Tödlicher Unfall nach illegalem Rennen: Berliner Raser-Urteil wackelt
Wegen eines tödlichen Unfalls wurden zwei Männer 2017 und dann nochmal 2019 verurteilt. Auch das zweite Urteil wird der BGH nun wohl aufheben.
Im Februar 2016 hielten zwei junge Männer – Hamdi H. (damals 27) und Marvin N. (24) – nachts um halb eins zufällig an einer Ku’damm-Ampel nebeneinander. Spontan verabredeten sie ein Rennen bis zum Kaufhaus KaDeWe. Auf der 3,5 Kilometer langen Strecke passierten sie mit ihren PS-starken Autos elf Ampeln, manche zeigten Rot, wurden aber ignoriert.
An der letzten Kreuzung lag N. vorn, deshalb beschleunigte H. auf über 160 Stundenkilometer. Dabei erfasste er jedoch einen Rentner, der gerade mit seinem Jeep bei Grün aus einer Seitenstraße auf die Kreuzung fuhr. Der Jeep wurde durch die Luft geschleudert, der Mann starb noch am Unfallort. Das Landgericht Berlin verurteilte die beiden Raser im Februar 2017 wegen Mord. Sie hätten mit bedingtem Vorsatz den Tod von Passanten in Kauf genommen.
Der Bundesgerichtshof hob das Mordurteil jedoch im März 2018 auf. So habe das Landgericht ausgeblendet, dass sich die beiden Raser bei ihrer halsbrecherischen Fahrt auch selbst gefährdeten und eventuell schon deshalb auf einen guten Ausgang vertrauten. Zudem sei der vom Landgericht festgestellte Tötungsvorsatz rechtlich irrelevant, weil er erst für einen Zeitpunkt festgestellt wurde, an dem die beiden Raser den Unfall eh nicht mehr hätten verhindern können.
Gleicher Fehler wie beim letzten Mal
Im März 2019 verurteilte das Landgericht Berlin Marvin N. und Hamdi H. erneut wegen Mord zu jeweils lebenslanger Freiheitsstrafe. Sie hätten sich wegen der Airbags in ihren Fahrzeugen fast unverwundbar gefühlt und deshalb wenig Angst vor einem Unfall gehabt.
In Karlsruhe zeigte sich jetzt, dass das Landgericht im Fall von Marvin N. erneut denselben Fehler gemacht hat. Weil N. kurz vor dem Ziel noch einmal den Fuß vom Gas nahm, lag der vom Gericht angenommene tödliche Tatentschluss wohl so spät, dass N. gar nicht mehr hätte bremsen können. Sein Verteidiger Enrico Boß beantragte daher eine dritte Verhandlung des Falles am Landgericht Berlin. Die Bundesanwaltschaft schloss sich dem an.
Stefan Conen, Anwalt von Hamdi H., monierte vor allem, dass das Landgericht H.s Angst vor einem Unfall nicht ausreichend geprüft habe. Auch die Vorsitzende Richterin zeigte sich skeptisch. Wie der BGH in diesem Fall entscheidet, wird mit großer Spannung erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“