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Tod einer Erntehelferin in BayernBauer ist für Ermittler unschuldig

Die Staatsanwaltschaft erklärt nun überraschend, sie habe den Fall auf einem Gemüsehof in Mamming untersucht. Wie genau sie ermittelt hat, ist unklar.

Wohncontainer von ErntehelferInnen des betreffenden Bauernhofs Foto: Sven Hoppe/dpa

Berlin taz | Die Staatsanwaltschaft Landshut sieht nach einem taz-Bericht über den Tod einer Ernte­helferin auf einem bayerischen Gemüsehof keinen Grund, Ermittlungen einzuleiten. Die Behörde teilte am Mittwoch mit, dass sie den Fall, der sich im Juli 2018 ereignet hatte, bereits damals untersucht habe. „Anhaltspunkte für Fremdverschulden, insbesondere eine verspätete ärztliche Behandlung, haben sich nicht ergeben“, schrieb ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. „Mangels Anfangsverdachts wurde daher kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.“

Zwei Insider des Hofs im niederbayerischen Mamming hatten dem Landwirt in der taz vom Dienstag vorgeworfen, der Ukrainerin zu spät geholfen zu haben. Sie habe mehrmals gemeldet, dass sie Schmerzen in der Brust habe. Beide bekräftigten diese Darstellung nun.

Die taz hatte vergangene Woche die Staatsanwaltschaft gefragt, ob sie wegen des Falls ermittelt habe. „Wegen dieser Person ist kein Ermittlungsverfahren anhängig gewesen“, sagte Pressesprecher Thomas Steinkraus-Koch damals. Warum er die jetzt veröffentlichten Ermittlungen nicht erwähnte, konnte sein Stellvertreter Sebastian Stitzinger am Mittwoch, 26. August, nicht sagen.

Unbeantwortet ließ Stitzinger auch die Frage, auf wessen Angaben sich die Ermittler berufen. Haben sie neben dem Landwirt auch Erntehelfer gefragt, ob die Ukrainerin bereits Stunden vor ihrem Tod über Schmerzen geklagt habe und ob sie dem Vorarbeiter mehrmals Schmerzen gemeldet habe? „Der Inhalt der Akten betreffend sogenannter Todesermittlungsverfahren ist nicht öffentlich“, schrieb der Sprecher der taz. „Nicht zuletzt sind hier auch die Grundsätze des Datenschutzes und das allgemeine Persönlichkeitsrecht etwaiger am Verfahren beteiligter Personen zu beachten und zu wahren.“

Anzeige durch Gewerkschafter wird noch geprüft

In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es lediglich: „Die später Verstorbene hat ausweislich der Feststellungen am Sterbetag um 7.00 Uhr die Arbeit begonnen. Um 7.15 Uhr hat sie über gesundheitliche Probleme geklagt. Sie wurde von einem Vorarbeiter ins Krankenhaus gefahren und verstarb dort um 8.30 Uhr.“

Die Behörde sprach von einer „ungarischen Saisonarbeitskraft“. Den Informanten der taz zufolge gehörte sie der ungarischen Minderheit in der Ukraine an und besaß beide Staatsangehörigkeiten.

Ende Juli infizierten sich 250 der Erntehelfer des Großbetriebs in Mamming mit dem Coronavirus. Das Landratsamt Dingolfing-Landau geht davon aus, dass im Hof gegen Hygieneregeln verstoßen wurde. „Faire Mobilität“, die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer, kritisierte, hier sei weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt und Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten worden. Der Landwirt wies die Vorwürfe zurück. Zu dem Tod der Ernte­helferin und den mutmaßlichen Coronaverstößen äußerte er sich nicht.

Die Berater der Gewerkschaft erstatteten Mitte August Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Diese hat aber noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Es wird weiterhin geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht“, teilte Sprecher Stitzinger am heutigen Mittwoch mit.

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2 Kommentare

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  • Es ist unglaublich. Nichts kann ich kaufen, ohne mich mitschuldig zu machen an diesen Zuständen. Ein unschuldiges Glas Gurken - Herzinfarkt einer Arbeiterin, Tod durch zu späte Hilfe. Ein T-Shirt - Textilfabrik stürzt ein. Fleisch - Zwölfbettzimmer, Pässe einbehalten, Schweinequal. Nicht, dass ich Fleisch essen würde. Und alles wird kreuz und quer durch die Welt gekarrt von Truckern, die auch schlecht behandelt werden. Wo ist die Lösung?

    • @Patricia Winter:

      Ja, langsam schrecklich wie die Maxime der Wirtschaft unser Leben zum Vorteil weniger dirigiert.