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Teurer Punk

Weil der Text „Deutschland muss sterben“ unter die Kunstfreiheit fällt, muss die Justiz vermutlich zahlen

Auf die Justizkasse Berlins kommen 150 Tagessätze zu, die sie für das Abspielen eines Liedes der Punk-Gruppe Slime vermutlich wird zurückbezahlen müssen. „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ hatten die Punkrocker einst gesungen – als satirische Antwort auf ein Hamburger Kriegerdenkmal mit der Inschrift: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen“. Auf Demonstrationen in Berlin wie anderswo wurde das Lied vielfach und inbrünstig abgespielt, gesungen und gebrüllt. Und Berliner Richter verhängten ebenso vielfach wie inbrünstig Untersuchungshaft und Geld- wie Bewährungsstrafen dafür. Doch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (die taz berichtete), das dem Abspielen das Recht der Kunstfreiheit eingeräumt hat, dürften diese Urteile nicht standhalten.

Justizsprecher Sascha Daue bestätigte gestern, dass am Ende von nun ermöglichten Wiederaufnahmeverfahren die Rückzahlung verhängter Tagessätze ebenso stehen könnte wie Entschädigungszahlungen für Untersuchungshaft. Im konkreten Fall hatte der Berliner Christoph E. bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt. Er war 1998 zu 150 Tagessätzen à 25 Mark verurteilt worden, da er als Anmelder einer Demonstration im September 1997 das Abspielen des Liedes verantwortet habe.

Auch der Anlass der Demonstration könnte die Justizkasse jetzt eine teure musikalische Belehrung kosten: Christoph E. und 50 weitere Demonstranten hatten gegen die Untersuchungshaft eines Genossen demonstriert, der am 1. Mai unter anderem wegen des Abspielens der Hymne verhaftet worden war. Daue betonte, zum einen müsse jeder Fall neu zur Wiederaufnahme beantragt werden, zum anderen sei für eine Entschädigung entscheidend, unter welchen Umständen das Lied abgespielt wurde und ob etwa die Untersuchungshaft noch mit anderen Verdachtsmomenten als nur dem Lied begründet gewesen sei.

Aus aktuellem Anlass muss die Justiz schnell dafür sorgen, dass sich die Berliner Polizei mit dem neuen Verständnis von Kunstfreiheit auskennt, denn wenn heute die NPD durch die Stadt marschiert, werden doch das ein oder andere Mal folgende Verszeilen intoniert werden: „Wo Faschisten und Multis das Land regieren / wo Leben und Umwelt nicht interessieren / wo alle Menschen ihr Recht verlieren / da kann nur noch eins passieren: Deutschland muss sterben, damit wir leben können ...“ Und das wird – unabhängig von der Intonation – Kunst sein. BABS

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