Tarifkampf bei der BVG: Unbefristeter Streik in Sicht
Der Nahverkehr in Berlin stand seit Januar mehrfach weitgehend still – zuletzt zwei Tage am Stück. Nun könnte ein deutlich längerer Streik kommen.

Die Gewerkschaft bereite nun eine Urabstimmung über unbefristete Streiks vor. Diese werde vom 26. März bis zum 4. April andauern, sagte Arndt. Ein längerer Streik käme also erst im April auf die Berliner:innen zu. Für weitere Arbeitskämpfe trage die Arbeitgeberseite die Verantwortung, betonte Verdi.
Die landeseigene BVG äußerte sich ihrerseits irritiert über das Vorgehen der Gewerkschaft und forderte nach dem Scheitern „schnellstmöglich“ eine Schlichtung – „um weiteren Schaden und neue Streiks für Berlin abzuwenden“. Dabei würden externe Vermittler:innen im Tarifkonflikt versuchen, eine Einigung zu finden. Die Gespräche könnten aus Sicht der BVG bereits in der kommenden Woche beginnen. Verdi müsste dem freiwilligen Verfahren allerdings zustimmen.
Jeremy Arndt sagte, Verdi werde die Forderung einer Schlichtung prüfen. Wenn diese lediglich „Zeitschinderei“ sei, könne man sie auch ablehnen. Unabhängig von einer möglichen Schlichtung werde die Gewerkschaft „auf jeden Fall in die Urabstimmung gehen“.
Verdi hat BVG seit Januar viermal lahmgelegt
Mit Blick auf die Verhandlungen kritisierte die BVG, es sei „deutlich geworden, dass es auf Gewerkschaftsseite keinerlei Bewegung gibt und Verdi weiter an der realitätsfremden und nicht finanzierbaren Forderung von 750 Euro pro Monat mehr Gehalt“ festhalte. „Dabei muss nun allen klar sein, dass eine weitere Erhöhung des Angebots durch die BVG nur mit gravierenden Auswirkungen auf Mitarbeitende und Fahrgäste einhergehen kann.“
Beide Seiten verhandeln seit Mitte Januar über einen neuen Tarifvertrag für rund 16.000 Beschäftigte. Seitdem hat Verdi den Berliner Nahverkehr bereits viermal weitgehend lahmgelegt – zuletzt am Mittwoch und Donnerstag.
Nun könnten deutlich längere Ausstände auf die Fahrgäste und das kommunale Unternehmen zukommen. Für einen unbefristeten Streik müssten in einer Urabstimmung mindestens 75 Prozent der teilnehmenden Mitglieder stimmen. Bis Verdi die Urabstimmung einleitet, könnte die Gewerkschaft aber zu weiteren Warnstreiks aufrufen – darüber werde man noch beraten, sagte Arndt.
Wie lange der Ausstand dann tatsächlich dauern würde, ist unklar. 2008 bestreikte Verdi die BVG während der Tarifverhandlungen rund sechs Wochen innerhalb von drei Monaten.
Streikverbot während Schlichtung
Am Ende eines möglichen Schlichtungsverfahrens geben die Schlichter eine Empfehlung für eine Einigung ab. Während einer Schlichtung darf nicht gestreikt werden. Vor wenigen Tagen waren die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen gescheitert – hier sollen Schlichter nun bis Anfang April eine Lösung finden.
In die Tarifauseinandersetzung mit der BVG war Verdi mit einer Forderung von monatlich 750 Euro mehr bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gegangen. Zudem verlangte die Gewerkschaft ein 13. Monatsgehalt, eine Fahrdienst- beziehungsweise Wechselschichtzulage in Höhe von 300 Euro sowie eine Schichtzulage von 200 Euro.
Die Gewerkschaft hatte vor allem mit einem Nachholbedarf wegen der Inflation argumentiert. Zudem könne die BVG nur so als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Die letzte Entgeltrunde bei der BVG war noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs und der Preiswelle.
Die BVG erkennt den Nachholbedarf zwar an. Das Unternehmen betont jedoch, dass man sich bei den Tarifverhandlungen 2021 mit Verdi auf eine Wochenarbeitszeit von 37,5 statt 39 Stunden bei vollem Lohn geeinigt habe. Zudem sei man als Arbeitgeberin jetzt schon attraktiv und habe im vergangenen Jahr mehr als 2.000 Menschen neu eingestellt. Die Verdi-Forderungen seien nicht finanzierbar.
Ein neues Angebot legte die BVG am Freitag nicht vor – man habe jedoch „verschiedene Denkanstöße und Modelle“ vorgelegt, teilte das Unternehmen mit. Die jüngste Offerte lag bei stufenweise 375 Euro und 24 Monaten Laufzeit. Beim Weihnachtsgeld bietet die BVG nach eigenen Angaben 200 Euro in zwei Schritten zusätzlich. Bei der Fahrdienst- beziehungsweise Wechselschichtzulage – liegen demnach 225 Euro auf dem Tisch, bei der Schichtzulage 130 Euro. Im Schnitt würden die Löhne aller Mitarbeiter in zwei Jahren um 13,6 Prozent steigen.
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