Thomas Arslan über „Verbrannte Erde“: „Das Unwirtliche der Stadt“
In dem Thriller „Verbrannte Erde“ erzählt Thomas Arslan von der Berufsethik von Gangstern (Panorama). Der Film spielt in einem abweisenden Berlin.
Der Gangster Trojan kehrt nach zwölf Jahren im Untergrund nach Berlin zurück. Er sucht Arbeit, zu seinen Bedingungen. So erhält er den Auftrag, ein Caspar-David-Friedrich-Gemälde zu rauben. Doch die Geschäfte haben sich auch in seiner Welt verändert.
taz: Herr Arslan, mit „Verbrannte Erde“ haben Sie eine Fortsetzung Ihres Thrillers „Im Schatten“ von 2010 gedreht. Warum kommt jetzt eine neue Geschichte über den Berufskriminellen Trojan?
Thomas Arslan: Ich hatte wieder Lust, in Berlin zu drehen, „Im Schatten“ war der letzte Film, den ich in Berlin gedreht habe. Das ist immer ein Grund, sich die Stadt noch mal genauer anzugucken, als man es im Alltag macht. Ich lebe ja schon seit 86 hier, aber man guckt eben doch gezielter, wenn man vorhat, dort den Film zu drehen. Ich hatte auch Lust, wieder einmal was mit Mišel Matičević (dem Darsteller von Trojan, A. d. R.) zu machen und mit dieser Figur eine weitere Geschichte zu erzählen, seine Rückkehr nach Berlin.
Angekündigt ist „Verbrannte Erde“ als zweiter Teil einer Trilogie. Gibt es Pläne, wann der letzte Film folgt?
Thomas Arslan
wurde 1962 in Braunschweig geboren. Er studierte Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Sein erster Spielfilm war „Mach die Musik leiser“ (1994). Es folgte die Trilogie „Geschwister“ (1997), „Dealer“ (1999) und „Der schöne Tag“ (2001). „Verbrannte Erde“ ist nach „Im Schatten“ (2010) Arslans zweiter Thriller.
Der Abstand soll auf jeden Fall nicht so groß werden. Es soll nicht noch einmal 14 Jahre dauern.
Während „Im Schatten“ in einigen Szenen ein geschäftiges Berlin zeigt, die Friedrichstraße in Mitte etwa oder das Kottbusser Tor in Kreuzberg, sieht man in „Verbrannte Erde“ viel weniger Menschen in der Stadt jenseits der handelnden Personen. Wie hat sich Berlin für Sie in der Zwischenzeit verändert?
Ich finde, dass sich Berlin in den letzten zehn, fünfzehn Jahren drastisch geändert hat, es ist eine wesentlich abweisendere Stadt geworden, die deutlich mehr Leute ausschließt, als es vorher der Fall war. Ich sehe die sehr rapiden forcierten Gentrifizierungsprozesse, wo ganze Stadtbevölkerungsanteile ausgetauscht worden sind in den letzten Jahren, und dadurch, dass hier so viele Eigentumswohnungen gebaut werden, die Mieten kaum noch bezahlbar sind. Das hat sich schon sehr drastisch verschoben, und ich empfinde die Stadt auf dem Weg zu einer immer abweisenderen Metropole, für große Teile der Bevölkerung zumindest.
Das schlägt sich auch im Bild nieder. Der Film ist noch stärker an anonymen Orten gedreht. Man sieht sterile Hotelzimmer, verlassene Parkplätze, Parkhäuser oder glatte Funktionsbauten. Man könnte sagen, es sind unheimelige Orte. War das ein weiterer Ausdruck dieser Veränderung? Wird der von Ihnen angesprochene Ausschluss damit architektonisch im Film sichtbar gemacht?
Das hat auf jeden Fall eine Rolle gespielt, auch wenn wir das nicht so explizit behandelt wollten. Es sollte nicht als Thema im Vordergrund stehen, aber damit haben wir uns ziemlich viel beschäftigt und es hatte auch Einfluss auf die Wahl der Orte.
Während „Im Schatten“ meistens bei Tag gedreht ist, wirkt „Verbrannte Erde“ wie ein Nachtstück. Die Szenen spielen oft nach Anbruch der Dunkelheit. Ist das eine Hommage an Noir-Klassiker?
Ich wollte einen deutlicheren formalen Bezug zum Film noir herstellen. Auf der anderen Seite gab mir das durch diese entleerten nächtlichen Unorte, die es da so zu sehen gibt, Parkplätze, Unterführungen und verlassene Seitenstraßen im Umfeld von Neubauten, auch eine Möglichkeit, dieses Unwirtliche der Stadt, das, wie Sie gerade sagten, Unheimelige zu forcieren.
Auffällig ist an beiden Filmen zudem, dass Sie, wie Sie das seinerzeit bei „Im Schatten“ genannt haben, die Innenseite des Verbrechens zeigen. Die Polizei spielte im ersten Teil eine untergeordnete Rolle, jetzt fehlt sie komplett. Die Gangster sind praktisch unter sich bei der Arbeit. Was interessiert Sie an der geschäftlichen Seite das Verbrechens?
Es gibt gar nicht so ein allgemeines Interesse. Das geht eher von der Figur des Trojan aus. Das ist eine Figur, die nach Möglichkeit selbstständig arbeiten möchte und auch nicht erklärtermaßen für das organisierte Verbrechen, eben weil das feste Zusammenhänge sind, in denen man mehr oder weniger gefangen ist. Er versucht, eine Existenz nach seinen eigenen Regeln zu führen. Dazu braucht es natürlich Teilzeit-Komplizen, -Komplizinnen. Aber im großen Ganzen ist er jemand, den man gar nicht im klassischen Sinne als Gangster bezeichnen kann, weil er selbstständig wie ein Freelancer arbeitet. Das finde ich primär interessant, eben jemand, der seine Arbeit sehr ernst nimmt, sie auch so professionell wie möglich durchzuführen versucht, womit er dann an seine Grenzen kommt, sobald andere Leute hinzukommen. Andere Personen sind immer potenzielle Faktoren, die man nicht ganz kontrollieren kann.
Ansonsten interessiert mich an so einer Figur wie Trojan, wie diese Professionalität genau aussieht, wie er sich vorbereitet, wie so ein Alltag von so jemand aussehen könnte, dieses Leben ohne festen Wohnsitz, dieses Nomadenhafte. Aber auch diese präzisen Handlungsabläufe, die dazugehören und die er sehr ernst nimmt, weil es eine Art Lebensversicherung für ihn ist.
Wie haben Sie dazu recherchiert?
Mich interessiert das weniger soziologisch, und ich habe jetzt und auch bei „Im Schatten“ nur sehr rudimentäre Recherchen betrieben im Hinblick auf echte Verbrecher. Trojan ist eher eine Kunstfigur. Recherchiert habe ich Details, also was die Widerstände sind, wenn man ein bestimmtes Vorhaben hat, wie in diesem Fall in ein Museum einzusteigen, was da zu beachten ist. Aber ansonsten hat mich an Trojan eher seine Genauigkeit interessiert, und er hat im Rahmen seines Feldes auch noch so einen Rest Moralkodex.
Dass die vom Auftraggeber gewünschte Ware ein Gemälde von Caspar David Friedrich ist, „Frau vor der untergehenden Sonne“, hat etwas von einem Insiderwitz zum Jubiläumsjahr des Malers.
Das hat sich so gefügt, davon wussten wir gar nichts, als wir den Film gedreht haben. Das Bild kommt ja aus dem Folkwang Museum in Essen. Wir wollten dort auch drehen, haben aber keine Dreherlaubnis gekriegt. So haben wir uns nach einem anderen Museum umgeschaut, und es ist dann das ehemalige Ethnologische Museum Dahlem geworden. Was ich sehr interessant fand, ist, dass große Teile des Museums gar nicht mehr existieren. Die Exponate wandern alle sukzessive zum Humboldt-Forum. Was es dort noch gibt, das ist im Film kurz zu sehen, ist in Kisten gelagert. Das ist im Grunde kein zugängliches Museum mehr.
21. 2., 11.45 Uhr, Haus der Berliner Festspiele
22. 2., 12.30 Uhr, Cubix 9
Was im Alltag noch betrieben wird, das haben wir fast eins zu eins in die Geschichte übernommen, ist, dass das Depot für Gemälde und Objekte, die für große Ausstellungen verliehen werden, als Zwischenlager genutzt wird, weil das ein ziemlich großes Lager ist. Das war ein Glücksfall, dass wir so eine Art von dysfunktionalem Museum hatten, das auch gar nicht mehr nach Museum aussieht in den Innenräumen. Dass es jetzt eine große Caspar-David-Friedrich-Retrospektive in Berlin gibt, hatten wir nicht auf dem Schirm. Aber uns kam es trotzdem drauf an, dass es ein Gemälde eines bekannten Malers ist, mit dem viele etwas anfangen können, und dass es viel wert ist und dass es auch nicht so großformatig ist, dass es unaufwendig zu transportieren ist. Das waren die Kriterien für das Gemälde. Wir haben beim Drehen darauf geachtet, dass wir das Bild nicht als solches zelebrieren, weil ich auch kein besonders leidenschaftliches Verhältnis zu Caspar David Friedrich habe. Da fiel es mir dann auch relativ leicht, die gleiche Perspektive einzunehmen, wie sie die Figuren haben, dass es eben ein Objekt in einem Rahmen ist. Das wird dann natürlich gut behandelt, aber eben nur, weil es in erster Linie ein wertvolles Tauschobjekt ist.
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