Problematische Freunde

In Berlin, München oder Duisburg feierten Menschen den Terror der Hamas. Nun werden auch in der Ampel Verbotsforderungen gegen bestimmte Gruppen lauter

Stolz auf den „Widerstand“: Solche Szenen, wie hier in Duisburg, will man in Deutschland künftig vermeiden. Nur wie? Foto: Jochen Tack/picture alliance

Von Konrad Litschko

Am Mittwoch wollten sie in Berlin erneut auf die Straße gehen: Sympathisierende mit den Hamas-Angriffen auf Israel. „Für ein freies Palästina“ rief die Gruppe Samidoun zum Protest im Bezirk Neukölln auf. Die Terrorattacken bejubelte sie zuvor als „Widerstand“, der sich „erhebt“. Auch in München oder Duisburg gab es am Montagabend antiisraelische Proteste. Nun werden Stimmen lauter, härter gegen die Gruppen vorzugehen – bis hin zum Verbot.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) drohte am Dienstag Menschen, die die „grausamen Taten“ der Hamas auf deutschen Straßen feierten, „mit strafrechtlichen Konsequenzen oder sogar einer Ausweisung“. Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, nahm explizit Samidoun ins Visier. Die Gruppe habe wiederholt Demonstrationen organisiert, auf denen antisemitische Parolen skandiert wurden und von denen Gewalt gegen die Polizei ausging, sagte er der taz. „Das Feiern der hundertfachen Morde an Jüdinnen und Juden in Israel durch die Gruppe ist ein neuer Tiefpunkt. Gegen Samidoun sollte ein Betätigungsverbot rasch geprüft werden.“

Auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, forderte, alle Vereine, die mit der Hamas oder Fatah verbunden seien oder sich mit ihnen solidarisierten, müssten „überprüft und, wenn nötig, verboten werden“. Für alle Menschen, die das Ermorden von Israelis auf deutschen Straßen bejubelten, müsse der Rechtsstaat Konsequenzen prüfen.

Gleiche Forderungen kommen aus der Politik. Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin sagte der taz, es sei „unfassbar“, wenn Terrorangriffe auf Israel „hierzulande bejubelt werden“. Es brauche nun international wie national „schnellstmöglich Sanktionen gegen die Unterstützergruppierungen“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse „ein Verbot von Organisationen, die in Deutschland ihre Unterstützung und ihren Jubel über die brutalen Attacken öffentlich zur Schau stellen, prüfen“. Zugleich gehöre die Finanzierung von antiisraelischen Terrororganisationen unterbunden.

Auch die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic nannte es „abscheulich, Hass und Terror gegen Jüdinnen und Juden auf deutschen Straßen zu feiern“. Das Innenministerium müsse „konsequent gegen die Hamas und ihr Unterstützerumfeld sowie gegen die PFLP und Vorfeldorganisationen wie Samidoun vorgehen“. Die SPD äußerte sich vorsichtiger. Verbote müssten gut vorbereitet sein, sagte SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler der taz. Er habe da „vollstes Vertrauen“ in die Behörden. „Rufe aus dem politischen Raum von der Seiten­linie helfen da gar nicht. Im Zweifel schaden sie nur.“

Samidoun hatte bereits nach Beginn der Hamas-Angriffe auf Israel in Berlin-Neukölln Baklava an Passanten verschenkt – und dies auf Social-Media-Kanälen als „Feier des Sieges des Widerstands“ begründet. Am Abend folgte eine kleine Kundgebung. Samidoun unterstützt palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen. Auf ihren Protesten wurde aber wiederholt auch die Beseitigung Israels gefordert. Das Netzwerk ist mit der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) verbandelt, die von Sicherheitsbehörden als terroristisch eingestuft wird. ­Samidoun wurde 2011 in den USA ­gegründet und gilt zumindest in Israel ebenfalls als terroristisch.

Auch die antiisraelische Demonstration am Montagabend in Duisburg war von Samidoun beworben worden. Die Polizei sprach von rund 100 Teilnehmenden. Der Kundgebung hätten rund 70 Gegenprotestierende gegenübergestanden. Den Protest in München wiederum hatte die Gruppe „Palästina spricht“ beworben. In einem Aufruf wandte sich diese „gegen die israelische Brutalität“, welche Menschen „in Gaza niedermetzelt“. Die Hamas-Terrorangriffe feierte sie als einen „revolutionären Tag“ gegen die „Apartheid“, auf den man „stolz sein könne“.

Das Innenministerium äußert sich zu Verbotsforderungen generell nicht. Ein Sprecher sagte nur, dass alle Sicherheitsbehörden seit dem Ausbruch der Angriffe auf Israel „stark sensibilisiert“ seien, um Solidarisierungen mit der Hamas in Deutschland möglichst zu unterbinden. Im Fall Samidoun wäre ein Verbot indes nicht ganz trivial – denn die Gruppe ist nicht fest als Verein organisiert. Der Antisemitismusbeauftragte Klein verweist aber auf das Vorgehen gegen die Hisbollah in Deutschland im Jahr 2020. Da es sich um eine ausländische Gruppe handelt, konnte kein Vereinigungsverbot erteilt werden – wohl aber ein Betätigungsverbot hierzulande.

In den Fokus gerät nun auch wieder das Islamische Zentrum in Hamburg (IZH). Dieses betreibt in der Hansestadt die schiitische Imam-Ali-Moschee und gilt als verlängerter Arm des Irans – der die Hamas unterstützt. Der Verfassungsschutz hat das IZH schon seit Jahren unter Beobachtung und als extremistisch eingestuft. Bereits im November 2022 hatte der Bundestag auf einen Ampelantrag hin gefordert, eine Schließung des IZH „als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland“ zu prüfen.

Alle Sicherheits­behörden seien nach dem Ausbruch der Angriffe auf Israel „stark sensibilisiert“, hieß es aus dem BMI

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) tritt ebenso für ein IZH-Verbot ein. Der Verein sei „eine extremistisch ausgerichtete islamistische Organisation“, sagte seine Sprecherin der taz. „Der Senat würde ein Verbotsvorhaben ausdrücklich begrüßen“. Ein Verbot müsse aber Berlin aussprechen.

Der Antisemitismusbeauftragte Klein sieht das ähnlich. Das IZH in Hamburg müsse „von Polizei und Verfassungsschutz intensiv beobachtet und gegebenenfalls mit Vereins- oder Betätigungsverboten belegt werden“, sagte Klein der taz. Auch die Grüne Mihalic erklärte, ein Verbot des IZH müsse „dringend in Betracht gezogen werden“, ebenso wie ein Betätigungsverbot der iranischen Revolutionsgarden. Faesers Ministerium äußerte sich auch zu ­diesen Verbotsforderungen nicht.

Den Samidoun-Protest am Mittwoch in Berlin unterband derweil die Polizei am Dienstagabend: Sie verbot die Versammlung, ebenso wie eine weitere antiisraelische Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Zudem hatte die Polizei bereits am Montag einen Samidoun-Aktivisten in Gewahrsam genommen, der in Neukölln trotz politischen Betätigungsverbots propalästinensische Sticker auf Stirn und Brust trug.