Tod einer Erntehelferin in Mamming: Lückenhafte Ermittlungen

2018 starb in Bayern eine Erntehelferin. Wurde ihr zu spät geholfen? Die Staatsanwaltschaft ermittelte kaum und lässt zentrale Fragen unbeantwortet.

Eine Containersiedlung, im Hintergrund ein Kirchturm

Unterkünfte für Erntehelfer:innen im bayerischen Mamming Foto: Armin Weigel/dpa

BERLIN taz | Die Zweifel an den Ermittlungen der Behörden zum Tod einer Erntehelferin 2018 auf einem bayerischen Gemüsehof nehmen zu. Die Staatsanwaltschaft Landshut teilte der taz mit, dass sie nicht wisse, wann ein Vorarbeiter die Osteuropäerin ins Krankenhaus gefahren habe, nachdem sie über gesundheitliche Probleme geklagt hatte. Im Krankenhaus wurde schließlich ihr Tod festgestellt. Dennoch schließt die Behörde aus, dass der Frau zu spät geholfen wurde – und leitete deshalb damals keine Ermittlungen etwa wegen unterlassener Hilfeleistung ein. Auch die Frage, warum der Hof in Mamming ihrer Einschätzung nach nicht einen Krankenwagen hätte rufen müssen, ließ die Staatsanwaltschaft unbeantwortet.

Es sei offensichtlich, dass die Behörden den Ablauf der Ereignisse vor der Ankunft im Krankenhaus nicht kennen, kritisiert der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn. „Aber es spielt bei akuten Herzproblemen wichtige Rolle, dass sofort geholfen + Notarzt verständigt wird! Warum wird nicht ermittelt?“, fragt von Brunn auf Twitter.

Zwei Insider des Hofs in Niederbayern hatten dem Landwirt in der taz vom 25. August vorgeworfen, der ukrainisch-ungarischen Frau zu spät geholfen zu haben. Sie habe mehrmals gemeldet, dass sie Schmerzen in der Brust habe.

Die Staatsanwaltschaft erklärte dennoch, es hätten sich bei einer Überprüfung des Todesfalls 2018 keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden, insbesondere eine verspätete ärztliche Behandlung, ergeben. Die Informanten der taz halten jedoch auch nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft an ihren Vorwürfen fest. Sie sind der Redaktion namentlich bekannt, wollen aber aus Angst vor Repressalien nicht genannt werden.

Laut Staatsanwaltschaft klagte die Erntehelferin an ihrem Todestag um 7.15 Uhr über gesundheitliche Probleme. Sie sei dann von einem Vorarbeiter ins Krankenhaus gefahren worden und dort um 8.30 Uhr verstorben, teilte die Behörde am 26. August mit. Doch auch das weiß die Staatsanwaltschaft in Wirklichkeit nicht so genau. Den Informanten der taz zufolge starb die Frau schon auf der Fahrt.

Staatsanwaltschaft ändert ihre Version

Darauf angesprochen, änderte die Staatsanwaltschaft ihre Version, Pressesprecher Sebastian Stitzinger schrieb der taz über den Tod der Erntehelferin: „In engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Eintreffen auf dem Parkplatz des Krankenhauses kollabierte sie. Nach intensiven ärztlichen Reanimationsmaßnahmen wurde von dem vor Ort tätigen ärztlichen Personal als Todeszeitpunkt 8.30 Uhr festgestellt.“ Vor allem räumt die Behörde nun ein: „Der genaue Zeitpunkt des Fahrtbeginns und die exakte Fahrtdauer sind nicht bekannt, ebenso wenig der konkrete Zeitpunkt der Ankunft in der Klinik.“ Sprecher Stitzinger vermutete lediglich, dass sie „wohl kurz nach 08:00 Uhr“ dort ankamen.

Warum hat der Hof in Mamming nicht einen Krankenwagen gerufen?

Nach den Auskünften der Staatsanwaltschaft wäre es also möglich, dass der Vorarbeiter die Frau erst ins Krankenhaus gefahren hat, als sie schon eine Stunde lang über Schmerzen geklagt hatte. Bei akuten Herzproblemen wäre das eindeutig zu spät und damit möglicherweise strafrechtlich relevant.

Zu fragen ist auch, warum der Hof nicht gleich einen Krankenwagen mit Notarzt rief, statt sie erst mit einem normalen Auto ins Krankenhaus bringen zu lassen. Die Informanten der taz berichten, die Ernthelfer hätten Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen, weil der Landwirt immer damit gedroht habe, dass sie die 1.500 Euro für so einen Einsatz selbst bezahlen müssten.

Betrieb verursacht großen Corona-Ausbruch

Zudem weigert sich die Staatsanwaltschaft mitzuteilen, ob die Ermittler neben dem Vorarbeiter und der Landwirtsfamilie – also potenziell Mitverantwortliche an dem Tod der Frau – auch einfache Erntehelfer vernommen habe. Die Behörde begründete ihre Weigerung damit, dass „die Grundsätze des Datenschutzes und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ zu beachten seien.

Auf die Lücken im bisher bekannten Zeitablauf des Falls angesprochen, meint Sprecher Stitzinger, „dass aus Sicht der Staatsanwaltschaft Landshut die Ermittlungen sachgerecht und umfassend geführt wurden“. Trotz der Nachfragen der taz sehe er keine neuen Ermittlungsansätze. Der Landwirt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Dass der Großbetrieb, der vor allem Gurken produziert, mitunter fahrlässig mit der Gesundheit umgeht, zeigte sich vor allem Ende Juli dieses Jahres. Damals infizierten sich 250 Erntehelfer mit dem Coronavirus. Es ist bislang einer der größten Corona-Ausbrüche in Deutschland. Das Landratsamt Dingolfing-Landau geht davon aus, dass der Betrieb gegen das Hygienekonzept verstoßen hat.

„Faire Mobilität“, die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer, hat dem Betrieb „Ausbeutung“ vorgeworfen, weil weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt und Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten worden seien. Diese Kritik wies der Landwirt zurück.

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