Tausende bei Mieten-Demo: Bunter Umzug gegen den Wahnsinn

Tausende Menschen demonstrieren gegen hohe Mieten und Verdrängung – mit Zwischenstopp am Hafenplatz, wo 700 Wohnungen und Gewerbe weichen sollen.

"Drinking landlords tears" steht auf einem der Demo-Schilder bei der Mieten-Demo am 1.6.24 in Berlin

„Drinking landlords tears“: Auf der Mieten-Demo am 1. Juni in Mitte gab es viele witzige Schilder zu lesen Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Es war die erste große Mietendemo seit Jahren: Am Samstagnachmittag demonstrierten in Kreuzberg nach Angaben der Ver­an­stal­te­r*in­nen 12.000 Menschen gegen zu hohe Mieten, die Polizei sprach von 4.500 Teilnehmenden. Vor einigen Jahren wurden bei Mietendemos wesentlich höhere Zahlen erreicht, dabei hat sich an den Problemen nichts geändert.

Im Gegenteil: „Der Mietenwahnsinn ist seitdem nicht geringer geworden“, sagt Kim Meyer vom Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn. „Der Volksentscheid wird nicht umgesetzt, die Neuvermietungspreise in Berlin, die Neben- und Heizkosten sind explodiert.“

Zu der Demonstration haben fast 200 Initiativen, Verbände und Hausgemeinschaften aufgerufen. Die Forderungen: Be­stands­mie­te­r*in­nen schützen, Mieten deckeln, Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co enteignen umsetzen, Eigenbedarfskündigungen und Zwangsräumungen aussetzen, sozialen und ökologischen Neubau realisieren.

Etwas verspätet setzt sich am Samstagnachmittag der Demozug mit Tausenden Menschen und sechs Wagen in Bewegung. Trotz einiger markiger Forderungen (Enteignen! Besetzen! Klassenkampf!) ist die Demo gut gelaunt und gleicht eher einem Umzug. Es gibt Chöre und Trommelgruppen, Kleinkinder und Rent­ne­r*in­nen laufen mit. Ein Astronaut trägt ein Schild mit der Aufschrift: „Eure Mieten sind doch Mondpreise.“

„Mieter sind keine Zitronen“

Hinter dem Bündnis gegen Mietenwahnsinn folgen Gruppen gegen Immobilienkonzerne, Mie­te­r*in­nen landeseigener Wohnungskonzerne und das Bündnis gegen Obdachlosigkeit. Weiter hinten laufen ein queerfeministischer Block, Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen und ein kleiner anarchistischer Block. Schilder und Redebeiträge fordern den Senat auf, endlich den Mietenvolksentscheid umzusetzen. Andere tragen Transparente und Schilder mit Forderungen wie „Mieter sind keine Zitronen“, „Indexmiete ist Schiete“, „Hilfe! Ich habe Vonovia“ und „Wir bleiben alle“. Eine kommunistische Gruppe skandiert: „Was macht Investoren Dampf?“ Die Antwort: „Klassenkampf, Klassenkampf!“

Am Hafenplatz, wo eine Zwischenkundgebung stattfindet, sind 700 Wohn- und Gewerbeeinheiten vom Abriss bedroht, es sollen Hotels, Ladenpassagen und Luxuswohnungen entstehen. „Günstiger Wohnraum interessiert sogenannte Investoren überhaupt nicht“, sagt ein Sprecher. „Seit Jahren versuchen sie, uns zu verdrängen, aber wir haben gesagt: Schluss damit. Wir lassen uns nicht weiter verarschen.“ Die SPD kritisiert er für die „verfehlte Wohnungspolitik auf Bundes- und Landesebene“ und bei der Abschlusskundgebung am Platz der Luftbrücke übt er Kritik an den Plänen des Senats zur Bebauung des Tempelhofer Feldes.

Die Demo fand kurz vor dem „Tag der Immobilienwirtschaft“ statt, das jährliche Treffen des größten Immobilien-Lobbyverbands ZIA ist am 11. Juni. „Das ist die Fabrik, in der der Mietenwahnsinn produziert wird“, so Meyer. „Mit Lobbyveranstaltungen wie dem Tag der Immobilienwirtschaft soll die Politik auf ihre Vorstellungen der Stadt als Ware eingeschworen werden“, sagt ein Sprecher und fordert: „Wir wollen eine Stadt, in der alle Menschen ohne Angst vor explodierenden Mieten, vor Verdrängung und Zwangsräumungen leben können.“

Angesichts dieser Perspektiven fordert Meyer zum Abschluss: „Wir müssen uns organisieren und die Investoren vergraulen. “ Und sie appelliert an die Demonstranten: „Organisiert euch im Haus, wehrt euch gegen Mieterhöhungen, prüft eure Betriebskostenabrechnungen und geht gemeinsam auf die Straße.“

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