Tod von trans Schü­le­r*in in Oklahoma: Rest in Power, Nex

Mitschülerinnen attackieren Nex Benedict auf der Schultoilette. Einen Tag später ist Nex mit 16 Jahren gestorben. Ein Brief zum Abschied:

Ein Mädchen hält zum Gedenken eine Kerze in der Hand

Mahnwache für Nex Benedict in Toledo, Ohio, am 26. Februar Foto: Christy Frank/ZUMA Wire/imago

Dear Nex,

deine Freun­d:in­nen haben am Wochenende bei einer Mahnwache in deiner Heimatstadt Owasso dein Leben geehrt. Sie haben erzählt, wie gern sie mit dir in der Schule im Kunstunterricht saßen. Dass ihr euch dort immer viel zu laut kaputtgelacht habt.

Sie haben berichtet, wie gut du zeichnen konntest – „in einer halben Stunde: zack, ein Meisterwerk“. Du „rocktest“ gern zu Musik, sagten sie, und wie gern einige von ihnen dein Date waren. Du hast dann für sie gekocht. Deine Katze hast du „Zeus“ genannt. Deine Freun­d:in­nen nannten dich liebevoll „Roach“ oder „Roachie“.

Habt ihr Witze über Kakerlaken gemacht, die alle noch so harten Bedingungen und am Ende wahrscheinlich die Menschheit überleben werden? Ich weiß es nicht, aber ich finde deinen Spitznamen großartig.

Deiner Großmutter, die das Sorgerecht für dich übernommen hat, als du klein warst, hast du dich anvertraut, als du in der Schule Bullying erfahren hast. Sie hat nach deinem Tod gesagt, wie viel sie von dir über Gender gelernt hat. Und dass es seit mindestens einem Jahr in der Schule so ging.

Sie hat dich ins Krankenhaus gebracht, nachdem du in der Mädchentoilette angegriffen wurdest. Und am nächsten Tag den Notarzt gerufen, als sie merkte, dass immer noch etwas nicht stimmt. Ich denke auch an sie.

Kalte Hände, stundenlang

Als ich von deinem Tod las, hatte ich stundenlang kalte Hände. Auf dem Bild, das ich als erstes von dir gesehen habe, trägst du eine schwarze Weste über einem weißen Hemd. Du hast die Hände in die Hosentasche gesteckt und lächelst mit zurückhaltendem Swag. Es sieht aus, als hättest du womöglich ein Grübchen auf der linken Wange.

Es lief mir kalt den Rücken runter, weil ich aus dem Augenwinkel kurz dachte, ein Foto von mir zu sehen. Die Haltung, die Kleidung stachen mir ins Herz. Auch ich verstand mich lange als Junge und genderqueer zugleich – eine ganz einfache Art des Seins, mit der Jour­na­lis­t:In­nen sich nun so schwer tun, wenn sie über dich schreiben.

Bei mir waren es auch vor allem Mädchen, die mich wegen meiner Genderqueerness geärgert und manchmal auch verfolgt haben. Einmal auf einem Kinderfest in einem Park war es so schlimm, dass ich mir vor Angst in die Hose gemacht habe. Es hat lange gedauert, bis ich es meinen Eltern erzählt habe.

Dass es keine genderneutrale Toilette an eurer Schule gibt, ist gewollt. Trotzdem überrascht es mich nicht, dass ein:e Leh­re­r:in sich erinnert, wie lebensfroh du warst und wie sehr du dich eingesetzt hast, wenn jemand diskriminiert wurde.

Deine Familie zählt sich zur Choctaw Nation. Umso berührender war es zu sehen, wie laut und deutlich der Cast von „Reservation Dogs“, der Serie über eine Gruppe indigener Jugendlicher aus der Muscogee Nation in Oklahoma, auf deinen Fall hingewiesen hat.

In meiner Vorstellung hast du die Serie mit deinen Freun­d:in­nen geschaut. Dir hat die Figur von Willie Jack gefallen – wie mir. Sie war so „gender expansive“ wie dein Umfeld dich beschreibt.

Dear Nex, dein Leben konnten wir nicht schützen, aber um deine Seele formen wir als Community einen Kreis. So wie es auch die queeren Ahnen tun, die dich jetzt in Empfang genommen haben. In der Jetztzeit werden wir weiter um jede Toilette, jedes queere Buch in den Schulbibliotheken und jedes Recht auf Selbstbestimmung kämpfen. Das verspreche ich dir.

Rest in Power, Nex.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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