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Todesopfer bei Protesten in UkraineJeder gibt dem anderen die Schuld

In Kiew sind zwei Menschen erschossen worden. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Die Opposition hat zu einer neuen Massenkundgebung aufgerufen.

Auge in Auge. Bild: ap

BERLIN taz | Der wochenlange Machtkampf zwischen der Regierung und der Opposition in der Ukraine hat die ersten Menschenleben gefordert. Bei erneuten gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei starben am Mittwochmorgen zwei Menschen. Das bestätigte die ukrainische Staatsanwaltschaft. Die beiden Opfer, ein Armenier und ein Weißrusse, wiesen Schussverletzungen auf.

Am Morgen waren Beamte gegen Barrikaden von Regierungsgegnern vorgerückt und hatten mehrere Protestierende festgenommen. Den Demonstranten gelang es zunächst, die Polizei zurückzudrängen. Einige Stunden später griffen Bereitschaftspolizisten die Demonstranten an und vertrieben sie in Richtung Unabhängigkeitsplatz.

Eine Sondereinheit der Polizei stürmte am Mittwochmittag die Barrikaden radikaler Regierungsgegner vor dem Dynamo-Stadion im Stadtzentrum. Dabei setzten die Milizionäre Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein. Dutzende Oppositionelle wurden festgenommen. Die Regierung erlaubte den Sicherheitskräften ausdrücklich auch den Einsatz von Wasserwerfern, obwohl dies bei starkem Frost sonst verboten ist.

Zeitgleich stürmten Sicherheitskräfte die Gruschewski-Straße, die seit mehreren Tagen Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen ist, und ließ einen Panzerwagen auffahren. Auf Fotos sind prügelnde Polizisten und Demonstranten, die Molotowcocktails werfen, zu sehen.

„Der Mörder Sachartschenko“

In Teilen des Kiewer Zentrums, über dem dunkle Rauchschwaden waberten, bot sich ein Bild der Verwüstung. Ministerpräsident Mykola Asarow bestritt, dass die Polizei vor Ort scharfe Munition gehabt habe, und machte die Demonstranten auf dem Maidan für die eskalierende Gewalt verantwortlich. „Ich stelle fest, dass es sich um Kriminelle handelt, die sich für ihre Taten werden verantworten müssen.“

Demgegenüber gaben die Oppositionsparteien Udar, Vaterland und Swoboda Staatspräsident Wiktor Janukowitsch und dessen Innenminister Witali Sachartschenko die Schuld. „Der Mörder Sachartschenko trägt die persönliche Verantwortung für diesen Akt des Terrors der Diktatur gegen Bürger“, hieß es in einer Erklärung.

Präsident Janukowitsch rief die Ukrainer auf, nicht den „Radikalen“ zu folgen. Die Todesfälle bedauere er „zutiefst“. Er sei „gegen den Einsatz von Gewalt“. Nachdem am Dienstag direkte Gespräche zwischen Vertretern der Regierung und der Opposition gescheitert waren, traf Janukowitsch am Mittwochnachmittag die Oppositionsführer Arseni Jazenjuk, Vitali Klitschko und Oleg Tiagnibok.

Für den Abend rief die Opposition zu einer weiteren Massenkundgebung auf dem Unabhängigkeitsplatz auf. Diese ist seit den Gesetzesverschärfungen, die am Mittwoch in Kraft traten, verboten.

Das ukrainische Internetportal Ukrainska Prawda berichtete, Angestellte des staatlichen Radios, das sich unweit des Maidan befindet, seien angewiesen worden, das Gebäude zu verlassen, da der Unabhängigkeitsplatz geräumt werden sollte. Das sei aber kein Grund für Panik, so posteten Angestellte des Senders auf Facebook. „Unsere Panik, das ist ihr Trumpf!“

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17 Kommentare

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  • so geht es zu im kampf um die macht. hier sind die leute dermassen "zu tode amüsiert"...

  • K
    Kullikulli

    Jeder gibt dem anderen Schuld? Aber nur die Regierung IST schuld.

  • Das hat nichts mit demokratischem Protest zu tun

    -

    In der Ukraine geht es nicht um Bürgerrechte, Pressefreiheit und Wahlfälschung, sondern um den Konflikt zwischen zwei ethnisch/sprachlich unterschiedlicher Volksgruppen.

    Daher demonstrieren dort auch Faschisten und Demokratien einvernehmlich zusammen.

    -

    Unsere Medien u. Politiker gaukeln uns vor, es ginge um die Ablösung einer autoritären Regierung, um die Einmischung des Westen zu rechtfertigen.

    -

    In Wahrheit ist das aber ein brandgefährliches Spiel, da die Regierung sehr wohl über breite Unterstützung in der Bevölkerung verfügt.

    Im Moment verhält sich aber der pro russische Teil ruhig.

    -

    Die USA sprechen bereits offene Drohungen gegen die Ukraine aus.

    -

    Dort gibt es anscheinend keine Hemmungen einen Bürgerkrieg anzufachen.

    Klitschko hat den demokratisch gewählten Präsident Janukowitsch vor dem Schicksal Gaddafis und Ceaușescus gewahrnt.

    -

    Das könnte man auch als versteckte Morddrohung interpretieren.

    • G
      Guppi
      @GWalter:

      Klitschko ist der Vorposten der USA und der BRD, wo die Naumann-Stiftung und die Adenauer-Stiftung die Unruhen vorbereitet haben und die Olympiade nutzen, um einen Krieg in der Ukraine anzuzetteln.

      Niederträchtiger und verlogener geht es kaum.

      Und, ja so ist es offentlich: Bei der taz gibt es keine Ahnung von der Geschichte der Ukraine.

    • B
      Balduin
      @GWalter:

      Auch Hitler verfügte einst über eine mehrheitliche Unterstützung. Das allein sagt also gar nichts aus. Sie gehören offenbar zu denen, die das Recht immer dort sehen, wo die Uniformen sind - und damit gehören Sie zu der Sorte Mitläufer, auf welcher jede Diktatur des 20. Jahrhunderts aufgebaut hat - auch die schlimmste von allen: Der deutsche Hitler-Faschismus, jene nur in Deutschland mögliche Monstrosität des Rassenwahns.

  • HU
    him urercit

    Das schent ja wirklich lesbar zu sein.

    Ja, schade, das die taz auch inzwischen so Mainstream ist, das nicht mehr selber zu hinterfragen.

    Und ich habe auch selber auch geschlafen: ein Schutzschild mit 1488 war auch gestern kurz in der Tageschau zu sehen (oder war es vorgestern?), ich habe es aber nicht so realisiert. Damn, mehr Aufmerksamkeint. ;)

  • RR
    Rudi Rastlos

    @GWALTER

    oder auch Georgien Saakaschwili

  • A
    Atze

    am 25.1 um 17:30 auf dem adenauerplatz (berlin), kannste demonstrieren kommen!

  • Man kennt das ja schon. Wenn Regierungen nicht die Interessen des Westens vertreten wird Unruhe gestiftet die dann in Bürgerkrieg oder militärischem Einsatz endet.

    -

    Danach werden Präsidenten installiert die "zufällig in den USA gelebt haben" wie eben zuvor in der Ukraine, in Afghanistan , Irak, Chile etc.

    -

    Wer sich Fakten dafür interessiert sollte das Buch Economic- Hitman lesen.

    Geschrieben von John Perkins, ehemaligem Hit- Man der sich irgendwann für das was er tat schämte und heute im Amazonas den Indios gegen die Vergiftung und Zerstörung des Amazonas einsetzt.

    -

    Ein Buch, das zur Pflichtlektüre für Journalisten und Politikern erklärt werden sollte.

    Warum können denn die sogenannten Oppositionellen nicht auf neue Wahlen warten wie es in Demokratien üblich ist?

    -

    Was hat das mit Freiheit zu tun wenn man nicht akzeptiert, daß ein Land sich politisch anders ausrichtet?

    -

    Aber man sieht es in Syrien und jetzt in der Ukraine.

    -

    Wer protestiert denn gegen Guantanamo, gegen nach deutschem Recht Mord mit Drohnen, gegen die Todesstrafe in den USA, gegen die über 40 völkerrechtswidrigen und mörderischen Kriege der USA etc.?

  • R
    reblek

    "Einer von ihnen soll erschossen worden sein, sagt die Opposition." - So, so, die Opposition hat gesagt: "Einer soll erschossen worden sein."

  • A
    atze
    • @atze:

      Der Link ist hier wohl von Nöten.

      Eine Meinung läßt sich dennoch schlecht bilden wenn man die Gegebenheiten vor Ort nicht selber miterlebt.

      Aber eines kann man jetzt schon klar sagen; Einige Äußerungen von hiesigen Politikern bezüglich des Verhaltens der Demonstranten sind wirklich eine Farce.

    • @atze:

      Noch befindet sich keiner hierzulande in der Perspektive, die eine rationale Sicht auf Ukraine zulässt. "Viele Berichte bestätigen, dass...."- Einer übernimmt vom anderen. Überall fehlen Zahlen, die das Gemenge und die wirklichen Interessen darstellen, wie auch in Ihrem Link. Dass sich krude Führer an die Spitze einer Volksbewegung setzen, sofern sie eine ist, ist nichts neues, siehe Alkaida in Syrien.

      Gibt es in der Ukraine überhaupt rein demokratische Bestrebungen und wenn, werden diese vll. von beiden Seiten instrumentalisiert ?

       

      Ich enthalte mich derzeit der Parteinahme, denn die Quellen sind offenbar alle nicht sauber.

      Das erste Opfer eines (Bürger)-Krieges ist die Wahrheit.

    • PH
      Peter Haller
      @atze:

      Guter Artikel, Atze !

      Schon merkwürdig, dass man von der taz gar so wenig in dieser Sicht der Dinge informiert wird.

      Von anderen deutschen Medien mal ganz zu schweigen.

      Ob's am Boxer liegt ??

    • @atze:

      Danke für den Link - sehr guter Beitrag - hätte ich von der taz erwartet.

      • G
        Gata
        @Velofisch:

        Der hochgelobte Artikel ist polemisch und zeugt von geringer Kenntnis der ukrainischen Geschichte.