Tod eines Alligators im Moskauer Zoo: Endstation Museum

Alligator Saturn überlebte 1943 einen Bombenangriff in Berlin, er soll Hitler gekannt haben, lebte sich später in Moskau ein. Nun ist er tot.

Ein Alligator liegt auf dem Boden

Dieser Mississippi-Alligator ist vielleicht nicht Saturn, aber so ähnlich hat er ausgesehen Foto: Rigelus/CC BY-SA 3.0/wikipedia

taz | Moskau „Wie viele Kinder hat Saturn in seinem Leben wohl glücklich machen können?“, fragte ein russischer Twitterer kurz nach der Nachricht des Moskauer Zoos, dass Alligator Saturn friedlich entschlafen sei. Herpetologen gehen davon aus, Saturn sei mindestens 84 Jahre alt geworden. Eine Minderheit unter den Veterinären vermutet gar, das gebürtige Mississippi-Reptil könnte noch in den 1920ern die Welt erblickt haben.

Zumindest legt auch das spätere Geburtsjahr 1936 nahe, dass Adolf Hitler und Saturn sich gekannt haben müssen. Oft suchte Hitler den Berliner Zoo damals auf. Die russischen Betreuer streiten indes eine engere Bindung zwischen beiden ab: Saturn sei nie Haustier Hitlers gewesen, meinen sie. Das Gerücht hat wohl etwas mit der Führermanie der Briten zu tun, in dessen Sektor der Alligator aufgegriffen wurde.

Saturn hat einiges von der Welt gesehen. Von seiner amerikanischen Heimat wurde er 1936 dem Berliner Zoo übergeben. 1943, in der Bombennacht am 22. November, wurde das Aquarium zerstört und Saturn irrte durch die Ruinenlandschaft der Reichshauptstadt auf Nahrungssuche. 1946 entdeckte ihn ein britischer Besatzungssoldat und überführte das Tier an eine Sammelstelle in der Sowjetischen Besatzungszone in Leipzig. Von hier trat er im Juli zusammen mit einer Python die Reise nach Moskau an.

Saturn fühlte sich in Russland bald wie zu Hause, auch wenn einige in ihm eine „Trophäe“ oder Beutegut sahen, mit denen die Kriegsverluste aufgewogen werden sollten. Saturn war eine echte Attraktion, es gab nur noch zwei Exemplare aus der Familie der Krokodile in der Hauptstadt. Er lebte sich gut ein und „verrusste“ schnell, schrieb Erfolgsautor Boris Akunin über ihn.

Liaison mit einer 30 Jahre jüngeren Partnerin

Der Alligator hatte sich schnell an landesübliche Nomenklatura-Gepflogenheiten angepasst. Er ließ sich auf eine Liaison mit einer 30 Jahre jüngeren Partnerin ein. Die Beziehung blieb aber kinderlos. „Schipka“ hieß das Weibchen, das auch aus den USA stammte. Nach ihrem Tod litt Saturn unter einem schweren Trauma. Monatelang verweigerte er jede Nahrung. Weder Fisch, Kaninchen noch Ratten konnten ihn locken. Saturn sei nur noch „Haut und Knochen“, meinte ein Besucher damals. Erst nach langer Zeit verliebte er sich wieder in eine Jüngere und überwand die Fressstörung. Ein gutmütiger Charakter wird ihm bescheinigt.

Auch das Leben im Aquarium verlangte Vorsicht. In den 1980er Jahren löste sich ein Betonblock aus der Decke, aber Saturn brachte sich frühzeitig in Sicherheit. Später bemühten sich Ärzte monatelang um den Alligator, nachdem ein Betrunkener versucht hatte, ihn mit einem Feldstein zu wecken. Im Herbst 1993 soll er gar gewimmert haben. Panzer rollten in Moskau ein und brachten die Erde zum Beben. Wurden Erinnerungen an die Schlacht um Berlin wach? Die letzten Jahre hat er viel geschlafen. Die Firma Lacoste mit dem Krokodilslabel übernahm ihn in ein Sponsorenprogramm. Das zweite Leben beginnt nun als Ausstellungsstück im Moskauer Naturkundemuseum.

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