Tierversuche an der Universität Bremen: Bremer Senat stoppt Affenversuche
Seit mehr als 20 Jahren forscht Andreas Kreiter in Bremen an Makaken. Das Gesundheitsressort hat den Antrag auf eine Fortsetzung jetzt abgelehnt.

Der Antrag „Raumzeitliche Dynamik kognitiver Prozesse des Säugetiergehirns“ ist aus dem August dieses Jahres und der insgesamt achte dieser Art, so die Behörde. Die aktuelle Genehmigung der Versuche läuft Ende November aus.
Andreas Kreiter ist der Leiter des Labors für Kognitive Neuropsychologie an der Uni Bremen. Der Hirnforscher kam 1997 von Frankfurt nach Bremen, seit 1998 forscht er dort mit Makakenaffen. Viele Menschen protestierten sofort gegen die Pläne. Im taz-Interview sagte er damals: „Für die Tiere selbst ist der Versuch keine Belastung, die anstrengender wäre als das Leben in freier Wildbahn.“
Die Versuche von Kreiter an den Tieren standen bereits mehrfach vor Gericht. Schon seit Jahren ist der Senat eigentlich gegen die Experimente, musste diese bislang aber immer wieder genehmigen – in dem Wissen, dass ein Verbot rechtlich schwierig wird. 2014 scheiterte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, als er eine Genehmigung verweigert hatte. Zuletzt genehmigte der Senat vor einem Jahr eine Verlängerung eines Antrags von Kreiter, ursprünglich aus dem Jahr 2018.
Vier Gutachten, ein Sachverständiger
Doch für den neusten Antrag gilt endlich das novellierte Tierschutzgesetz, es wurde nach Vorgaben der Europäischen Union erneuert – wenn auch viel zu spät und erst nach einer Ermahnung der EU. Demnach müssen Genehmigungsbehörden einen Antrag selbst wissenschaftlich prüfen. Genau das hat das Gesundheitsressort getan.
In der Mitteilung zur Entscheidung schreibt das Ressort, dass man 2022 und 2023 „auf der Grundlage eines früheren Genehmigungsverfahrens“ vier Gutachten zur Bewertung der Versuche in Auftrag gegeben habe. Zwei dieser Gutachten befassen sich mit der Einschätzung der Belastungen, denen die Versuchstiere durch die Haltungsbedingungen und die verschiedenen Versuchsmaßnahmen ausgesetzt sind.“
Die anderen beiden hätten geprüft, „ob Alternativmethoden existieren, die die Versuchstiere weniger oder gar nicht belasten würden“. Ein Sachverständiger habe die Gutachten ausgewertet, um die „ethische Vertretbarkeit“ des Vorhabens einzuschätzen.
„Die Leiden der Makaken sind aus Sicht der senatorischen Behörde als schwer im Sinne der Europäischen Tierversuchsrichtlinie zu qualifizieren“, heißt es weiter. Die Affen seien jahrelang den Haltungs- und Versuchsbedingungen sowie den daraus resultierenden Folgen ausgesetzt. „Zu diesen Versuchen gehören neben dem regelmäßigen Wasserentzug und der Fixierung im sogenannten Primatenstuhl auch umfangreiche Kopfoperationen.“
Gesundheitsbehörde Bremen
Eine klinische Verwendbarkeit der angestrebten Ergebnisse sei ungewiss. „Auch im Rahmen der Grundlagenforschung ist zu fordern, dass für die Rechtfertigung eines Tierversuchs ein klinischer Anwendungsnutzen des zu erwartenden Erkenntnisgewinns in zeitlicher Nähe wahrscheinlich ist.“ Das gelte besonders, wenn ein Tierversuch zur Grundlagenforschung bereits über einen längeren Zeitraum in ähnlicher Form durchgeführt werde.
Philipp Bruck, tierpolitischer Sprecher der Grünenfraktion, hält die Senatsentscheidung für richtig. „Affen gehören nicht in Labore. Sie haben in Primatenstühlen nichts zu suchen, man bohrt ihnen nicht die Schädeldecke auf, und man zwingt sie auch nicht durch Flüssigkeitsentzug zu Experimenten.“ Ethisch seien die Versuche nicht zu rechtfertigen. „Jetzt müssen wohl Gerichte klären, ob das auch rechtlich gilt.“
Eine Uni-Sprecherin bestätigte den Eingang der Ablehnung an Kreiter und sagte: „Herr Kreiter teilt die Auffassung des Gesundheitsressorts nicht und wird nach Prüfung des Bescheids einen Eilantrag dagegen einreichen.“
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