Testpflicht für Schüler*innen: Nasebohren geht auch Zuhause
Die Berliner Testpflicht für Schüler*innen ist richtig, wenn man die Schulen offenhalten will. Aber warum müssen das die Lehrer*innen machen?
E s ist richtig, am Modell des Wechselunterrichts festzuhalten, auch wenn die Corona-Zahlen gerade wieder steil nach oben gehen. Zumindest für die Kinder und Jugendlichen ist es die bessere Strategie – nicht weil sie in der Schule mehr lernen als Zuhause (das trifft auf viele sicher auch zu), sondern vor allem wegen dem, was Schule sonst noch ist: soziales Miteinander, Treffpunkt mit Freunden, Austausch und Anregung.
In der Pandemie ist alles, was jenseits der eigenen Familie und vier Wände stattfindet, eine Wohltat für Körper und Seele. Das wissen auch Erwachsene, die in letzter Zeit nur deswegen manchmal ins Büro gehen, um dem vermaledeiten Homeoffice für einen Tag zu entkommen. Und die armen 7.-9. Klässler waren seit Dezember nicht mehr in der Schule!
Dass Lehrer*innen und Erzieher*innen, die großenteils noch ungeimpft sind, primär ein anderes Interesse haben, nämlich nicht noch auf den letzten Metern vor Erreichen der Herdenimmunität krank zu werden, ist zwar verständlich. Aber genau solche Abwägungen muss Politik eben machen. Und es war klug von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dafür im Gegenzug die Testpflicht an Schulen einzufügen.
Allerdings kann man in Frage stellen, ob dafür wirklich die Schulen zuständig sein müssen und können. Ist es realistisch, dass LehrerInnen mit 12 Kindern gleichzeitig ordnungsgemäße Tests durchführen können? Was passiert mit „positiven“, bis sie wieder abgeholt werden? Warum lernen die Kinder jetzt nicht zusammen mit den Lehrer*innen, wie Testen richtig geht, um es künftig Zuhause – mit oder ohne Eltern – selber zu machen und das Testergebnis mitzubringen?
Man traut den Eltern nicht
Die Antwort ist klar: Weil man den Eltern, beziehungsweise manchen oder einigen, nicht vertraut. Man glaubt offenbar, dass manche entweder zu blöd sind, einen Selbsttest richtig durchzuführen oder gar so unsolidarisch, dass sie ihr Kind trotz positiven Tests in die Schule schicken.
Natürlich wird es das auch geben. Aber man kann im Umkehrschluss nicht alles auf die Schulen abladen, weil man Eltern für unfähig hält. Das hat man beim Homeschooling im Übrigen auch nicht gemacht, da ging man einfach davon aus, dass Eltern es schon schaffen werden mit ihrem Kind Dreisatz oder englische Grammatik zu lernen. Da werden wir gewiss noch einen einfachen Nasebohr-Test hinbekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen