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Tödlicher Unfall nach illegalem RennenBerliner Raser-Urteil wackelt

Wegen eines tödlichen Unfalls wurden zwei Männer 2017 und dann nochmal 2019 verurteilt. Auch das zweite Urteil wird der BGH nun wohl aufheben.

Fahrzeug eines der beiden Täter, die bei einem Rennen am Kudam in Berlin einen unbeteiligten töteten Foto: ABIX

Berlin taz | Auch das zweite Berliner Ku’damm-Raser-Urteil wird vom Bundesgerichtshof (BGH) wohl zumindest teilweise aufgehoben. Das zeichnete sich am Donnerstag bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe ab. Das BGH-Urteil wird am 18. Juni verkündet.

Im Februar 2016 hielten zwei junge Männer – Hamdi H. (damals 27) und Marvin N. (24) – nachts um halb eins zufällig an einer Ku’damm-Ampel nebeneinander. Spontan verabredeten sie ein Rennen bis zum Kaufhaus KaDeWe. Auf der 3,5 Kilometer langen Strecke passierten sie mit ihren PS-starken Autos elf Ampeln, manche zeigten Rot, wurden aber ignoriert.

An der letzten Kreuzung lag N. vorn, deshalb beschleunigte H. auf über 160 Stundenkilometer. Dabei erfasste er jedoch einen Rentner, der gerade mit seinem Jeep bei Grün aus einer Seitenstraße auf die Kreuzung fuhr. Der Jeep wurde durch die Luft geschleudert, der Mann starb noch am Unfallort. Das Landgericht Berlin verurteilte die beiden Raser im Februar 2017 wegen Mord. Sie hätten mit bedingtem Vorsatz den Tod von Passanten in Kauf genommen.

Der Bundesgerichtshof hob das Mordurteil jedoch im März 2018 auf. So habe das Landgericht ausgeblendet, dass sich die beiden Raser bei ihrer halsbrecherischen Fahrt auch selbst gefährdeten und eventuell schon deshalb auf einen guten Ausgang vertrauten. Zudem sei der vom Landgericht festgestellte Tötungsvorsatz rechtlich irrelevant, weil er erst für einen Zeitpunkt festgestellt wurde, an dem die beiden Raser den Unfall eh nicht mehr hätten verhindern können.

Gleicher Fehler wie beim letzten Mal

Im März 2019 verurteilte das Landgericht Berlin Marvin N. und Hamdi H. erneut wegen Mord zu jeweils lebenslanger Freiheitsstrafe. Sie hätten sich wegen der Airbags in ihren Fahrzeugen fast unverwundbar gefühlt und deshalb wenig Angst vor einem Unfall gehabt.

In Karlsruhe zeigte sich jetzt, dass das Landgericht im Fall von Marvin N. erneut denselben Fehler gemacht hat. Weil N. kurz vor dem Ziel noch einmal den Fuß vom Gas nahm, lag der vom Gericht angenommene tödliche Tatentschluss wohl so spät, dass N. gar nicht mehr hätte bremsen können. Sein Verteidiger Enrico Boß beantragte daher eine dritte Verhandlung des Falles am Landgericht Berlin. Die Bundesanwaltschaft schloss sich dem an.

Stefan Conen, Anwalt von Hamdi H., monierte vor allem, dass das Landgericht H.s Angst vor einem Unfall nicht ausreichend geprüft habe. Auch die Vorsitzende Richterin zeigte sich skeptisch. Wie der BGH in diesem Fall entscheidet, wird mit großer Spannung erwartet.

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7 Kommentare

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  • Diese Korrektur war so absehbar wie richtig.



    Wenn man sich darauf einlässt Straftatbestände abhängig vom Grad der öffentlichen Empörung über die Tat umzudefinieren, ist man von Schauprozessen nicht mehr weit entfernt.

  • So sehr ich den Wunsch nach angemessener Bestrafung auch verstehe halte ich es für Brandgefährlich wenn sich Gerichte vom Druck der Politik beeinflussen lassen.



    Gut, Richter sind auch nur Menschen und von daher unterliegen Sie natürlich auch diesen Einflußfaktoren, aber spätenstens wenn eines der höchsten deutschen Gerichte feststellt, dass das Urteil falsch ist, sollte bei den Richtern wieder die Objektivität der Oberhand gewinnen.



    Für den Mordvorwurf müsste das Gericht Vorbereitungshandlungen und Heimtücke, die beide ausdrücklich den Tod von Menschen zum Ziel haben, beweisen.



    Wäre der gleiche Unfall auf der Autobahn geschehen, wären die Verursacher straffrei davongekommen. Und diese Unfälle auf Autobahnen geschehen Tag für Tag - und jeder Schnellfahrer ist sich dieser Gefahr voll bewusst und nimmt diese Gefahr billigend in Kauf.

    • @Bolzkopf:

      Grundsätzlich d'accord. Der Vergleich zur Autobahn hinkt aber daran, dass es dort weder rote Ampeln noch Querverkehr und oftmals auch kein Tempolimit gibt.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Wer mit 160 km durch die Innenstadt fährt, nimmt den Schaden Anderer billigend in Kauf. Er weiß, dass er nicht bremsen oder ausweichen kann, erst recht wenn er bei Rot über eine Ampel rast. Zack, Vorsatz ist da.

    Lebenslange Freiheitsstrafe ist auch bei Totschlag möglich. Nennt es eben Totschlag wenn die Argumentation dem BGH sauer aufstößt. Ob das Strafmaß abschreckend wirken soll oder wirklich gerechtfertigt ist, ist Sache des Gerichtes bzw. der Nachfolgenden Instanzen. Ich würde von einer Reduzierung auf 15 Jahre ausgehen.

  • Mal angenommen ein starker Mann beginnt in einem Baumarkt einen Vorschlaghammer immer im Kreis um sich herum zu schwingen. Als er die Ecke passiert befördert er erst einen Kinder wagen ins Nirvana und dann einen Rentner auf dem Weg zum Schrauben Regal. ..das wäre ein Amoklauf. Oder Terrorismus. Im einen Fall gäbe es lebenslangen Aufenthalt in der Psychiatrie im anderen einfach lebenslänglich.

    • @Götz-Michael Freimann:

      Auch dort sollte es aber einen Unterschied machen ob das Ziel der Handlung sportliche Ertüchtigung oder der Tod von Kindern und Rentnern war. Verzichtet man auf diese Unterscheidung müsste man auch den Hammerwerfer auf dem Sportplatz wegen versuchten Mordes anklagen weil auch dieser ja nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass während des Wurfes niemand in den Zielbereich läuft. Die Pflicht zur richtigen Einschätzung eines solchen Risikos wird aber an der Frage der Fahrlässigkeit festgemacht (und da macht die Frage ob man sich beim Hammerschwingen auf dem Sportplatz oder im Baumarkt befindet eben einen Unterschied), aber nicht am Vorsatz.

  • Wenn ich mit 160km/h durch die Innenstadt einer Metropole fahre, vertraue ich also auf einen guten Ausgang?

    Im Land des KdF-Wagens kann das Opfer wahrscheinlich noch froh sein, nicht posthum für den Unfall verantwortlich gemacht zu werden.