Tiefseebohrungen im Mittelmeer: BP unter Druck
Kein Umdenken bei BP: Trotz massiver Kritik will der Ölkonzern im Mittelmeer vor Libyen bohren – in noch größerer Tiefe als im Golf von Mexiko.
Die größte Ölkatastrophe in der Geschichte, bei der am Golf von Mexico rund 600 Millionen Tonnen Öl ins Meer flossen, ist noch nicht endgültig gebannt - doch BP hält an seinen Plänen fest, ein Projekt in noch größerer Tiefe zu starten. Im Mittelmeer vor der Küste Libyens will der Konzern 1700 Meter unter dem Meeresspiegel ein neues Öl- und Gasfeld erschließen. Nach Informationen der Mailänder Zeitung Panorama sollen die ersten Bohungen schon in der ersten Augusthälfte beginnen. Gegenüber der taz erklärte der deutsche BP-Sprecher Tobias Wolny lediglich, die Arbeiten würden "in der zweiten Jahreshälfte" beginnen.
In Italien, dessen Küste nur 500 Kilometer vom geplanten Förderort entfernt liegt, ist das Projekt auf scharfe Kritik gestoßen. Umweltministerin Stefania Prestigiacomo forderte ein Moratorium für neue Ölbohrungen im Mittelmeer; bei EU-Energiekommissar Günther Oettinger fand sie dafür Unterstützung.
Formal stehen dem Vorhaben von BP keine rechtlichen Hürden mehr im Weg. Bereits im Jahre 2007 hatte das Unternehmen die Rechte an dem Ölfeld für 900 Millionen Euro von der libyschen Regierung erworben. Im Juli waren Vorwürfe laut geworden, dass sich BP im Gegenzug bei der britischen Regierung aktiv für die Freilassung der libyschen Lockerbie-Attentäter eingesetzt hatte; der Konzern bestreitet das.
25.000 protestieren online
Weil unklar ist, ob das BP-Vorhaben politisch gestoppt werden kann, setzen deutsche Aktivisten jetzt auf die Macht der Verbraucher. Einen Appell des Online-Netzwerks Campact an den deutschen BP-Chef Uwe Franke unterzeichneten innerhalb von nur 40 Stunden mehr als 25.000 Menschen, teilte Sprecher Christoph Bautz mit. Die Pläne des Unternehmens seien "an Dreistigkeit kaum zu überbieten", so Bautz. "Wochenenlang demonstriert der Konzern der Welt, wie wenig er Tiefseebohrungen im Griff hat und gelobt tiefgreifende Konsequenzen - und jetzt macht er im Mittelmeer weiter, als sei nichts geschehen."
BP-Sprecher Wolny sagte dazu, das Unternehmen könne zwar "die Sorge der Menschen nachvollziehen". Allerdings verweist er darauf, dass es derzeit noch nicht um Förderung, sondern nur um Erkundungsbohrungen gehe. Zudem seien die Probleme im Golf von Mexico eine "Ausnahme", deren Ursache noch unklar sei. Für Wolny steht fest: "Die Tiefe selbst ist nicht das Problem."
Neue Boykott-Diskussion
Campact-Sprecher Bautz lässt sich von solchen Aussagen nicht beruhigen. Für den Fall, dass BP nicht einlenkt, diskutiert seine Organisation gerade, ob ein neuer Boykott-Aufruf sinnvoll ist. BP habe mit seiner Tochtergesellschaft Aral in Deutschland einen Marktanteil von 25 Prozent, so Bautz: "Deshalb wird der Ölmulti sehr sensibel darauf reagieren, was die Verbraucher in Deutschland denken."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden