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Theater über Klimawandel und JustizWenn Robben klagen könnten

Karlsruhe ist die Stadt der höchsten Gerichte. Das dortige Theater zeichnet einfallsreich die juristische Geschichte des Klimawandels nach.

Der Diskurs ist schwer zu entwirren: Szene aus „Die Hitze und das Recht“ Foto: Felix Grünschloß

Schlimmer hätte es tatsächlich nicht kommen können. Nachdem schon die Klimapolitik der gescheiterten Ampelregierung Luft nach oben ließ, droht uns der aktuelle Koalitionsvertrag von SPD und CDU auf diesem Feld gänzlich in die Steinzeit zurückzuwerfen. Als hätte man dieses Debakel bei der langfristigen Programmentwicklung am Badischen Staatstheater vorausgesehen, avanciert die dortige Uraufführung „Die Hitze und das Recht“ nun zum brisanten Werk der Stunde.

Gerade in Karlsruhe, der den Prognosen zufolge irgendwann wärmsten Stadt Deutschlands und Residenz der höchsten Gerichte, beleuchtet Matthias Naumanns Text die spannende Wechselgeschichte zwischen Umweltpolitik und Judikative. Beginnend mit ersten Prozessen in den 80er Jahren bis hin zum wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz zeichnen die Schau­spie­le­r:in­nen (Ute Beggeröhr, Antonia Mohr und andere) planspielartig sämtliche Verhandlungen und politischen Winkelzüge nach, und dies mit reichlich Witz und Sarkasmus.

Mal steckt der Lobbyist der Energiekonzerne dem ratlosen Staatssekretär direkt das Gesetz in die Tasche, mal klagt eine Robbe über ihre fehlende Klagebefugnis. Unter den spezifischen Typen ragt insbesondere die Anwältin für Umweltrecht heraus, die uns mit Verve die Komplexität der juristischen Auseinandersetzungen vor Augen führt. Sie erklärt, bisweilen im Stil einer Jura-Vorlesung, die sogenannten intertemporalen Freiheitsrechte. Damit sei die Bundesregierung verpflichtet worden, die Selbstbestimmung kommender Generationen schon mit Maßnahmen im Hier und Heute zu schützen.

Ebenso spannend fällt die nachgestellte Verhandlung mit Automobilunternehmen aus. Sie argumentieren, dass sie mit ihren Produktionen keinerlei Verantwortung für die Treibhausemissionen trügen. Schließlich obläge es ja allein den Verbraucher:innen, ob sie ihr gekauftes Fahrzeug auch gebrauchen wollen. Das Recht, so sehr es auf die lange Sicht hin das Anliegen der Ak­ti­vis­t:in­nen stützt, es folgt nicht immer den Regeln von Logik und gesundem Menschenverstand.

Stellenweise berührend

Viele Spitzfindigkeiten in der Auslegung von Gesetzen kommen also aufs Tapet, durchaus in der Manier des Diskurstheaters, das der Didaktik bisweilen den Vorzug gegenüber pointierten Bühnenmetaphern einräumt. Und doch haben wir es mit einem fesselnden und stellenweise berührenden Abend zu tun.

Der überragende Moment: Zwischen Bühnennebel und bei Vollmond vor der ansonsten dunklen Kulisse tritt eine Darstellerin im Kostüm des ausgestorbenen Dünnschnabel-Brachvogels auf. In poetischem und mahnendem Ton berichtet er vom Paradox unserer Tage, schleppende Gerichtsverfahren zu nutzen, um ein rasendes Problem zu bewältigen (das der Gesetzgeber aussitzt). Dass seine Art der menschlichen Ignoranz zum Opfer fiel, lässt ihn zwar auf Rache sinnen. Hoffnung hat er jedoch kaum noch. Sein sich anschließender Verzweiflungsschrei erweist sich als markerschütternd.

Sicherlich hätte Regisseur Johannes Wenzel seine Inszenierung punktgenau mit diesem Monolog beenden können. Doch die Zähigkeit der absurden und gleichzeitig immanent wichtigen juristischen Verfahren, sie soll sich buchstäblich auf das Publikum übertragen. Am Schluss der mehr als zweistündigen Aufführung überlagern sich auf grelle Weise Zukunft und Gegenwart. Nicht wenige Klischees geraten dabei ins Wanken.

Irreversible Konsequenzen

Wird von den Ewiggestrigen und Bremsern noch zuvor mehrfach die „hart arbeitende Krankenschwester“ erwähnt, die ja auf niedrige Benzinpreise angewiesen sei, so findet diese sich nun in einer ganz anderen Dystopie wieder. 2045 leidet sie nicht mehr an zu hohen Kosten. Vielmehr machen ihr dann die zahlreichen Patient:innen, die wegen dem Hitzekollaps die Betten belegen, zu schaffen.

Moralische Dilemmata, verschleppte Weichenstellungen, Egoismus und natürlich die irreversiblen Konsequenzen für Tiere, Pflanzen und Menschen bilden sich zuletzt in einem großen Knäuel aus beigefarbenen Seilen (Bühne: Tine Becker) ab. Zum einen zeigt dieses Bild, wie schwierig der ganze Diskurs buchstäblich zu entwirren ist, zum anderen, wie unser aller Alltagsverhalten unmittelbar mit Klima und Umwelt verstrickt ist.

Getragen wird dieses Arrangement von einem ingeniösen Ensemble und Text, der, so ist es von den Richtsprüchen der laufenden Verfahren zu erwarten, noch viele Wendungen nehmen dürfte.

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