Thüringen nach Althaus-Rücktritt: "Matschie will mit der CDU regieren"

Nach dem Rücktritt von Dieter Althaus sind die Chancen für eine große Koalition in Thüringen gestiegen. Doch Linke-Chef Bodo Ramelow will nicht aufgeben und kämpft für Rot-Rot.

Christoph Matschie hält sich noch bedeckt, doch die Spekulationen um eine Große Koalition reißen nicht ab. Bild: dpa

So einsam wie er regierte, trat Dieter Althaus am Donnerstag auch ab. Der Thüringer Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende informierte erst seinen Staatskanzleichef Klaus Zeh, dann weitere führende Christdemokraten über seinen Rücktritt. Um elf Uhr vormittags lief die Nachricht über die Agenturen.

Sechs Jahre lang hat Althaus das Bundesland regiert, seit er das Amt im Juni 2003 von seinem populären Vorgänger Bernhard Vogel übernahm. Sechs Jahre, in denen er sich nach reformorientierten Anfängen, etwa als Vorkämpfer eines solidarischen Bürgergelds, immer mehr in seinem Erfurter Amtssitz einkapselte - in jener Kurmainzischen Statthalterei, wo 1808 Goethe mit Napoleon zusammentraf und seit 1990 die Geschicke des Bundeslands gelenkt werden.

Zuletzt hatte selbst Vogel seinen Einfluss auf ihn verloren. "Emanzipiert bin ich längst", sagte Althaus vor wenigen Wochen im taz-Interview über das Verhältnis zu seinem politischen Förderer. Die chaotisch verlaufene Kabinettsumbildung im vorigen Jahr, hieß es damals, habe Althaus nur mit Vogel abgesprochen. Offenbar war nicht einmal das der Fall.

"Jeder Mensch ist ersetzbar", auch das sagte Althaus seinerzeit im Interview. "Ich stehe zu meiner Partei, mit vollem Einsatz." Beides hat er nun beherzigt, wenn auch anders, als man damals denken mochte. Er hat seinen Posten geräumt, und er hat seiner Partei damit einen Dienst erwiesen - weil er den Weg freimachte für eine Koalition mit der SPD, die einzige Möglichkeit, wie die CDU in dem Bundesland an der Macht bleiben kann.

Parteichefin Angela Merkel, die am Sonntag angesichts zweistelliger Verluste und rechnerisch rot-roter Mehrheiten als große Wahlverliererin dastand, kann nun wieder Hoffnung schöpfen. Der Posten des Ministerpräsidenten könnte der CDU außer in Sachsen nun auch in Thüringen erhalten bleiben - und womöglich selbst im Saarland. Dort hat der Grünen-Landesvorstand am Dienstagabend beschlossen, die Koalitionsfrage vor der Bundestagswahl nicht endgültig zu entscheiden. Ein Indiz, dass sich Landeschef Hubert Ulrich ein Jamaikabündnis mit CDU-Mann Peter Müller zumindest offenhalten will.

In Thüringen hat SPD-Landeschef Christoph Matschie mit dem Althaus-Rücktritt eines seiner Primärziele erreicht. Der Weg in eine große Koalition gestaltet sich für ihn nun deutlich leichter. Nach den persönlichen Angriffen im Wahlkampf wäre eine Koalition mit Althaus nur schwer vorstellbar gewesen.

Linkspartei-Spitzenkandidat Bodo Ramelow kämpft unterdessen weiter für Rot-Rot und gibt sich unbeeindruckt vom Althaus-Rücktritt. "Es ist das tragische Ende eines tragischen Ministerpräsidenten", sagte er der taz. Althaus habe nicht die Kraft gehabt, bereits am Wahltag abzutreten. Es ändere sich aber nichts an der Ausgangslage vor den Sondierungsgesprächen, ein rot-rotes Bündnis werde jetzt nicht unwahrscheinlicher. "Es geht nicht um Posten, es geht um Inhalte. Alles, was in Thüringen angepackt werden muss, etwa längeres gemeinsames Lernen und mehr direkte Demokratie, ist mit der CDU nicht zu machen, ob mit oder ohne Althaus", so Ramelow.

In die Sondierungsgespräche mit der SPD, die an diesem Freitag beginnen, gehe man ohne Vorbedingungen. Das erwarte man auch von den Sozialdemokraten. "Es wäre Wahlbetrug, wenn die SPD jetzt zur CDU rennen würde", erklärte Ramelow.

Dabei deutet einiges darauf hin, dass die SPD genau das längst geplant hat. Offiziell wird noch von "ergebnisoffenen, gleichberechtigten Gesprächen mit Linkspartei und CDU" gesprochen. "Wir gehen da offen rein und werden sehen, was sich inhaltlich entwickelt", erklärte Jochen Staschewski, SPD-Landesgeschäftsführer in Thüringen. Der Rücktritt von Althaus sei nicht überraschend gewesen, nach der Wahlniederlage habe die CDU personelle Konsequenzen ziehen müssen. Auch SPD-Fraktionsmitglied Heiko Gentzel glaubt, das Rennen sei weiter offen. Er gibt aber zu, "dass Verhandlungen etwa mit Frau Lieberknecht deutlich leichter fallen werden".

Als "Quatsch" weist die Thüringer SPD Berichte zurück, Landeschef Matschie habe einen Kompromissvorschlag von Bodo Ramelow ausgeschlagen, den parteilosen Eisenacher Theologen Ralf-Uwe Beck zum Ministerpräsidenten zu machen.

Bei der Linkspartei weiß man anderes zu berichten. "Sowohl vor der Wahl als auch am Tag danach wurde Beck ins Gespräch gebracht", erklärte ein langjähriges Mitglied mit Einblick ins Innenleben der Partei. Matschie habe abgelehnt. "Der hat sich längst auf die Koalition mit der CDU festgelegt. Jetzt, wo Althaus abgedankt hat, ist der Weg dafür endgültig frei."

Matschie und der Eisenacher Pfarrer Beck kennen sich seit mehr als 20 Jahren. Gemeinsam haben sie in Jena Theologie studiert. Während Matschie nach der Wende in Thüringen eine politische Laufbahn bei der SPD einschlug, wurde Beck Gemeindepfarrer, Umweltaktivist beim BUND und einer der härtesten Kämpfer für mehr direkte Demokratie im Freistaat. Beck selbst äußert sich nicht. "Ich beteilige mich nicht an solchen Spekulationen", erklärte er. Sowohl Matschie als auch Ramelow kenne er seit Jahren. Manchmal treffe man sich, "aber da geht es um andere Themen".

Thüringens Grünen-Sprecher Dirk Adams befürchtet jetzt einen "Politikwechsel light". Die SPD werde umfallen, die große Koalition scheine sicher, sagte er der taz. "Mitschuld trägt die Linkspartei, die nicht von ihrer starren Personalpolitik abrückt", stichelt Adams. Die Linke beharrt auf dem Posten des Ministerpräsidenten.

Richard Dewes, ehemaliger thüringischer SPD-Landeschef und interner Widersacher von Matschie, warnte seine Partei davor, sich jetzt der CDU in die Arme zu werfen. "Der Rücktritt von Althaus ist die politische Konsequenz der Wahlschlappe, das darf nicht überbewertet werden", sagte Dewes der taz. Althaus sei lediglich ein Bauernopfer. Die SPD solle jetzt ernsthafte Gespräche vor allem mit der Linkspartei führen. Falls sie sich zur CDU wende, "drohen massive Stimmverlusten und damit sächsische Verhältnisse". Bei der Landtagswahl in Sachsen hatte die SPD ihren Stimmenanteil nach fünf Jahren großer Koalition nur von 9,8 auf 10,4 Prozent verbessert.

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