Thema Gesundheit auf UN-Klimakonfernz: „Kein nettes Mittelmeerklima“
In Dubai steht das Thema Gesundheit auf der Agenda. Das ist laut dem Gesundheitsexperten Christian Schulz auch für Deutschland ein Durchbruch.
taz: Bei der UN-Klimakonferenz in Dubai sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit in diesen Tagen erstmals eines der großen Themen. In Deutschland scheint mir das Gesundheitsrisiko Klimawandel dagegen nicht sehr präsent zu sein, Herr Schulz?
Christian Schulz: Die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit der Menschen sind tiefgreifend. Das direkteste und einfachste Beispiel ist Hitze. Aber es geht auch um neue Infektionserkrankungen, um Luftverschmutzung, um Lungenerkrankungen, um mentale Gesundheit. In den letzten Jahren ist gerade im Gesundheitssektor das Verständnis dafür stark gewachsen. Die Energiewende ist das größte Gesundheitsprojekt unserer Zeit.
ist Anästhesist und Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit KLUG, einer 2017 gegründeten Initiative von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem Gesundheitsbereich.
Das sagen auch die Weltgesundheitsorganisation und das Robert-Koch-Institut. Trotzdem scheint es teils die Einstellung zu geben: Dann wird es hier halt ein paar Grad wärmer, so wie jetzt in Süditalien oder Spanien. Und darauf könnten wir uns ja dann einstellen....
So simpel ist es eben nicht. Wir sind jetzt schon nicht angepasst, und mit jedem Zehntelgrad steigen die Auswirkungen nicht linear, sondern sprunghaft an. Das heißt, wir haben dann hier nicht irgendwie ein nettes Mittelmeerklima, sondern wir werden mit einer sehr viel höheren Krankheitslast konfrontiert sein. Und die müssen wir dann mit unserem Gesundheitssystem auffangen. Dazu kommen die globalen Auswirkungen und große Migrationsströme infolge der Nahrungsmittelknappheit und zunehmenden Unbewohnbarkeit ganzer Regionen.
Ein Gesundheitssystem, das sowieso schon strauchelt und bei dem die Dringlichkeit grundlegender Reformen längst nicht bei allen angekommen ist …
Unser Gesundheitssystem ist nicht aufgestellt für eine ungebremste Klimaerwärmung. Wenn wir von einem nachhaltigen Gesundheitssystem sprechen, dann heißt das eben nicht nur, dass die Institutionen klimafreundlicher werden, sondern dass sie auch in der Lage sein müssen, mit einer durch die Klimakrise steigenden Krankheitslast umzugehen, also resilient werden müssen. Das kommt zu den aktuellen Herausforderungen wie Fachkräftemangel und demografischem Wandel noch hinzu. Das Gesundheitsystem steht unter einem erheblichen Transformationsdruck.
Also müssen wir zweigleisig fahren: Klimaschutz und Stärkung des Gesundheitssystems?
Wie gesagt: an eine ungebremste Klimaerwärmung können wir uns im Gesundheitssystem nicht anpassen. Dafür haben wir weder das Geld noch die Menschen. Deshalb gibt es aus gesundheitlicher Sicht gar keine Alternative zu mehr Klimaschutz und weniger Ressourcenverbrauch.
Hitze ist, wie Sie schon sagten, nur die offensichtlichste Auswirkung der Klimakrise auf die Gesundheit. Sie betonen auch immer wieder die Folgen für die mentale Gesundheit.
Die mentale Gesundheit ist wie so ein Elefant im Raum. Wir haben noch nicht die Instrumente, um das angemessen zu quantifizieren. Dennoch: Studien zeigen, dass insbesondere Kinder und Jugendliche hochgradig belastet sind durch die Klimakrise. Das ist nachvollziehbar, weil sie letztendlich spüren, dass wir ihnen gerade die Lebensgrundlage entziehen. Gleichzeitig haben sie nicht die Macht, die Dinge grundlegend in die richtige Richtung zu verändern, und das erzeugt Belastung.
Wie sollten wir mit dieser Belastung umgehen?
Die kausale Therapie wäre, uns mit aller Ernsthaftigkeit auf den 1,5-Grad-Pfad zu begeben. Und wenn das nicht zu schaffen ist, dann eben alles dafür zu tun, dass es 1,6 oder 1,7 werden. Einem Krebskranken würden wir auch nicht sagen, wir lindern jetzt mal die Symptome, aber den Tumor lassen wir drin, obwohl wir ihn herausoperieren könnten.
In der Politik wird diese Ernsthaftigkeit immer wieder wegverhandelt, auch in der aktuellen Haushaltsdebatte. Das macht nicht nur Kinder und Jugendliche hilflos. Wie hüten Sie sich vor Fatalismus?
Ich sehe, was da ist: Wir haben Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise, und wir sehen ein Aufwachen im Gesundheitssektor. Gemeinsam können wir dazu beitragen, dass wir mit einer anderen Ernsthaftigkeit darüber sprechen und ins Handeln kommen. Klar können wir hier in Deutschland nicht alleine dafür sorgen, dass wir bei 1,5 Grad landen, aber wir haben eine Vorbildfunktion. Wir sind ein reiches, wenn auch gerade überaus behäbiges Land, auf das viele schauen.
Was erwarten Sie jetzt ganz konkret von der Politik?
Anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wird eher mit Affektpolitik auf Stimmungslagen reagiert. In der aktuellen Frage, wie mit dem fehlenden Geld für den Klima- und Transformationsfonds umzugehen ist, verzögert das den Diskurs und beeinträchtigt die Möglichkeiten, gemeinsam Lösungen zu finden. Das ist für mich nicht nachvollziehbar, weil wir eigentlich ein gemeinsames Werteverständnis haben: Wir wollen ja alle gesund bleiben, betreiben aber im Affekt eine Politik, die absolut gesundheitsgefährdend ist. Da erwarte ich ein Innehalten. Wir sollten mit Haltung und Ernsthaftigkeit darüber sprechen, wie wir uns jetzt als Industrienation aufstellen.
Erhoffen Sie sich von der Klimakonferenz einen Impuls dafür?
In Dubai geht es nicht nur um Verhandlungen zu verbindlichen Reduktionszielen für Treibhausgasemissionen und Maßnahmen für die Anpassung an das Klima. Es wird auch die Gesundheit der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert verhandelt. Da ist es ein Durchbruch, dass das Thema Gesundheit vertreten ist.
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