Techno und Black Music matters: Die Geburt der modernen Tanzmusik
Plötzlich ist es wieder mal eine Frage, wo denn zuerst zu Techno getanzt wurde. Vielleicht ist das ein Versuch, schwarze Musik weiß zu waschen.
![Nahezu leer steht die ehemalige Produktionsstätte des weltberühmten Ford „Model T“ in Detroit Nahezu leer steht die ehemalige Produktionsstätte des weltberühmten Ford „Model T“ in Detroit](https://taz.de/picture/5520722/14/detroit-1.jpeg)
F rankfurt am Main hat jetzt ein Techno-Museum, das etwas umständlich benannte Museum of Modern Electronic Music, kurz: Momem. Kaum eröffnet, ist der Ärger bereits gewaltig. Zur Eröffnungsveranstaltung hat Frankfurts Bürgermeister seine Stadt einfach mal zu derjenigen erklärt, „wo Techno seinen Ursprung hat“. Das wirkt schon ziemlich geschichtvergessen, dachte man bislang doch, diese Musik käme eher aus Detroit oder zumindest Chicago.
Aber für gutes Stadtmarketing muss man vielleicht auch mal ein paar Tatsachen verdrehen, wenn’s der Sache dient. Und wer kann denn schon sicher sagen, dass Franziska Giffey die Stadt der Loveparade nicht kurzerhand auch zu dem Ort erklärt hätte, wo alles begonnen hat, wenn Berlin jetzt mit so einem Museum daherkommen würde.
Das Netzwerk Female Pressure, das sich schon seit Jahren für mehr Sichtbarkeit von Frauen im großen Technobusiness einsetzt, hat sich auch bereits in die Diskussionen um das Momen eingebracht. Lauter Typen würden in dem Laden kuratieren, und passend dazu werde die erste Ausstellung auch noch dem Techno-Opa Sven Väth gewidmet. Wo also sind die Frauen und nichtbinären Personen in diesem Museum, das ja auch versucht, den Technodiskurs zu prägen?
Zu der Frage nach den Frauen ist dem Momem bislang noch nichts Sinnvolles eingefallen. Aber immerhin positioniert man sich zumindest halbherzig dazu, ob die moderne Tanzmusik tatsächlich aus der hessischen Bankenmetropole stammt und erklärt auf der eigenen Homepage kurzerhand den Afrobeat-Pionier Fela Kuti zum Urvater der ganzen Bewegung. Und der stammt bekanntlich nicht aus der Stadt, in der man Handkäs für eine Spezialität hält, sondern aus Lagos.
“Black music matters!“, schreiben die Verantwortlichen für das Momem. Was jedoch so wirkt, als wolle da jemand verzweifelt versuchen, doch noch irgendwie die Kurve zu kriegen.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, dass Ende vergangenen Jahres der Musiker und Aktivist DeForrest Brown Jr. im HKW zu Gast war, der die Kampagne „Make Techno Black Again“ ins Leben gerufen hat. Wenn man diesem so zuhört, merkt man, wie wütend er ist, und in gewisser Weise warnt er schon seit Jahren vor der Umschreibung der Techno-Historie, bei der die Posse in Frankfurt nur ein Kapitel unter vielen zu sein scheint. Er sagt, Techno sei schwarze Musikkultur durch und durch und für Weiße, die nie die Erniedrigungen erlebt haben, die man als Afroamerikaner in den USA erdulden muss, eigentlich gar nicht verstehbar. Für ihn ist sogar das ständige Rekurrieren auf Kraftwerk, die Roboter aus Düsseldorf, nichts weiter als ein Versuch, schwarze Musik weiß zu waschen.
Bislang hielt ich seine Warnungen für einigermaßen übertrieben. Vor allem in Berlin, wo man Detroit doch immer als Partnerstadt im Geiste begreift, kann es doch niemals passieren, dass irgendwann gesagt wird: eigentlich hat alles an der Spree begonnen. Doch wenn ich mir diese Dummdreistigkeit aus Frankfurt so anschaue, bin ich mir da mittlerweile gar nicht mehr so sicher.
Auch im Berliner Club Mensch Meier hat man die Gefahr erkannt und vergangenes Jahr die Reihe Emergent Bass initiiert, die ein besonderes Augenmerk auf die Beiträge Schwarzer und queerer Menschen bei der Entwicklung der Berliner Clubkultur hat. Mitte Mai geht es endlich weiter mit der Reihe. Sie wird ganz offensichtlich mehr gebraucht denn je.
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