Thomas Bellut wird ZDF-Intendant: Das Münsterländer Vollblut
Der ZDF-Fernsehrat signalisiert in Vorgesprächen eine Mehrheit für Programmdirektor Thomas Bellut. Der gilt als gemäßigt schwarz und will den Sender endlich verjüngen.
BERLIN taz | Eigentlich könnten sie beim ZDF den 17. Juni auch gleich wieder als Feiertag einführen und ihre 77 FernsehrätInnen in den Garten schicken. Denn die Wahl des künftigen ZDF-Intendanten findet zwar tatsächlich erst in gut einem Monat statt, aber das Ergebnis steht schon fest. Thomas Bellut, derzeit Programmdirektor, wird im Frühjahr 2012 Chef der Mainzer Anstalt.
"Nach unseren heutigen Gesprächen gehe ich davon aus, dass Herr Bellut die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit im Fernsehrat erreichen kann", sagte der Fernsehratsvorsitzende und CDU-Politiker Ruprecht Polenz nach Sondierungsrunden am Donnerstagabend in Mainz. Bellut selbst freute sich über ein "positives Signal" und will sich jetzt auch wirklich bewerben.
Nach der politischen Farbenlehre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt Bellut als Schwarzer – und ist es auch. Allerdings in der gemäßigten Variante des bodenständigen nördlichen Münsterlands, aus dem er stammt. Der 56-Jährige spielt dabei mitnichten das Landei, dafür bekrittelt mancher im ZDF eine leichte Gutsherrenmentalität des münsterländer Vollbluts: Belluts Stil, heißt es in Mainz, sei eher mal top-down.
Beim Zweiten, wo der Programmdirektor stets schwarz und der Chefredakteur vermeintlich rot zu sein hat und der Politproporz bis heute nicht mal vor ziemlich mittleren Leistungsebenen halt macht, ging Belluts Karriere schnell vorran. 1984 hatte er dort sein Volontariat begonnen, bekannt wurde er spätestens als Leiter der ZDF-Innenpolitik und telegener Politmoderator in den 1990er Jahren. Im parteipolitischen Sinne parteilich war und ist Bellut bei aller politischen Verortung aber nie unterwegs gewesen. Die Plattheit eines Peter Hahne geht ihm völlig ab.
Veritables Personalpaket ans Bein gebunden
Als 2002 sein Vorgänger Markus Schächter nach monatelangem Polithickhack Intendant wurde, galt zwar der damalige Fernsehspielchef Hans Janke als Favorit für die Programmdirektion. Doch dem Kompromisskandidaten Schächter hatte man ein veritables Personalpaket ans Bein gebunden: Janke galt plötzlich als zu rot, und der nicht abgeneigte Bellut fand sich als Programmdirektor wieder.
Erste kühne Aktionen, wie der Versuch, mit der Übernahme des siechen "Bravo TV" vom Privatfernsehen dem ZDF junges Leben einzuhauchen, gingen rustikal vor die Wand. Aber Bellut lernte schnell und ist heute einer der wichtigsten Strategen des "neuen" ZDF – dem er unter anderem auch das TV-Kabarett "Neues aus der Anstalt" verordnete und wo er 2008 spektakulär Elke Heidenreichs "Lesen!"-Sendung strich, weil die sich geschämt hatte, beim Zweiten zu arbeiten.
Bellut hat auch vor etwas kühneren Entscheidungen keine Angst und will das ZDF nicht nur durch die neuen Digitalkanäle, sondern auch im Hauptprogramm endlich stärker verjüngen. Dabei helfen soll unter anderem die Fußball-Championsleague, deren TV-Rechte Schächter ab der Saison 2012/2013 für das ZDF gesichert hat.
Selbst die Grünen sind dafür
Allerings: Als 2009 die Union gegen den Willen des Intendanten den Kopf von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender forderte und bekam, stand Bellut nicht eben loyal zu Schächter, sondern demonstrativ im Abseits und hielt sich raus. Dem Verhältnis zum Noch-Intendanten hat das offenbar keinen Abbruch getan: Wie perfekt organisisert der Übergang beim Zweiten nun läuft, trägt klar die Handschrift des großen Hinterzimmerstrategen Schächter. Selbst die Grünen sind dafür - "Bellut ist unser Kandidat", sagt ein Grüner ZDF-Fernsehrat.
Dafür wird nun höchst spannend, wer 2013 wiederum Bellut beerbt. Zwar liegt offiziell das Vorschlagsrecht beim Intendanten. Doch wieder einmal ist von Personalpaketen die Rede – politisch geschnürten, versteht sich. Man muss die Chance nutzen – schließlich entscheidet das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr über die Normenkontrollklage wegen mangelnder Staatsferne beim ZDF. Und dann dürfte es zumindest mit der politischen Gutsherrenmentalität beim Zweiten vorbei sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!