„Tatort“ aus Stuttgart: Aura futsch
In einem Wohnprojekt hat es einen Mord gegeben. Wenn am Ende auch Salbeiräuchern nicht mehr hilft, müssen halt doch die Ermittler ran.
![Figur Stefan wird von anderen Mitgliedern des Wohnprojekts des Mordes beschuldigt. Figur Stefan wird von anderen Mitgliedern des Wohnprojekts des Mordes beschuldigt.](https://taz.de/picture/4620972/14/26611306-1.jpeg)
Der neue Stuttgart-„Tatort“ funktioniert wie eine „Polizeiruf 110-“Folge, und das ist als Kompliment zu verstehen. Steht die Krimireihe, die ihren Ursprung in fernen DDR-Tagen hat, doch dafür, sich eher mit dem sozialen Umfeld, in dem eine Straftat geschieht – und die gar nicht spektakulär sein muss –, auseinanderzusetzen. Und so kommt der Sonntagskrimi „Das ist unser Haus“ (so hieß mal ein Lied der Band Ton Steine Scherben) als Milieustudie daher. Es wird geschwäbelt auf Teufel komm raus. Das ist schön, Mundart wurde dem Tatort ja über die Jahre abtrainiert.
Wir befinden uns im Kosmos einer Baugemeinschaft, die den Namen „Oase Ostfildern“ trägt. Natürlich ist das alles andere als das – es ist, man ahnt es bald, die reinste Hölle. Alle sind miteinander befreundet (haha). Alle sind nach den aufreibenden Jahren mit Vereinsgründung, Baugeschehen und immer wieder Gruppensitzungen mit nervtötenden Diskussionen und Abstimmungen am Ende. Und alle sind happy, weil sie jetzt endlich in ihrem Haus wohnen. Eine der Häuslebauer*innen wird übrigens von der grandiosen Christiane Rösinger gespielt.
Doch dann ist das Fundament undicht, Wasser dringt ein, da muss man also noch mal ran. Dabei findet die Baufirma eine Leiche, arg verwest, sie hat dort rund ein Jahr gelegen. Hätte man nicht auf „Ökopampe“ bestanden, sondern auf Chemie gesetzt, fasst es ein Bauarbeiter zusammen: die Leiche wäre nie ans Tageslicht gekommen.
Und schon dreht sich das Karussell. Schnell ist klar, dass der Täter oder die Täterin aus dem Haus stammen muss. Da hilft auch Salbeiräuchern nichts, die Aura des Hauses ist futsch: Denn bei der Toten handelte es sich um eine Anwärterin für eine der Wohnungen. Oder doch nicht?
Es geht lange hin und her (und hoch her), gängige Volten werden geschlagen, es gibt einen Haufen Verdächtiger, hinzu kommen Klatsch und Tratsch, schwelende Konflikte, und dann immer mal eine neue Spur. Bootz (Felix Klare) befragt die Nachbarn, Lannert (Richy Müller) die Angehörigen vermisster Frauen – das sind klasse Milieustudien en miniature, herrlich anzuschauen. Ein „Tatort“, der richtig Spaß macht.
Stuttgart-„Tatort“: „Das ist unser Haus“, So., 20.15 Uhr
Ach ja, Christiane Rösinger ist ja auch bekannt als Berliner Sängerin wunderbarer Songs. In ihrem Hit „Eigentumswohnung“, 2017 auf ihrem Album „Lieder ohne Leiden“ erschienen, singt sie: „Von den Eltern zur Belohnung / und zur eigenen Nervenschonung / und zur ständigen Naherholung / kriegen wir jetzt eine Eigentumswohnung.“ Von wegen Baugenossenschaft!
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