„Tatort“ aus Münster: Corona im Mittelalter
Boerne und Thiel ermitteln, wer den König im alten Wasserschloss getötet hat. Unter Coronabedingungen gedreht, wird der Krimi zum Kammerspiel.
Und, was sagen Sie, Boerne, ertrunken?“ – „Der Mann trägt eine Ritterrüstung, Thiel.“ – „Ach, das ist eine Ritterrüstung?“ Gleich zu Beginn finden die Münsteraner „Tatort“-Ermittler den König. Mit dem Gesicht nach oben und in voller Montur liegt er tot im Wassergraben des Schlosses.
Der selbsternannte König ist Schausteller Manfred Radtke (Anthony Arndt), der erst wenige Monate zuvor das „Haus Lüdecke“, ein altes Wasserschloss, gekauft hat. Wegen Steuerbetrugs und hohen Nachzahlungen muss Radtke jedoch dringend eine drohende Pleite abwenden. Um Sponsor:innen aufzutreiben, organisiert er ein minimalistisches Mittelalterspiel.
Minimalistisch ist auch der neue „Tatort“ „Es lebe der König!“. Das herumblödelnde Kripo-Duo Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers), dazu die Familie des ertrunkenen Schlossherren und wenige weitere Ermittler:innen, die im kleinen Setting des „Hauses Lüdecke“ aufeinandertreffen, das eigentlich Schloss Hülchrath heißt und 145 Kilometer von Münster entfernt liegt.
Wenn Thiel und Boerne versuchen, sich einen Reim darauf zu machen, wer ein Interesse daran gehabt haben könnte, den Schlossherren umzubringen und womöglich in das organisierte Verbrechen im Schloss verstrickt ist, um das dringend benötigte Geld aufzutreiben, erinnert der Fall an ein spannendes Kammerspiel. Dabei hätte der „Tatort“ im Originaldrehbuch ganz anders ausgesehen.
Drehbuch musste wegen Corona umgeschrieben werden
Denn das fertige Script musste wegen der Coronapandemie innerhalb kürzester Zeit umgeschrieben werden. So spielt der Krimi nahezu ausschließlich am Wasserschloss im Freien mit wenigen Personen. Szenen wie der Showdown mit vielen Kompars:innen wurden gestrichen.
Münster-„Tatort“: „Es lebe der König“, So. (13.12.), 20.15 Uhr, ARD
Als eine der ersten deutschen TV-Produktionen nach dem Lockdown im Frühjahr musste der „Tatort“ aus Münster beim Dreh strenge Hygieneregeln einhalten. Alle Personen abseits des Bildes trugen Maske, „Set-Cleaner“ desinfizierten Gegenstände, bei allen Personen wurde mehrmals am Tag Fieber gemessen.
Seine Kompaktheit ist die besondere Qualität dieses „Tatorts“. Während andere Ermittler:innen meist mit einer überladenen Handlung zu kämpfen haben, fiebert man in Münster bis zum Schluss mit, wer denn nun den Schlossherrn umgebracht hat. Was dieser „Tatort“ zeigt: Einschränkungen aufgrund von Corona können der Fernsehlandschaft nicht nur schaden – sie bergen auch Potenzial.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball