bemerken gäbe, angesichts der dargestellten ereignisse, wäre es wohl auch die übergeornete frage nach dem sinn von tourismus.



    wohl dem, der eine antwort hat :)

    • @90118 (Profil gelöscht):

      "Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben."

    • @90118 (Profil gelöscht):

      "... wäre es wohl auch die übergeornete frage nach dem sinn von tourismus."

      Um seinen Horizont zu erweitern?

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Der Sinn von Tourismus als solches?



      Na, da denken Sie mal scharf nach, ich wette Sie kommen drauf.



      Ich gebe Ihnen aber trotzdem mal ein paar Stichpunkte:



      Urlaub, andere Menschen, andere Länder, Langeweile, Bildunghorizont...

      • @Pia Mansfeld:

        Hätten wir nicht alle Hände voll zu tun, erstmal in unserem Umfeld für Akzeptanz, liebenvollen Umgang, und Respekt zu sorgen?



        Das ist m. E. eine Lebensaufgabe.



        Es "muss" sich kein Mensch gedanken über "Urlaub, andere Menschen, andere Länder, Langeweile, Bildunghorizont..." machen.



        Schade, dass Ihnen ohne den Kitzel des Fremden und weit Entfernten langweilig ist.



        Das Große ist im Kleinen und das Kleine im Großen.



        Luxusproblem technische Mobilität zum (m. E. scheinbaren) Vergnügen.