Thriller „Das Netz“ von 1995: Programmiererin als Heldin
Im Fernsehen ist Krimi-Sommerpause, Zeit also dem Kanon einem Check zu unterziehen. Das Thriller mit Sandra Bullock liefert heute noch ab.
Ob es eine Statistik gibt, wie viele Menschen wegen Angela Bennett Programmiererinnen geworden sind? Bennett (Sandra Bullock) ist in „Das Netz“ eine derartig lässige, selbstverständliche Heldin, dass sie eigentlich einen Boom in allen Informatikstudiengängen seit 1995 ausgelöst haben müsste. Könnte auch heute noch hervorragend klappen.
Wobei: Der Filmvorführung müsste ein Grundkurs in Technikgeschichte vorausgehen. Disketten, ein röchelndes Modem, ein Mac OS 7, noch grüne Schrift auf Schwarz, hölzerne Cyber-Chatrooms und das alles lange bevor hierzulande die meisten eine E-Mail-Adresse hatten, Jahre vor Google – ja, man sieht den Requisiten an, wie alt der Film ist. Und allein dass er „Das Netz“ heißt und damit diese unbekannte, dunkle Größe beschwört, wäre Grundlage genug, abzuwinken.
„Das Netz“, Sonntag, 0.15 Uhr, ZDFNeo
Aber im Gegenteil: Es ist selten, dass ein Thriller so hervorragend altert wie dieser hier von Michael Ferris und John Brancato (die auch den zwei Jahre später erschienenen Hammer-Film „The Game“ schrieben), verfilmt von Irwin Winkler. Das Ding ist wirklich spannend. Mag auch daran liegen, dass die Themen, anders als die Hardware, geblieben sind: Identitätsklau, kriminelles Hacking, Spähsoftware, Trojaner, die erlauben, die digital vernetzte Welt samt Börse aus den Angeln zu heben: alles dabei.
Und mittendrin Bennett, die einem Mega-Hack auf die Spur kommt, die erst (1995!) mit Laptop (!) in Mexiko (!) am Strand (!) sitzt und sich ins Netz einloggt, bis ihr einer der Schurken der Story eine Waffe mit Schalldämpfer vor die Nase hält, sie ihn außer Gefecht setzt, für den Rest des Films vor ihm flieht, die entscheidende Diskette immer in der Jackentasche, während einer nach dem anderen in ihrem Umfeld umgebracht wird. Und das, während, logo, niemand ihr glaubt. War ja erst recht „Neuland“ damals alles. Der große Showdown dann: auf einer Computermesse.
Mit Filmen, die man zuerst und zuletzt als Teenager sah, als „Computer-Expertin“ noch eine gängige Berufsbezeichnung war, ist das so eine Sache: Heute fühlt man sich entweder alt, der Story und jener Zeit total entfremdet – oder aber es ist, als sei nichts passiert. „León, der Profi“ flog letztes Jahr an gleicher Stelle von der Liste, aber neben „Matrix“, „Das Model und der Schnüffler“ und „Auf Achse“ darf „Das Netz“ definitiv bleiben. Allein für diesen Kanon-Check taugt die Krimi-Sommerpause allemal. Oder als Inspiration, sich für einen Coding-Workshop anzumelden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl