Theatertreffen 2018 in Berlin: Müffelt ein wenig

Eine Jury aus sieben KritikerInnen trifft die Auswahl für das Theatertreffen in Berlin im Mai. Am Dienstag stellten sie das Programm vor.

Eine Frau liegt auf einem Teppich

Aus Zürich ist die Inszenierung „Beute Frauen Krieg“ von Karin Henkel eingeladen Foto: Toni Suter

BERLIN taz | Frank Castorf kann sich freuen, und das aus gleich zwei Gründen. Denn erstens ist er mit „Faust“, seiner letzten großen Inszenierung als Intendant der Berliner Volksbühne, zum Theatertreffen eingeladen; wird also seine Stars, Sophie Rois, Vera Tscheplanowa, Lilith Stangenberg, Martin Wuttke, Alexander Scheer noch einmal zusammentrommeln, um, nein, nicht in der Volksbühne, sondern im Haus der Berliner Festspiele zu spielen. Nichts weniger als das Drama des europäischen Bürgertums, das in die Emanzipation aufgebrochen ist und im Kapitalismus landete, sieht die Kritikerjury in seinem Stück und, natürlich!, ein „Schauspielerfest“.

Zweitens kann er sich bestätigt sehen, weil das Team Vegard Vinge/Ida Müller, deren anarchistisches Total­theater er zuerst nach Berlin geholt hat, auch wieder dabei ist, mit ihrem Nationaltheater Reinickendorf, einer meist nächtelang spielenden Veranstaltung, bei der mit allem zu rechnen ist, mit Kunst, Comic, knarzenden Maschinen, Tortenwürfen und Exkrementen.

Müffelt das jetzt ein wenig? Nach Geniekult und Überwältigung, Obsessionen und Orgien? Ja, das steht durchaus ins Haus, wenn vom 4. bis 21. Mai das Theatertreffen in Berlin stattfindet.

Die eigenen Grenzen

Am Dienstag stellte die siebenköpfige Jury (Margarte Affenzeller, Eva Behrendt, Wolfgang Höbel, Andreas Klaeui, Dorothea Marcus, Christian Rakow, Shirin Sojitrawalla) ihre Zehner-Auswahl vor. Dreimal Produktionen aus Berlin, zwei aus Hamburg, zwei aus München, eine jeweils aus Basel, Zürich, Wien – überraschend ist das nicht. Darunter ist die „Rückkehr nach Reims“, von Thomas Ostermeier in Berlin nach dem gleichnamigen Roman von Didier Eribon entstanden. „In einer listigen Rahmung aus Realität und Reenactment, Dokumentartheater und Kunstwerk gibt der Abend dem pessimistischen Resümee von Eribon eine utopische Wendung“, begründete die Jury ihre Wahl.

Nicht nur in diesem Stück geht es in ihren Augen um die Frage, warum so viele junge Leute wieder nach Autoritäten, nach Führungsfiguren verlangen. Ein Thema, das sie auch in „Am Königsweg“ eine Rolle spielen sehen, einem Text von Elfriede Jelinek über das Faszinosum Donald Trump, von Falk Richter am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg inszeniert.

Das ungewöhnlichste Theaterexperiment kommt diesmal von den Kammerspielen München, „Mittelreich“. Die Inszenierung von Anta Helena Recke mit schwarzen Schauspielern ist eine Kopie einer Inszenierung, die zuvor mit weißer Besetzung lief. Was sich dadurch ändert, in der Wahrnehmung, in der Deutung, in den Fragen nach Repräsentation, sieht die Jury als eine gute Hinterfragung gängiger Muster und Chance zur Gewahrwerdung eigener Grenzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.