piwik no script img

Tiefbahnhof Stuttgart 21Milliardengrab im Südwesten

Linke und Grüne fordern im Bundestag eine ehrliche Kosten-Nutzen-Analyse. Einige der S21-Verantwortlichen haben bereits kapituliert.

11.10.2008: Menschenkette um den Stuttgarter Hauptbahnhof. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Berliner Großflughafen BER ist noch lange nicht fertig, da droht dem Bund schon das nächste Milliardendesaster bei der Verkehrsinfrastruktur: beim umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Davon sind jedenfalls die beiden Oppositionsfraktionen im Bundestag, Linke und Grüne, überzeugt. Sie wollen das Projekt erneut zum Thema im Bundestag machen.

„Wir fordern mehr Transparenz und eine ehrliche Bewertung von Kosten und Leistungsfähigkeit“ von Stuttgart 21, begründeten die Grünen am Freitag in Berlin einen gemeinsamen Antrag auf eine öffentliche Anhörung des Themas im Bundestag. Der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn müsse sich die Frage stellen, ob er das Projekt weiter verantworten könne.

Die verkehrspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Sabine Leidig, erklärte, es gebe noch immer kein genehmigtes Brandschutzkonzept, und es sei unklar, wer „die gewaltigen Zusatzkosten“ trage. Das Projekt laufe überhaupt nicht nach Plan, und es zeichne sich ein organisatorisch-technisches Desaster ab. In kürzester Zeit hätten vier Verantwortliche die Brocken hingeworfen. „Doch die DB hält weiter an dem Projekt fest, weil es politisch beschlossen ist.“ Dies sei unverantwortlich.

Der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, sagte: Die Schwächen, Nachteile und Risiken von Stuttgart 21 werden immer deutlicher: Niemand weiß, wie viel das Projekt am Ende kosten wird und wer die erwartenden weiteren Kostensteigerungen tragen wird.“ Dies sei in erster Linie das Risiko der Deutschen Bahn (DB). Ihr werd das Geld an anderen Stellen fehlen, beispielsweise um die Infrastruktur instand zu halten und Engpässe im Netz zu beheben.

Verkehrlich werde „Stuttgart 21“ zu massiven betrieblichen Einschränkungen führen, so Gastel weiter. Die baden-württembergische Landeshauptstadt werde einen Bahnhof erhalten, der auf den Ein- und Ausstieg von Fahrgästen beschränkt ist. Für das Warten eines Zuges auf Fahrgäste anderer Züge würden die vorgesehenen Kapazitäten von acht (bisher 16) Gleisen meist nicht ausreichen. „Ein integraler Taktfahrplan mit optimalen Umsteigemöglichkeiten ist damit ausgeschlossen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Warum stellen die Grünen Ihre Frage nicht auch an die Baden-Württembergische Landesregierung (Grün-Rot) und den Stuttgarter OB (Grün)? Schließlich sind Land und Stadt mit (wenn ich mich recht erinnere) an die 2 Milliarden Euro maßgebliche Projektpartner.

  • interssant war heute morgen ein Bericht im HR3, man hatte auch Pläne der Frankfurter Bahnhof umzubauen, erst MP Koch stoppte die Planung, heute ist man der Meinung, dass man eine grosse Chance für Frankfurt verpasst hat-wie mans macht-man machts eben falsch!

    • @Georg Schmidt:

      Nur mal rein statistisch - Leipzig - S-Bahn-Tunnel - wie Frankfurt und München, Kopfbahnhof bleibt. Zürich ebenso. Auch London und Paris haben keinen Kopfbahnhof durch irgendwas mit nur Tunnel ersetzt. Sind die alle doof oder ist eher in Stuttgart das Problem?

      Für Takt braucht man viele Gleise und Rundum -Anschluss. Das macht auch jeder anständige Bus-Bahnhof. Die Menschen wollen umsteigen und nicht lange warten. Mit schnellen Elektro-Triebwagen geht das gut. Auch die "Inklusion" (die Behinderten) können mit dem Kopfbahnhof besser umsteigen - weniger Treppen und teure Aufzüge. Kopfbahnhof oben braucht keinen Brandschutz - das ist alles an der frischen Luft. Was für ein Vorteil. Wer das wegwirft, der ist wirklich nur an den Bau-Aufträgen interessiert.

      Schluss mit einem Tunnelbahnhof, der zu klein ist, ein unzulässigesGefälle hat und keinen funktionierenden Brandschutz. Das ist jetzt schon eine absehbare Katastrophe. Auch die Neubaustrecke wird wider besseres Wissen mit einer zu großen Steigung für Güterzüge gebaut - das stinkt zum Himmel. Sinnlose Betonverschwendung. Und ass der Provinzflughafen eine ICE-Anbindung braucht - ist reiner Größenwahn und sinnlos teuer. es ist ferner nicht einmal zu Ende geplant. die Volksabstimmung müßte wiederholt werden - der genannte preis ist bereits "offiziell" weit überschritten. Aufhören!!! Baut einen ICE-Bahnhof nach Untertürkheim -keine Tunnel - Hbf intakt - schnelle Züge - schnelles Umsteigen - so geht Bahn - ihr Verschwender.

  • Zürich hat in der Zwischenzeit mit der Durchmesserlinie ein kleines S21 (nur 4 Gleise) bekommen. Allerdings wurde damit ein Bahnhof ausgebaut und nicht zurückgebaut, wie es in Stuttgart geplant ist. Auch war dort die Hauptmotivation die Verbesserung des Bahnverkehrs und nicht die Immobilienspekulation.

    S21 wäre ein sinnvolles Projekt, wenn es für mehr und effizienteren Bahnverkehr geplant und gebaut würde. Warum kann man nicht 8 Gleise überirdisch mit 8 Gleisen unterirdisch ergänzen? Das wäre sinnvoller als den Fliedertunnel zum Flughafen zu bauen.

  • Ernst gemeint:

    Die Baustellen in Hamburg (Elbphilharmonie), Berlin (BER) und Stuttgart (S21) sofort stoppen und statt dessen drei 250 m hohe Pyramiden in der Lüneburger Heide errichten. Mittel- und langfristig dürfte sich diese Alternative als wesentlich sinnvoller erweisen.....

  • Hoffen wir mal, daß es nicht in S22 umbenannt werden muss.

  • Ich habe die Zahlen jetzt nicht parat, aber soweit ich mich recht erinnere, waren die beiden Großstadtbahnhöfe mit den geringsten Verspätungen in DE der alte Stuttgarter und der Münchner HBf. Beides großzügige "altmodische" Kopfbahnhöfe, welch ein Zufall - ein verspäteter Zug kann da nämlich einfach an irgendeinem freien Bahnsteig "aus dem Verkehr" gezogen werden, ohne die knappen Durchgangsgleise für alles, was dahinter kommt, zu blockieren.

    Daß ein Kopfbahnhof barrierefreies Umsteigen geschenkt ganz ohne Aufzüge mitbringt, nochmal anderes Thema.

  • Das mit dem Engpass durch lediglich 8 Gleise ist ja schon jahrelang bekannt. Vor allem wenn es in Zukunft nicht möglich ist, dies durch (teuren) Ausbau zu erweitern.

     

    So Leid es mir für Stuttgart und Berlin tut, hoffe ich doch, dass man daraus wirklich lernt und merkt, dass man solche Großprojekte wirklich nur noch gemeinsam und von vornherein mit den Bürgern und größtmöglicher Transparenz machen kann.

     

    Lektion gelernt, Politik?

    • @Georg S.:

      Bestimmt hat die Politik nichts gelernt. Wozu auch? Schecks, ausgestellt auf irgendwelchen fernen Inseln, gibt es nur wenn man dem Baumafia-Affen Zucker gibt!

  • Hey, es geht um Fortschritt, um ein Zukunftsprojekt! Da muss man auch mal ein paar Verschlechterungen, sinnlose Kosten und großangelegte Falschinformationskampagnen in Kauf nehmen.

    • @Karl Kraus:

      Nur so - meine Sie das ernst?