Theater in Leipzig: Schöpfung für den Elfenbeinturm
„Hypezig“, „Hypezig“: Im Neuen Schauspiel startet das Theaterstück „Gewonnene Illusionen“ und beleuchtet den Hype um Leipzig kritisch.
Das Stück ist der zweite Teil der Reihe „Ceci n’est pas un Hype“, die mit Humor und Ironie den Hype um Leipzig auf die Schippe nimmt. Den Begriff Hypezig hat vor fünf Jahren der Autor und Blogger André Herrmann in die Welt gesetzt, was er heute bereut: Viele sahen es als Kompliment, er jedoch hatte es als Kritik gemeint. Schon vorher wollten die Artikel über die Frage, ob Leipzig „das neue Berlin“ oder „das deutsche Paris“ ist, kein Ende nehmen. Eine selbsterfüllende Prophezeiung: Je größer der Hype, desto schneller verläuft die Gentrifizierung in der Stadt.
Die Elfenbeinturmbewohner im Studio interessiert das nicht: Sie schwadronieren selbstverliebt, streiten affektiert und machen Werbung – oder Antiwerbung – für Leipzig. Die Serie, die sie besprechen, spielt in Paris, doch sie wurde in Leipzig gedreht: „Ich kann nicht verhehlen, dass Leipzig einfach das erschwinglichere Paris ist!“, ruft die Tourismusmanagerin in die Runde.
Das ganze Theaterhaus ist in Schauplätze der Hypezig-Debatte verwandelt; im Treppenhaus steht das „Palais Royal“, ein Einkaufszentrum mit Minigolf und Pop-up-Immobilienshop. Es gibt sogar einen Gebetsraum der Gentrifizierung. Parallel wird auf einer weiteren Bühne die Schöpfungsgeschichte der Stadt inszeniert. Im Raum steht die Frage, was am Anfang war: die Bewohner, die Nachziehenden oder der Hype?
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
Jede Zuschauerin und jeder Zuschauer sieht alle Teile des Stücks, allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge und in drei Gruppen geteilt – schon logistisch ist das beeindruckend, schauspielerisch sind viele Teile erstklassig, dramaturgisch bietet jede Bühne eine neue Überraschung. Es lohnt sich also durchaus, sich wirklich alles anzuschauen. Man braucht aber Durchhaltevermögen, das Stück dauert drei Stunden.
„Gewonnene Illusionen“ läuft noch je zweimal im Oktober, November und im April im Leipziger Schauspielhaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“