Tax Justice Network kritisiert: Abkommen mit großen Schlupflöchern
Nach der Veröffentlichung des Vertrags mit der Schweiz bezweifeln Kritiker die Wirksamkeit. Über Stiftungen könne die Besteuerung leicht umgangen werden.
BERLIN taz | Die Schweizer Finanzministerin gab sich nicht viel Mühe, ihre Freude zu verbergen. "Eine gute Lösung" nannte Eveline Widmer-Schlumpf das umstrittene Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, als sie es am Mittwochnachmittag in Berlin gemeinsam mit ihrem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble feierlich unterzeichnet. "Wir sind zufrieden."
Dazu hat die Schweiz nach Ansicht des Netzwerks Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) auch allen Grund. In einer ersten Analyse des nach der Unterzeichnung veröffentlichten Vertragstextes kommen die Experten zu dem Schluss, dass die Schweiz diverse "riesige Schlupflöcher" in das Abkommen hineinverhandelt hat, die die Wirksamkeit massiv infrage stellen. Die Einnahmen würden nur "einen Bruchteil" der vom deutschen Finanzministerium erwarteten Summe ausmachen, erklärt das Netzwerk.
Der größte Kritikpunkt ist, dass die künftige Steuerpflicht über bestimmte Trusts und Stiftungen leicht zu umgehen sei, erklärten Markus Henn und Markus Meinzer, etwa über eine Liechtensteiner Ermessensstiftung oder einen angelsächsischen Discretionary Trust. Im Gegensatz zu anderen Stiftungen, bei denen klar ist, wer von den Erträgen profitiert, kennen diese formal keinen wirtschaftlich Berechtigten – und genau für diesen Fall sieht das Abkommen eine Ausnahme vor.
Unternehmen sind nicht erfasst
Zweitens erfasst das Abkommen nur "natürliche Personen", aber keine Unternehmen. Und zum dritten kann die Steuerpflicht dadurch umgangen werden, dass Geld von deutschen Kunden in eine ausländische Niederlassung einer Schweizer Bank verlagert wird – etwa von der UBS Schweiz zur UBS Singapur.
"Wir sehen uns in unserer Kritik voll bestätigt", sagte Detlev von Larcher, Steuerexperte bei Attac. Weil alle diese Schlupflöcher entfielen, wenn die erweiterte Zinsrichtlinie der EU auch für die Schweiz gelten würde, müsse es Ziel der Politik sein, den Druck auf die Schweiz zu erhöhen, statt bilaterale Ausnahmeverträge auszuhandeln. Die Opposition sollte dazu das Abkommen wie angekündigt im Bundesrat stoppen.
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