piwik no script img

Telegram für russische KriegsgegnerZerbrochene Gewehre

Kriegsdienstverweigerer werden in Russland zu ausländischen Agenten erklärt. Der deutsche Connection e. V. will sie über Telegram unterstützen.

Kriegs­dienst­ver­wei­ge­re­r*in­nen wollen nicht enden wie dieser russische Soldat Foto: Alexander Reka/Imago

„Connection e. V. auf Russisch“ steht in kyrillischen Buchstaben neben dem zerbrochenen Gewehr vor einer Weltkugel. Es handelt sich um das Symbol des Netzwerkes Connection e. V., das sich für die Rechte von Kriegs- und Mi­li­tär­ver­wei­ge­re­r*in­nen in aller Welt einsetzt.

Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben sich verstärkt Menschen an die pazifistische Organisation gewandt, die nicht bereit sind, eine Waffe in die Hand zu nehmen und deswegen mit Repressalien konfrontiert sind. Von ihnen komme auch der Impuls, den russischsprachigen Telegramkanal aufzubauen, erklärt Rudi Friedrich von Connection e. V. der taz. „Durch unsere Arbeit zu Kriegsdienstverweigerung und Desertion in Russland, Belarus und der Ukraine bekamen wir Kontakt zu Ak­ti­vis­t*in­nen aus Russland, die aufgrund der Situation im Herkunftsland nach Deutschland gegangen sind.“

Darunter sind auch Menschen, die sich in der russischen Bewegung für Kriegsdienstverweigerung engagiert hatten. Gemeinsam habe man die Idee entwickelt, einen russischsprachigen Telegram-Kanal aufzubauen, der sich speziell mit der Frage von Kriegsdienstverweigerung und Asyl befasst. Dass der Kreis der Nut­ze­r*in­nen in den ersten Tagen überschaubar blieb, sieht Friedrich gelassen. „Wir haben die ersten Posts in den Telegram-Kanal eingestellt und vor wenigen Tagen angefangen, ihn zu bewerben.“ Nun gehe es zunächst darum, den Kanal bekannt zu machen.

Europaweites Netzwerk

Dass solche Informationen gelesen werden, zeigte sich für Rudi Friedrich im letzten Jahr. „Insbesondere in den ersten Wochen nach der Erklärung der Teilmobilmachung in Russland im September 2022 haben wir viele Anfragen erhalten. Damals meldeten sich bei uns und bei der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, mit der wir eng zusammenarbeiten, mehr als 1.000 Personen“, sagt er.

Dabei habe man auch die internationalen Kontakte nutzen können. „Die Menschen hatten die unterschiedlichsten Fragen, Wir haben unser europaweites Netzwerk nutzen können, um Betroffene an andere kompetente Gruppen und Organisationen zu vermitteln.“ Mit dem russischsprachigen Telegram-Kanal erhofft er sich eine größere Reichweite. Damit könnten vielleicht auch Menschen erreicht werden, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht von selbst an pazifistische Organisationen wenden, aber den Krieg ablehnen und sich nicht daran beteiligen wollen.

Dass ihre Zahl in Russland nicht gering ist, zeigte sich schon nach dem russische Einmarsch in der Ukraine. Damals hatten sich viele Männer einer möglichen Einberufung durch eine Ausreise in verschiedene Nachbarländer entzogen. Nach der russischen Teilmobilmachung war dann die Zahl der Menschen gewachsen, die sich nach Möglichkeiten erkundigt haben, Asyl in Deutschland zu bekommen.

Informationen zu deutschem Asylrecht

Auf dem Telegram-Kanal soll dann auch über die Feinheiten des deutschen Asylrechts informiert werden. Während Personen, die aus einen schon angetretenen Militärdienst desertieren, mit einer Anerkennung als politischer Flüchtling rechnen können, gibt es diese Sicherheit für Kriegs­geg­ne­r*in­nen nicht, die bereits vor einer Einberufung das Land verlassen.

Friedrich betont, dass sich Connection e V. für die Rechte von Kriegs- und Militär ver­wei­ge­r*in­nen in aller Welt einsetzt. Deshalb sollen auch Informationen für Menschen aus Belarus und der Ukraine in den Telegram-Kanal eingestellt werden. Doch der Schwerpunkt wird eindeutig bei den russischen Militärverweigerern liegen. „Wir haben bislang keine Kapazitäten, einen solchen Kanal in einer anderen Sprache zu betreiben“, sagt Friedrich. Reaktionen der russischen Behörden habe es bisher nicht gegeben. Während sie Facebook und Twitter blockieren, ist es ihnen technisch nicht gelungen, auch Telegram einzuschränken.

Die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer Russlands wurde am 23. Juni 2023 vom russischen Justizministerium offiziell zum ausländischen Agenten erklärt. Eine der Begründungen lautete, die Kriegsdienstverweigerer hätten sich gegen die militärischen Aktionen Russlands in der Ukraine gestellt. Der Telegram-Kanal ist somit auch ein Zeichen der Solidarität mit den Verfolgten Kriegs­geg­ner*innen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Gute Idee mit dem Telegram-Kanal, aber die ModeratorInnen für die Kommentare tun mir jetzt schon Leid.

  • Gut, dass sich jemand für sie engagiert! Wenn es schon die deutsche Regierung nicht tut. Wahrscheinlich vor lauter wertebasierter Außenpolitik in Tunesien und anderswo zu beschäftigt.

  • 6G
    676595 (Profil gelöscht)

    Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht. Es ist ein Grundrecht einer freiheitlich demokratischen und humanen Ordnung und ist damit untrennbar mit Europa verbunden. Oder?

    • @676595 (Profil gelöscht):

      Ja, Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht. Und jeder der es ausübt, muss Asyl bekommen. In Europa und konkreter in Deutschland. So sollte es jedenfalls sein.



      Leider ist auch aufgrund der fortdauernden irregulären Migration politisches Asyl für Kriegsdienstverweigerer bei uns immer weiter erschwert worden.

      Dabei sind Flüchtlinge in der Genfer Konvention von 1951 eindeutig definiert: Verfolgung "wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung". Zu letzterem zähle ich die Kriegsdienstverweigerung. Nicht dazu zählt "wirtschaftliche Not, Naturkatastrophen, Klimaveränderung oder Krieg".

    • @676595 (Profil gelöscht):

      Das real existierende Europa hat offenbar ganz andere Werte.