Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt: Biegsam, kreativ und machthungrig
Das ist historisch: Die Linke wählt CDU-Mann Voigt zum Ministerpräsidenten. Der Wagenknecht-Faktor bleibt ein Risiko für das Zweckbündnis.
![Mario Voigt hebt zwei Finger zum Schwur, neben ihm eine Flagge Thüringens Mario Voigt hebt zwei Finger zum Schwur, neben ihm eine Flagge Thüringens](https://taz.de/picture/7411696/14/37218101-1.jpeg)
V on der Ministerpräsidentenwahl im Februar 2020 in Thüringen blieb ein ikonisches Bild: Wie die Linke Susanne Hennig-Wellsow dem mit den Stimmen der AfD gewählten FDP-Mann Thomas Kemmerich ihren Blumenstrauß vor die Füße schmeißt. Am Donnerstag ging ein gänzlich anderes Foto durchs Land: Bodo Ramelow, der bisherige Ministerpräsident von den Linken, gratuliert seinem Nachfolger Mario Voigt von der CDU und lacht dabei.
Anders als die CDU 2020, die für das Kemmerich-Debakel mitverantwortlich war, hat die Linke diesen Donnerstag die richtige Konsequenz aus der prekären Lage im Thüringer Landtag gezogen. Dort ist die rechtsextreme AfD stärkste Kraft. Die Linke hat dem CDU-Mann Voigt im ersten Wahlgang zu einer klaren Mehrheit verholfen – und damit der AfD die Chance für ihre Spielchen mit der parlamentarischen Demokratie genommen. Dafür wird die Linke regelmäßig in die Beratungen der Brombeerkoalition einbezogen. Auch das ist richtig. Zum Nulltarif gibt es nun einmal keine Zustimmung.
Christdemokrat Voigt ist damit ein ziemliches Kunststück gelungen: Mit viel Kreativität und Biegsamkeit sowie einem großen Willen zur Macht hat er die CDU in Thüringen zurück in die Regierung gebracht. Mit einer Koalition, die im Landtag nur die Hälfte der Stimmen, also keine eigene Mehrheit hat, und mit einem Beschluss seiner Bundespartei, der die Zusammenarbeit mit der Linkspartei untersagt. Voigts Parteifreund Michael Kretschmer, der das Ganze in Sachsen noch vor sich hat, dürfte ihn darum beneiden.
Unsicherheitsfaktor Wagenknecht
Der Preis dafür ist allerdings hoch. CDU und SPD sind ein Bündnis mit dem jungen BSW eingegangen; ob das zu stabiler Regierungsarbeit in der Lage ist, ist völlig offen.
Unklar ist auch, inwieweit Namensgeberin Sahra Wagenknecht versuchen wird, in die Erfurter Koalition hineinzuregieren, wie sie es bei Formulierungen in Sachen Frieden, Waffenlieferungen und der Stationierung von Mittelstreckenraketen bereits getan hat. In der Präambel des Koalitionsvertrags wird dem BSW nun ein „kompromissloser Friedenskurs“ in Abgrenzung zu den Koalitionspartnern bescheinigt.
Mit dem BSW verhilft die CDU einer russlandfreundlichen und populistischen Partei an die Macht. Besonders in der West-CDU gibt es viele Mitglieder, die das für einen Sündenfall halten. Kanzlerkandidat Friedrich Merz könnte das noch auf die Füße fallen. Und Voigt selbst ist jetzt zwar gewählt; ob er mit Stimmen der Linken und ohne AfD einen Haushalt beschließen und das Programm der Brombeerkoalition durchsetzen kann, muss er erst noch beweisen.
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