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Tierschutz in EuropaAuf den Straßenhund gekommen

In Süd- und Osteuropa sind die Streuner ein Problem, in Deutschland finden sie eine Heimat. Nicht alle Tierschützer sehen das positiv.

Straßenhunde in Athen. Bild: imago/andreas neumeier

BERLIN taz | Als Ilona Bubeck das erste Mal eine Runde mit ihrem neuen Hund Pino dreht, hat sie alle Hände voll zu tun: Nur selten würdigt Pino sie eines Blickes, und es ist nicht daran zu denken, den Hund von der Leine zu lassen. „Das hätte auch schiefgehen können“, sagt sie heute, viereinhalb Jahre später.

Einer Bekannten lief Pino damals in ihrem Urlaub in Spanien über den Weg: ein Podenco, eine windhundähnliche Jagdhundrasse, die in Spanien sehr verbreitet ist. Die Frau nimmt den Straßenhund mit nach Deutschland – und ist bald überfordert. Ilona Bubeck beschließt kurzerhand, den Hund bei sich aufzunehmen. „Das sind sensible Hunde, denen man nur schwer gerecht werden kann“, sagt sie. „Für meine Bekannte war es einfach nicht der richtige Hund.“

Gerade bei Straßenhunden wissen die künftigen Besitzer häufig nicht, was die Tiere schon erlebt haben und wie schwierig die Eingewöhnung wird. Dennoch entscheiden sich viele Menschen in Deutschland dafür, einen Hund aus dem Ausland aufzunehmen. Oft lassen sie sich den Hund über eine Tierschutzorganisation nach Deutschland holen: Allein der Tierschutzverein Europa vermittelt pro Jahr etwa 500 Hunde, die vor allem aus Spanien und Rumänien stammen, in deutsche Familien. Viele Tierschützer bestätigen einen Anstieg derer, die ein Tier aus dem Ausland aufnehmen – genaue Zahlen zu diesem scheinbaren Trend gibt es aber nicht.

In vielen süd- und osteuropäischen Ländern stellen Straßenhunde ein großes Problem dar: Sie vermehren sich schnell, verbreiten Krankheiten und sind oft kaum sozialisiert. In Ländern wie Griechenland, Spanien und Serbien wird deshalb immer wieder von Tötungsstationen berichtet, in denen Straßenhunde rigoros eingeschläfert werden sollen. 2013 wurde in Rumänien die Tötung von Straßenhunden sogar offiziell genehmigt, nachdem ein Kleinkind bei einem Hundeangriff zu Tode gekommen war.

Wenig transparente Vereine

„Das ist doch klar: Wenn ich so einen kleinen Welpen vor seinem sicheren Tod retten kann, dann hole ich mir eher den ins Haus, als dass ich einen alten Rüden aus seinem warmen Tierheim hole“, sagt Daniela Rickert. Als Vorsitzende des Arbeitskreises für Heimtiere bei der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz steht sie dem Hundeimport kritisch gegenüber. „Man darf nicht vergessen, dass dieser Import auch zum Leidwesen der hiesigen Tiere erfolgt“, sagt Rickert.

Im Internet finden sich mittlerweile unzählige Vermittlungsorganisationen mit Namen wie „Traurige Hundeseelen e. V.“. Die meisten Vereine bestehen im Voraus auf der Unterzeichnung eines „Schutzvertrages“, außerdem fallen „Schutzgebühren“ in Höhe von bis zu 350 Euro an. Viel Geld, dessen Verbleib aus Rickerts Sicht selten nachvollziehbar ist: „Mir mangelt es da an Transparenz.“

Die Tierschützerin Corinna Hanker unterstützt ehrenamtlich das spanische Tierheim „Asociacion Protectora de Animales“ bei der Vermittlung von Hunden nach Deutschland. Gerade jene Schutzgebühr hält sie für maßgeblich, um den Tierschutz zu gewährleisten. „Bevor die Hunde ihre Reise antreten, werden sie in der Regel gechipt, kastriert und untersucht – diese Kosten werden durch die Schutzgebühren gedeckt“, sagt sie.

Wird der Hund auf alle Krankheiten getestet?

Für Hanker ist klar, dass nicht alle Vermittlungsorganisationen seriös sind. Wichtig sei, dass man sich genau über den importierenden Verein erkundigt: Wie leicht lassen sich Informationen einholen? Wird der Hund auf alle Krankheiten getestet? Gibt es Fotos? Das alles seien aufschlussreiche Faktoren. Auch Vor- und Nachkontrollen der künftigen Hundehalter seien wichtig.

Es stört sie, wenn den Exportregionen pauschal Tierquälerei unterstellt wird. „In Spanien hat sich der Umgang mit den Tieren in den letzten Jahren stark gewandelt.“ Das sei nicht zuletzt der Aufklärungsarbeit der Tierschutzorganisationen zu verdanken: „Die Tiere werden zunehmend kastriert und in Auffangstationen abgegeben.“ Dennoch bestehe weiterhin Handlungsbedarf.

Ilona Bubeck hat die Aufnahme ihres Podencos nie bereut. Im Gegenteil: Vor einigen Jahren holte sie sich einen zweiten Hund aus Spanien. Vielleicht komme bald noch eine Hündin dazu: „Dann wahrscheinlich eine mit schwarzem Fell – aus irgendeinem Grund will die nämlich niemand haben.“

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2 Kommentare

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  • Solange in den Herkunftsländern weiterhin genügend "Nachschub" an Straßenhunden entsteht, ist das ganze ein Faß ohne Boden. Die Vermittlung einzelner Tiere nach D hat mit sinvollem und nachhaltigem Tierschutz nichts zu tun.

    Deutsche Tierheime platzen aus allen Nähten, aber hauptsache die Podenco-Abnehmer können sich schön moralisch überlegen fühlen, weil sie einen Straßenhund "gerettet" haben.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Dieser Artikel war lange überfällig. Es ist kaum nachvollziehbar, dass sich die "Tierschützer" nicht auf Probleme hierzulande konzentrieren. Massentierhaltung ist nur eines davon. Erklärbar ist es nur durch wirtschaftliches Interesse. Bei 350€ pro Tier ohne klaren Nachweis wofür das Geld ist - da bleiben Zweifel. Und noch etwas: es gibt auch sehr viele Kinder (und nicht nur Kids!) die verzweifelt um ihr Leben kämpfen. Die werden keineswegs so unterstützt, sondern man verweigert (!!) ihnen Hilfe, lässt sie ungerührt in libyschen Lagern oder seeuntüchtigen Booten verrecken.