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Themen der BuchmesseDie starre Freund-Feind-Logik

Ukraine, Nahost und die Regierung in Italien: Auf der Frankfurter Buchmesse werden die aktuellen politischen Konflikte diskutiert.

Ukrainische Präsenz auf der Buchmesse in Frankfurt Foto: Manfred Segerer/imago

Frankfurt am Main taz | Das Schreiben und Verlegen im Krieg, Literatur in Krisenzeiten, Autoren, die sich gegen den Autoritarismus stellen: Die großen geopolitischen Realitäten nehmen viel Raum ein bei der Frankfurter Buchmesse, oft spielen dabei der Ukraine- und der Nahostkrieg eine Rolle.

Ein Buch, das am Mittwoch in Halle 4 vorgestellt wird, erzählt schon im Titel von einer neuen Realität: „Wir, die wir uns verändert haben. Ukrainische Kulturschaffende erleben den Krieg“ heißt ein Band, den der ukrai­nische Verlag IST Publishing und der Leipziger Verlag Spector Books veröffentlicht haben.

Die IST-Verlegerin Anastasia Leonova berichtet vom Arbeiten im Krieg: Zum Verlagsalltag gehören Stromausfälle, man muss mit der Papierkrise umgehen, Mitarbeitende müssen an die Front. Die Künstler:innen, so Leonova, „durchleben derweil eine Transformation, sie versuchen eine neue Sprache für den Krieg zu finden.“

Mit Verweis auf die Au­tor:­in­nen Serhii Zhadan und Sofia Andruchowytsch spricht Mitherausgeberin Anastasiia Platonova über die publizistische Aufgabe, die Kriegsrealität abzubilden: „Wenn wir die Dinge nicht benennen, dann verschwinden sie, das dürfen wir nicht zulassen“, sagt sie. Damit spielt sie auch auf das Beschweigen historischer Traumata in der ukrainischen Geschichte an.

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Kriegstagebücher, Fotobände des Widerstandes

Auch deshalb haben viele Schrift­stel­le­r:in­nen wohl zuletzt Kriegs­tagebücher veröffentlicht (Zhadan, Andrej Kurkow, Yevgenia Belorusets, Artem Tschech). Ein paar Gänge weiter, am Gemeinsschaftsstand der ukrainischen Verlage, finden sich auch Dokumentationen aus anderen Genres: Fotobände über den ukrainischen Widerstand, eine Graphic Novel über die Blackouts, ein Reader über die Geschichte des russischen Imperialismus.

Die deutsche Debatte über den Nahostkrieg ist zuvor im Frankfurt Pavilion Thema, dort sprechen die Politikwissenschaftlerin Saba-Nur Cheema und der Publizist Meron Mendel miteinander. Die beiden sind ein Paar, er Jude, sie Muslimin, sie haben kürzlich das gemeinsame Buch „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ veröffentlicht. „Die Gräben in der Gesellschaft sind noch viel tiefer geworden, die Konflikte werden härter ausgetragen“, sagt Cheema über den Diskurs.

Beide beklagen, dass sowohl auf jüdisch-israelischer Seite als auch auf palästinensischer Seite Kritik am eigenen Lager un- erwünscht sei.

Mendel spricht von einer festgefahrenen Freund-Feind-Logik, nach dem 7. Oktober hätten viele sich schnell entschieden, auf wessen Seite sie stünden, nun sei kaum mehr Annäherung möglich. Beide beklagen, dass sowohl auf jüdisch-israelischer Seite als auch auf palästinensischer Seite Kritik am „eigenen“ Lager unerwünscht sei.

Relativierung der Hamas-Taten

„Israelhass ist in der muslimischen Community ein großes Problem“, sagt Cheema – damit auseinandersetzen aber wolle sich die Community nicht. Besorgt zeigt sie sich über die Relativierung der Taten der Hamas. Auf der anderen Seite reiche es manchmal aus, die israelische Reaktion auf den 7. Oktober infrage zu stellen, und man gelte dort als „Verräter“, erklärt Mendel.

Auch das Gastland Italien und die Kulturpolitik der neofaschistischen Regierung Meloni sind weiterhin Thema. So spannend wie augenöffnend ist ein Panel zur Sprache und Ikonografie der Fratelli d’Italia und der Jugendorganisation der Partei. Kunsthistoriker Luciano Cheles zeigt die Parallelen zwischen NS-/Mussolini-Propaganda und der Bildsprache der italienischen Rechten auf. So posiert Meloni auf Plakaten wie einst Mussolini, die Jugendorganisation verwendet Arno-Breker-Skulpturen auf ihren Postern.

Cheles und die Soziolinguistin Vera Gheno analysieren die Sprache der italienischen Rechten, Slogans wie Credere, obbedire, combattere“ („Glauben, gehorchen, kämpfen“) und der bei Rechten beliebte Tolkien-Satz „Le radici profonde non gelano“ („Tiefe Wurzeln frieren nicht ein“) sind in Italien wieder salonfähig geworden.

Das Familienbild Melonis ist bekanntermaßen das der Hetero-Normfamilie, Vera Gheno sagt, die in Italien aus der Werbung bekannte „La famiglia del Mulino Bianco“ entspräche dem Meloni-Ideal. „Sie versuchen ihr faschistisches Gesicht zu verbergen“, sagt Cheles, aber sie seien „faschistisch und nazistisch.“

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