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Tod nach PolizeieinsatzSenat setzt im Fall Mutombo weiter auf Hinhalten

2022 starb ein 64-Jähriger in Berlin an den Folgen eines Polizeieinsatzes. Auf Entschädigung warten die Angehörigen noch heute.

Der Bruder des Verstorbenen, Mutombo Mansamba, bei einer Pressekonferenz im Oktober 2022 Foto: TranslatorCarsten Koall/dpa

Berlin taz | Die Ermittlungen im Fall Medard Mutombo, der 2022 nach einem Polizeieinsatz starb, halten an. Wann ein Abschluss zu erwarten ist, bleibt weiterhin unklar. Das geht aus der Antwort des Senats auf die Anfrage des Abgeordneten Vasili Franco (Grüne) hervor, die der taz exklusiv vorliegt.

Der 64-jährige Mutombo, der seit über 20 Jahren in einem Spandauer Wohnheim für von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen lebte, starb laut Obduktion durch hirnschädigenden Sauerstoffmangel. Ein im August 2024 veröffentlichter Bericht der Ombudsstelle für das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) wirft der Polizei Diskriminierung wegen Behinderung und Sprache sowie mehrere Verletzungen der Dienstpflicht vor. Mutombos Tod hätte also verhindert werden können.

Seit Juni 2024 ermittelt die Staatsanwaltschaft deshalb gegen fünf Polizeibeamte. Konkret wurde der an Schizophrenie Erkrankte in Bauchlage fixiert, was das Erstickungsrisiko massiv erhöhe, ohne dass mildere Mittel geprüft worden seien.

Außerdem sei trotz bekannter Sprachbarriere kei­n:e fran­zö­sisch­spra­chi­ge:r Dol­met­sche­r:in hinzugezogen worden. Obwohl der 64-jährige Kongolese sich in einer akuten psychischen Ausnahmesituation befunden habe, riefen die Beamten stattdessen Verstärkung. Tatsächlich aber hätte der Einsatz laut dem LADG-Ombudsstelle abgebrochen werden müssen.

Die Ombudsstelle hält in dem Bericht eine Entschädigungszahlung in Höhe von 45.000 Euro für angemessen und rechtlich angezeigt. Seither sind bereits neun Monate vergangen, in denen die Senatsverwaltung der Empfehlung nicht nachkommt. „Der Umgang des Senats im Fall des verstorbenen Medard Mutombo ist beschämend“, kritisiert Grünenpolitiker Franco. „Obwohl die LADG-Ombudstelle einen Wiedergutmachungsanspruch erkannt hat, verweigert der Senat die finanzielle Entschädigung der Hinterbliebenen.“

Wie der Senat in Fällen verfährt, in denen die Ombudsstelle Entschädigungen empfiehlt, blieb in der Antwort ebenfalls unklar. Zwar sei ein Menschenleben nicht in Geld aufzuwiegen, eine Entschädigung sei aber dennoch ein „starkes Zeichen einer Fehlerkultur“ und eine Möglichkeit für den Senat, das „Vertrauen von Betroffenen von staatlicher Diskriminierung“ zurückzugewinnen, so Franco.

Verletzungen und Tötungen durch die Polizei

Weiter geht aus der Antwort des Senats hervor, dass im Jahr 2024 eine Person von der Polizei durch Schusswaffengebrauch getötet und zwei durch Schüsse verletzt wurden. Im Jahr zuvor gab es, wie der Abgeordnete Franco feststellt, nur eine Schussverletzung und keinen Todesfall.

Die Nutzung von Tasern ist demnach stark gestiegen, 49 mal setzten Polizeibeamte ihn vergangenes Jahr gegen Personen ein. Im Jahr zuvor nur zweimal. 45 Verletzungen seien dadurch entstanden (Muskelschmerzen und kleine Wunden).

Zusätzlich kam es 2024 zu zwei Polizeieinsätzen mit Todesfolge. In einem Fall, bei dem ein Mann mit einer Luftpistole auf Beamte geschossen habe, schossen Beamte in Nikolassee 19 Mal auf einen Verdächtigen, mindestens zwölf Projektile trafen ihn laut Obduktion. Das Totschlagsverfahren gegen die Beamten wurde eingestellt.

Bei einem weiteren Polizeieinsatz in Spandau stürzte ein Mann von einem Baugerüst, Details zu dem Fall gehen aus der Antwort des Senats kaum hervor. Auch hier wurde das Verfahren eingestellt, da „die erforderliche Kausalität des Verhaltens polizeilicher Einsatzkräfte für den tödlichen Sturz nicht feststellbar“ war. Disziplinarmaßnahmen wurden laut Senat in keinem Fall getroffen, da sich kein „disziplinarrechtlicher Überhang“ ergeben habe.

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