Teilhabe Fußball soll bei der Integration helfen. Aber längst nicht alles läuft rund: Willkommen im Land der Kartoffeln
Die deutsche Integrationspolitik ist derzeit auffallend auf Sport ausgerichtet. Seit Längerem schon wird vom Bundesinnenministerium das Programm „Integration durch Sport“ unterstützt, das einst „Sport für alle – Sport mit Aussiedlern“ hieß. Doch mit der großen Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge ist eine Vielzahl weiterer Initiativen entstanden, die diesen den Zugang zur deutschen Sportwelt und damit die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen soll.
„Willkommen im Sport“ und „Orientierung durch Sport“ heißen die zwei jüngsten Projekte, die von der Migrationsbeauftragten Aydan Özoğuz in diesem Jahr gefördert wurden. Mit dem Deutschen Fußball-Bund unterstützt sie auch Initiativen wie „1:0 für ein Willkommen“.
Als Anfang des Jahres die sächsische Landesregierung wegen ausländerfeindlicher Übergriffe verstärkt in Bedrängnis geriet, gehörte zum Maßnahmenkatalog für eine bessere Integrationspolitik selbstredend auch eine Überweisung von 200.000 Euro an den Landessportbund; damit soll die Teilnahme von Flüchtlingen am Sport gefördert werden.
Auch wenn derlei Zuwendungen zu mickrig ausfallen, um längerfristige Strukturen aufzubauen: Der organisierte Breitensport wurde politisch vermutlich nie stärker gewertschätzt als derzeit. Mehr als 27 Millionen Menschen sind in Deutschland in knapp 90.000 Sportvereinen organisiert. Maria Böhmer, Aydan Özoğuz’ Vorgängerin, sprach einst vom Fußball als „größtem Integrationsmotor“; das Wort benutzen heute auch Kanzlerin Angela Merkel oder Innenminister Thomas de Maizière.
Dass dieser Motor häufig ins Stottern kommt, wird gern unterschlagen. Migrantische Amateurfußballer berichten immer wieder von rassistischen Beschimpfungen und Gewalt. Weil die Vorfälle selten zur Anzeige gebracht werden, spiegeln die DFB-Statistiken, die mehr als 99 Prozent der Spiele als „störungsfrei“ ausweisen, die Realität sehr verzerrt wieder. Fußball ist nicht nur Integrationsmotor, sondern auch ausschließend.
Affengeräusche in Liga drei
In Sachsen-Anhalt wurde mit dem FC Dornburg jahrelang ein Verein toleriert, der von einem dem Verfassungsschutz bekannten Neonazis gegründet wurde. Auch auf den Tribünen höherklassiger Vereine gibt es rechtsextremistische Fans. Bei einem Drittligaspiel in Zwickau wurde vergangenes Wochenende ein dunkelhäutiger Spieler mit Affengeräuschen verhöhnt.
Andererseits: Die Karrieren von Mesut Özil und Jérôme Boateng zeigen, dass die Wege in die deutsche Nationalmannschaft auch für Migranten zugänglich geworden sind und Vorbildcharakter haben können. Sportverbände, die unter großem Mitgliederschwund leiden, wie der Deutsche Handball-Bund, haben das auch gemerkt – und mittlerweile größtes Interesse daran, integrativ tätig zu werden. Über Jahrzehnte war man auf diesem Gebiet wenig initiativ, weshalb der Philosoph Wolfram Eilenberger mutmaßte, die biodeutsche Handballauswahl bediene im Unterschied zum Fußballnationalteam eine kartoffeldeutsche Sehnsucht.
Jedenfalls herrscht bei DHB-Präsident Andreas Michelmann nun Aufbruchsstimmung. Er erklärte vergangenes Jahr, die Flüchtlingssituation sei eine große Chance. Der Handballsport könne „Menschen aller Länder und Kulturen zusammenbringen“. Johannes Kopp
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