„Tatort“ aus Bremen: Soll wohl ein Halloween-Krimi sein
Blut, das mit saftigem Ketchup-Sound aufs Handy spritzt: Zartheit und Würgreflex liegen selten so nah beieinander. Die Folge ist jedenfalls sehr unterhaltsam.
Merke: Wenn man aus Angst panisch laut atmet, braucht man sich auch nicht hinterm Baum verstecken. Man ist ein leichtes Opfer. So wie Julia. Gerade noch hat sie sich mit zwei Freundinnen billige Gruselschocker reingezogen, jetzt liegt sie im nachtschwarzen Laub. Tot. „Bisswunden am Hals, die Kehle ist völlig zerfetzt“, erklärt die SpuSi. „War das ein Hund oder ein Wolf?“, will Kommissarin Lürsen wissen.
Na, weder noch. Es war eine Vampirin. Sie heißt Nora (Lilith Stangeberg). Sie joggt, aber nur nachts. Und sie lebt mit ihrem kranken Vater (Cornelius Obonya) im Dunkeln. Von dieser Vampirin, der Julia schon mal begegnet war, erzählen Julias Freundinnen zwar den Bremer Ermittlern Lürsen und Stedefreund. Glaubt aber natürlich keiner. Klar. Sie kriegen sie am Ende trotzdem.
Nach dem x-ten genretypischen Kreischen und halligen Gurgelsound im Off schnallt man’s dann. Soll wohl ein Halloween-„Tatort“ sein. Einer von in Ascheschwarz hängenden Filmen, bei denen man 90 Minuten lang auf die „Heller“-Taste klickt. Aber auch wenn derartiger Saison-Firlefanz nur Augenrollen wert ist: Diese „Blut“-Folge ist gigantisch unterhaltsam.
Mit der richtigen Dosis aus Schabernack, Pfui-Deibel-Ekel und glaubhaftem Ermittlerwahn: Blut, das mit saftigem Ketchup-Sound aufs Handy spritzt, das noch mit der 110 verbunden ist; Stedefreund, der aus Fieberträumen aufschreckt, bis ein Schattenriss in seinem Fenster steht. Er flüstert: „Das ist nicht real, das ist nicht real!“ – Antwort: „Doch, das ist es.“
Die anderen beiden Freundinnen lässt das Drehbuch von Regisseur Philip Koch („Picco“, erinnert sich wer?) irgendwann links liegen, sei’s drum. Dafür laufen zwei geradezu warmherzig auserzählte Storys parallel: Wir folgen Stedefreund, der von Nora nachts auf der Straße ebenfalls angefallen und gebissen wird, in seinen Wahn, nun doch wirklich, ehrlich, echt jetzt von einem Vampir verfolgt zu werden.
Bremen-„Tatort“: „Blut“, So., 20.15 Uhr, ARD
Und sehen daneben die fabelhafte Lilith Stangenberg (Ensemble-Mitglied der Prä-Dercon-Volksbühne) als Nora: immer wieder mit grotesk blutverschmiertem Mund, sich vor Nachtschmerz räkelnd, traurig wegen des kranken Vaters. Und der Karussellfahrt folgend, auf die sie eine Blutkonserventüte in der Mikrowelle geschickt hat. Um sie sich dann dampfend in einen Becher zu gießen.
Zartheit und Würgereflex liegen selten so nah beieinander. Nur um Stedefreund steht’s schlecht. Es ist seine vorletzte Folge ever. Das wäre doch mal ein Abgang: „Tatort“-Aus dank Vampirbiss.
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