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Todesurteile in JapanErschreckende Grausamkeit

Martin Fritz
Kommentar von Martin Fritz

Für die oft Jahre auf ihre Hinrichtung wartenden Häftlinge kommt die Vollstreckung ohne jede Vorwarnung. Auch die Haftbedingungen sind unmenschlich.

Yoshihisa Furukawanim im Oktober 2021 Foto: Eugene Hoshiko/ap

J apans Justizminister Yoshihisa Furukawa sollte sich schämen. Noch bevor er durch irgendeine andere Initiative aufgefallen wäre, verbindet der erst seit drei Monaten amtierende Minister und Absolvent der Eliteuniversität Tokio seinen Namen ohne Not mit der Hinrichtung von drei Menschen. Brav trug er vor, was seine Beamten ihm zuvor aufgeschrieben hatten: Die Todesstrafe sei gerechtfertigt, die Bestrafung angemessen, die Täter seien extrem grausam gewesen.

Letztere Aussage trifft jedoch genauso auf den japanischen Staat zu. Er mordet konsequent mit widerwärtiger Grausamkeit. Zuerst interniert er die zum Tode Verurteilten teils für Jahrzehnte in winzigen, dauerbeleuchteten Einzelzellen und verwehrt ihnen fast jeden Kontakt zu anderen Menschen außer den Wärtern. Die ganze Zeit über leben die Insassen der Todestrakte unter dem Damoklesschwert, dass schon am nächsten Morgen ihre letzten Stunden schlagen werden und sie ihre Henkersmahlzeit bestellen müssen.

Am schlimmsten ist es, wenn das Parlament nicht tagt und sich das Jahr dem Ende nähert. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Exekution zynischerweise am höchsten. Viele Befürworter der staatlichen Hinrichtungen argumentieren mit der abschreckenden Wirkung der Todesstrafe. Doch Japan verheimlicht die Orte und die Termine, damit erst gar keine öffentlichen Zweifel daran aufkommen. Kein Außenstehender durfte jemals eine Exekution beobachten.

Ein einziges Mal konnten Parlamentsabgeordnete eine Todeskammer in Augenschein nehmen. Bei einer Exekution drücken mehrere Wärter gleichzeitig einen Knopf, der eine Bodenklappe öffnet. Dann fällt der Verurteilte an seinem Strick in die Tiefe, dadurch bricht sein Genick. Doch nur einer der Knöpfe funktioniert, damit sich keiner der Wärter schuldig fühlen muss.

Wüssten die Japaner von all diesen Umständen, dann würde die Zustimmung zur Todesstrafe sofort dramatisch schrumpfen. Aber wie jeder gemeine Mörder will eben auch die japanische Regierung verbergen, dass sie ein Verbrechen begangen hat.

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Martin Fritz
Auslandskorrespondent Japan/Südkorea
Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.
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5 Kommentare

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  • Was für eine bedenkeswerte Auge-um-Auge-Haltung zeigt sich denn da?



    Es geht nicht um die Beweggründe der Täter. Fakt Mord ist Mord. Und dannach geht es um die Menschenwürde. Und die zeigt die Haltung der "Richter" und/oder von uns. Und MEINE Menschenwürde hat mit dem Täter / der Tat nix - aber auch garnix zu tun.



    Oder - von mir aus abgeleitet aus Kant's "kategorischem Imperativ".



    Und Folter, Rache kann dem nicht entsprechen. So einfach.

  • Ich gehe davon aus, dass irgendein japanisches Medium aus dem Artikel zitieren wird und dass dann bei Interesse die Rund macht.



    Da ich jedoch davon ausgehe, dass Kriminelle in Japan sowieso sehr verpönt und geächtet sind, wird sich das Interesse an solchem Wissen in Grenzen halten.

  • Ich vermisse in diesem Kommentar Informationen über die Verbrechen, derer sich die Täter schuldig gemacht und die dann zur Todesstrafe geführt haben. Mir ist der Kommentar von Martin Fritz zu einseitig. Man kann die Todesstrafe als solche ja kritisieren, aber nur auf das Unmenschliche hinzuweisen, das der Täter nun erleiden muss, ohne auf das Unmenschliche und Grausame hinzuweisen, das der Täter seinem Opfer zugefügt hat, darüber wird wie sehr oft kein Wort verloren. Wenn ich Mitgefühl für die Täter aufbringe, dann bitte schön auch das Grausame beim Namen nennen, dass der zum Tode verurteilte Täter seinem Opfer zugefügt hat. Ich vermisse sehr oft in der Berichterstattung Mitgefühl für die Opfer von Verbrechen und deren Hinterbliebenen.

    • @Elena Levi:

      Die Art der Haft etc. ist in jedem Fall inakzeptabel. Darum geht es. So ist man nicht mal mit den Verurteilten Naziverbrechern in Nürnberg umgegangen.

    • @Elena Levi:

      Mich hätte hier zu dem auch noch interessiert, was die Japanische Zivilgesellschaft dazu meint.