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Konzertempfehlungen für BerlinEin vergeblicher Glanz?

In der letzten Kolumne des Jahres und auf den Bühnen der Stadt geht es festlich zu. Auf die eine oder andere Art.

Ob so ein Glanz vergeblich ist, entscheidet sich immer erst beim Konzert. Hier das Konzerthaus Foto: Felix Löchner/Sichtkreis

J etzt wird mit Weihnachten wirklich Ernst gemacht. Doch bevor aufmerksame Leser dieser Kolumne stöhnen: „Nicht schon wieder Weihnachtsoratorium!“, gibt es Entwarnung. So soll es in den kommenden zwei Wochen zwar festlich zugehen, doch mit nicht vollends erwartbarem Musikbestand.

Da wäre zunächst das Weihnachtskonzert des Chors beziehungsweise der Chöre der St.-Hedwigs-Kathedrale. Zusammen mit der Kammersymphonie Berlin führen sie unter der Leitung von Harald Schmitt am Montag (22. 12.) im Konzerthaus eine Auswahl an saisongerechten Werken aus dem 19. Jahrhundert von Felix Mendelssohn Bartholdy, Josef Rheinberger und Otto Nicolai zusammen mit dem „Magnificat“ des britischen Komponisten John Rutter aus dem Jahr 1990 auf. Das ist mal etwas Untypisches, ohne dass man gleich Angst bekommen muss. Bei Redaktionsschluss gab es noch Tickets (Konzerthaus, 22. 12., 20 Uhr, 10–30 Euro, ermäßigt 7–27 Euro).

Wer an Heiligabend etwas anderweitig Erbauliches benötigt, könnte sich vertrauensvoll an die Bar jeder Vernunft wenden. Dort wartet der Chansonnier Sebastian Krämer mit seinem Programm „Im Glanz der Vergeblichkeit“ auf. Krämer steht in einer Tradition, zu der Georg Kreisler ebenso gehört wie Christian Morgenstern, die aber gefiltert ist durch die Innovationen eines Helge Schneider und die Erfahrungen in Poetry-Slams, auf denen sich Krämer ebenso herumgetrieben hat.

Für Krämer gilt wie für alle, die sich auf Witze verstehen, dass da immer Trauer, Unheil und andere Verlustgeschäfte im Hinter- oder Untergrund lauern. Dass er als Hobbys „in Kannibalen-Kochrezepten stöbern und alte Deutschklausuren orchestrieren“ angibt, passt. Aufs Komponieren versteht er sich übrigens auch. Was die Tickets betrifft, siehe oben (Bar jeder Vernunft, 24. 12., 20 Uhr, 17,90–47,90 Euro, ermäßigt 12,50–18,50 Euro).

Und dann kommt gleich das nächste Jahr. Am Neujahrstag lädt der RIAS Kammerchor unter seinem Chefdirigenten Justin Doyle zum Neujahrskonzert in der Philharmonie mit dem etwas verwirrenden Titel „Eine venezianische Weihnacht“. Hat sich da jemand im Datum geirrt? Nein, denn das Jahr endete in der katholischen Kirche bis ins 17. Jahrhundert hinein noch am 24. Dezember.

Mit Weihnachten begann daher schon das neue Jahr, auch im Markusdom in Venedig. Für diesen schrieben Claudio Monteverdi, Giovanni Gabrieli und Francesco Cavalli damals Chorwerke, mit denen nun der RIAS Kammerchor den Jahresauftakt begrüßt. In die Entstehungszeit dieser Musik fällt auch der Übergang der Renaissance zum Barock. Festliches hatte da immer noch ein bisschen was Strenges. Aber nur ein klein wenig. Ach so, Tickets, tja, schnell sein hilft hoffentlich (Philharmonie, 1. 1., 20 Uhr, 20–70 Euro).

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Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.
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