Tödliche Schüsse auf Zeugen Jehovas: „Wir sind tief schockiert“

Nach den tödlichen Schüssen auf Zeugen Jehovas in Hamburg äußert sich die Gemeinde bestürzt. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar.

Ermittler mit Schutzanzügen vor dem Gemeindesaal der Zeugen Jehovas in Hamburg nach der Tat

Ermittler vor dem Gemeindesaal der Zeugen Jehovas in Hamburg nach der Tat

HAMBURG/BERLIN taz/dpa | Nach den tödlichen Schüssen in einem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Groß Borstel herrscht Bestürzung in der Glaubensgemeinschaft. „Wir sind tief schockiert und betroffen von der Amoktat auf unsere Glaubensangehörigen“, sagte Martin Epp, Sprecher der Zeugen Jehovas Deutschland, der taz. „Unser Mitgefühl und tiefste Anteilnahme gelten den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen.“ Seelsorger der Gemeinschaft täten „ihr Bestes, ihnen in dieser schweren Stunde Beistand zu leisten“, so Epp. „Wir beten für alle Betroffenen.“

Laut Epp sei die Tat nach einem Gottesdienst in dem Gemeindehaus geschehen und habe mindestens sechs Menschen das Leben gekostet und weitere schwer verletzt. „Wir sind dankbar für die schnelle Hilfe durch Polizei und Rettungsdienste, mit denen wir uneingeschränkt zusammenarbeiten“, erklärte der Sprecher.

Die Hamburger Polizei hatte zuvor berichtet, dass Beamte am Donnerstagabend gegen 21.15 Uhr zum Königsreichssaal im Stadtteil Groß Borstel gerufen worden. Eine Spezialeinheit sei zufällig in der Nähe gewesen – das Polizeipräsidium liegt nicht weit entfernt. Die Einsatzkräfte hätten in dem Gebäude mehrere Tote und Verletzte aufgefunden und in einem oberen Stockwerk noch einen Schuss gehört. Man habe im Gebäude auch eine leblose Person gefunden, von der man davon ausgehe, dass es sich um den Täter handeln könnte, erklärte die Polizei später. Von weiteren Schützen gehe man vorerst nicht aus.

In einem Augenzeugenvideo ist zu sehen, wie eine Person von außen durch eine Scheibe des Gemeindehauses schießt und dann dort einsteigt. Das Haus befindet sich in einem unscheinbaren Gebäude an einer Ausfallstraße im Norden der Stadt.

Tatmotiv bleibt zunächst unklar

Nach Angaben der Polizei wurden acht Menschen getötet. Darunter sei „offenbar auch der mutmaßliche Täter“, teilte die Polizei Hamburg am Freitagmorgen auf ihrer Internetseite mit. Die Polizei hatte am Donnerstagabend den Tatort weiträumig abgesperrt und war mit einem Großaufgebot im Einsatz, auch mit einem Hubschrauber. Verschickt wurde eine amtliche Warnung, sich dem Gefahrenbereich nicht zu nähern.

Informationen zum mutmaßlichen Täter haben Polizei und Innenbehörde zunächst nicht bekannt gegeben. Laut Spiegel soll es sich um ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas handeln. Eine Anwohnerin sprach von einem dunkel gekleideten Mann, der hektisch durch das Treppenhaus des Gebäudes lief. Zum Alter konnte sie nichts sagen. Die Polizei richtete ein Hinweisportal ein und kündigte für Freitagmittag eine Pressekonferenz an.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher zeigte sich entsetzt über die Tat. Die Meldungen über die Schüsse seien „erschütternd“, erklärte der SPD-Politiker. „Den Angehörigen der Opfer gilt mein tiefes Mitgefühl.“ Innensenator Andy Grote (SPD) sprach ebenso von einer „entsetzlichen Tat“. „Mein Beileid und meine aufrichtige Anteilnahme gelten allen Angehörigen der Opfer.“ Grote dankte den Polizei- und Feuerwehrkräften, die „sehr schnell vor Ort waren und die diese extrem herausfordernde Lage hochprofessionell und umsichtig bewältigt“ hätten.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von „schlimmen Nachrichten aus Hamburg“ und einer „brutalen Gewalttat“. Seine Gedanken seien bei den Opfern, ihren Angehörigen und den Sicherheitskräften, die „einen schweren Einsatz hinter sich haben“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte ebenso, ihre Gedanken seien bei den Opfern, Angehörigen und Gemeindemitgliedern. Sie sei „erschüttert über die furchtbare Gewalttat“ und danke der Polizei und den Rettungskräften.

170.000 Gläubige in Deutschland

Den Zeugen Jehovas gehören nach eigener Auskunft in Deutschland rund 170.000 Gläubige an. Sie verstehen sich als christliche Glaubensgemeinschaft, die vor allem durch ihre Missionstätigkeit bekannt ist. Feier- und Geburtstage werden von Angehörigen nicht begangen, Bluttransfusionen abgelehnt. Die Gemeinschaft begleiten von jeher Sektenvorwürfe. In Deutschland erfolgte erst 2017 die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

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