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„Tagesschau“ in leichter SpracheInklusion ist einfach

Die „Tagesschau“ gibt es jetzt auch in einfacher Sprache. Ein dringend notwendiger Schritt. Das zeigen nicht zuletzt dumpfe Reaktionen im Netz.

Das Logo des neuen Newsangebots „Tagesschau – in einfacher Sprache“ Foto: NDR/dpa

Einfache Sprache: Aus dem Finanzminister wird der ‚Minister für Geld‘. Momentan eher: ‚Minister für kein Geld‘ *Zwinker-Smiley*“, witzelt Christian Lindner am Donnerstag auf X. Wenn Lindner Minister für (kein) Geld ist, ist Pistorius dann Minister für Waffen und Wissing Minister für SUVs? Ist Stark-Watzinger bald Ministerin ohne Amt? Der Anlass für die Gedankenspiele: Die „Tagesschau“ gibt es jetzt auch in einfacher Sprache, fünfmal die Woche.

Einfache Sprache ist genau das, was der Name verspricht: eine vereinfachte Version der Standardsprache, ohne Fachbegriffe und in kurzen Sätzen. Die Sendungen sind mit circa sieben Minuten Länge halb so lang wie die reguläre „Tagesschau“ und beinhalten nur vier bis sechs Meldungen. Es geht um den G7-Gipfel, Klimawandel, die Europameisterschaft und das Wetter.

Das neue Format ist ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion, denn laut der LEO-Studie haben 17 Millionen Erwachsene in Deutschland Schwierigkeiten, komplexe Texte zu verstehen. Gründe dafür gibt es viele: Lernschwächen, intellektuelle Beeinträchtigung, geringe Deutschkenntnisse oder eingeschränkte kognitive Fähigkeiten, beispielsweise durch einen Schlaganfall.

Zunächst wirken die kurzen Sätze ungewohnt, ich stolpere über Wiederholungen, die man sonst versucht zu vermeiden: „In Deutschland heißt das Militär Bundeswehr. Bei der Bundeswehr arbeiten Soldaten.“ O-Töne, vom Papst und von Fußballfans, werden neu vertont und übersetzt. Begriffe wie Asyl oder künstliche Intelligenz werden zusätzlich erklärt. Schnell wird klar: Die neue „Tagesschau“ ist für alle da. Denn je­de:r hat manchmal Schwierigkeiten, sich durch den Nachrichten­dschungel zu navigieren – ein leicht verständlicher Überblick kann helfen, nicht zu verzweifeln. Eine Win-win-Situation also.

Häme und Verachtung

Doch dann macht man wie so oft den Fehler und öffnet Twitter (Sorry, X). Der Hashtag #Tagesschau trendet, darunter sammeln sich zahlreiche Beiträge, die voller Häme und Verachtung sind gegenüber der „Tagesschau“ und dem Zielpublikum für das neue Format.

17 Millionen Erwachsene haben Schwierigkeiten, komplexe Texte zu verstehen. Gründe dafür gibt es viele

„Das ehemalige Land der Dichter und Denker hat sich endgültig aufgegeben“, heißt es in einem Tweet mit 4.500 Likes. „In der Tagesschau gibt es immer Scheiß. Aber jetzt gerade kommt viel zu viel Scheiß“, in einem anderen. 1.500 Likes. Besonders beliebt sind verschiedenste Variationen von: Die „Tagesschau“ gibt es jetzt auch für (hier bitte wahlweise Ampel-, Grünen-, oder AfD-Wähler einsetzen). Die Logik dahinter: Wer nicht intelligent genug für die normale „Tagesschau“ ist, hat es auch nicht verdient, informiert zu werden. Denn für die Ver­fas­se­r:in­nen dieser Tweets sind Leseschwierigkeiten eine persönliche Verfehlung statt einer Folge von vielen komplexen Faktoren.

Vom politischen und gesellschaftlichen Geschehen darf jedoch niemand ausgeschlossen werden. Wer den Anspruch einer repräsentativen Demokratie hat, muss sie für alle Bür­ge­r:in­nen zugänglich machen. Hinzu kommt, dass politische Entscheidungen vor allem für Menschen mit Behinderungen und Mi­gran­t:in­nen schwerwiegend sind. Wenn über ihre gesundheitliche Versorgung, ihr Bleiberecht oder ihre Teilhabemöglichkeiten entschieden wird, müssen sie sich darüber informieren können.

Aber Moment mal, wäre es dann nicht besser, in Bildung zu investieren, damit die Leute sicherer im Lesen und Schreiben werden? Unbedingt! Und trotzdem müssen Nachrichten für alle zugänglich sein, einfache Sprache ist nur ein Baustein von vielen.

Die Tagesschau in einfacher Sprache

läuft von Montag bis Freitag um 19 Uhr auf tagesschau24 oder ab 18 Uhr hier.

Der Spott und der Hass dagegen zeigen, wie wenig unsere Gesellschaft für Inklusion sensibilisiert ist. Erst letztes Jahr bemängelten die Vereinten Nationen die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention in Deutschland. Die Untätigkeit der Politik spiegelt sich im Unverständnis für die „Tagesschau“ in einfacher Sprache wider. Ein barrierefreier Zugang zu Nachrichten in den Öffentlich-Rechtlichen war daher überfällig. Wenn behinderte Menschen politisch nicht mitgedacht werden, dann werden sie auch nicht gesellschaftlich mitgedacht.

Die „Tagesschau“ in einfacher Sprache sollte sich je­de:r zumindest einmal angeschaut haben. Sich dem Unbekannten auszusetzen ist wichtig, die Bedürfnisse anderer anzuerkennen noch viel mehr.

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8 Kommentare

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  • ich habe mir eine Sendung angesehen und war etwas verdaddert.



    Die "einfache Sprache" in der Tagesschau ist so simplifiziert, dass sie sich nur an Personen mit grundlegenden Verständnisproblemen richten kann. (Was auch nicht verkehrt ist)



    Nur habe ich mir unter einfacher Sprache etwas vorgestellt, das komplexe Inhalte mit einfachen Worten erklärt, für Menschen, denen das Vorwissen fehlt, um denen einen Einstieg zu geben.



    Die "einfache Sprache" so wie sie aber in der Tagesschau verwendet wird, schreckt eher ab. Wenn man "nur" Schwierigkeiten mit Fremd- und Fachwörtern hat und lediglich fehlendes Vorwissen, um die sprachlichen Bezugnahmen einordnen zu können, ist diese Ausgabe der Tagesschau nicht geeignet.



    Die schwedischen Nachrichten sind eher so, dort wird erklärt, deutlich gesprochen, aber auch ein Verständnis erzeugt. Teenager dürften dort einen Einstieg bekommen, bei der Tagesschau dürfte die Reaktion eher "abgeschreckt" sein.

    • @nutzer:

      Fehlendes Wissen kann man nachholen aber generelle Verständnisschwierigkeiten nicht einfach abstellen.

      de.m.wikipedia.org...i/Einfache_Sprache

      • @Frank Ropen:

        das stimmt wohl, nur ist die Frage, ob man wenn man solche Verständnisschwierigkleiten hat wie die Formulierungen der einfachen Sprache in der tagesschau nahelegen, das Interesse an diesen Themen vermutlich auch nicht groß sein wird, weil die Einordnung auch dieser Information schwer ist.



        Einfache Sprache kann man auf zwei Arten interpretieren, entweder allgemeine grundlegende Schwierigkeiten im Verständnis oder aber Schwierigkeiten mit komplizierteren Sprachgebrauch, der Vorwissen und einen großen Wortschatz voraussetzt.



        Das erste betrifft Menschen mit physischer und kognitiver Andersartigkeit das zweite Menschen die Deutsch nicht als muttersprache gelernt haben oder aus bildungsferneren Bereichen stammen. Die Frage ist wo will man hin.



        Mein Empfinden ist, es braucht eine Version für die zweite Gruppe, für die die Infos einfach wegen bestimmter sozialer Hürden nicht bekommen.

  • Als jemand der der Gebärdensprache für Gehörlose einigermaßen folgen kann ärgere ich mich oft über die angepassten Texte in den Nachrichtensendungen mit Gebärdensprache.



    Hier wird oft, noch eindrücklicher als in den gesprochenen Nachrichten, unterschwellig Meinung reingedrückt. Oft einseitig tendenziös belehrend. Ich befürchte daher bei der Transkription auch hier Schlimmes. Einfache Sprache muss nur verständlich und eindeutig sein und sollte keine Belehrungen enthalten. Die Leute sind ja nicht doof sondern verstehen lediglich den normalen Redefluss nicht und fühlen sich, gerade bei den genannten Beispielen, nicht ernst genommen..

    • @Dromedar:In:

      das ist ein wichtiger Punkt!



      "Einfache Sprache muss nur verständlich und eindeutig sein" besondere Betonung auf Eindeutigkeit!

  • Hab es mir gerade angeschaut und finde es super und es wurde auch Zeit dafür. Das ist auch echt hilfreich um die Sprache zu lernen.

    Durch die große Reichweite würden sich vllt auch Studien anbieten die überprüfen wie geschlechtergerechte Sprache sich auf das Verständnis auswirkt. In der Folge wurde nämlich drauf verzichtet, wenn es dem Verständnis zuwiderlaufen könnte. (generell bin ich für geschlechtergerechte Sprache, hab aber die Vermutung dass sie exkludierend sein könnte, was bei ich bei Informationen von Seiten des Staates als problematisch erachten würde.)

    Gutes Konzept, gut umgesetzt, dafür zahle ich gerne GEZ und werde es auch meinen Sprachtandems empfehlen.

  • Ok, schwierig zu kommentieren, weil einfache Sprache nützlich ist.



    Aber nur als ergänzendes Angebot.



    Das Problem ist, dass durch nur vier Meldungen in einfacher Sprache suggeriert wird, es gibt auch einfache Lösungen. Anscheinend für immerhin 17 mio BürgerI.



    Und die sind dann trotzdem enttäuscht, weil es eben keine einfachen Lösungen gibt und sich so noch mehr abwenden.



    Aber ok, versucht es als ergänzendes Angebot und ansonsten hilft, wie geschrieben, nur Bildung.

    • @fly:

      Warum sollte ein Informationsangebot in einfacher Sprache suggerieren, dass es einfache Lösungen gibt?



      Im Gegenteil:



      Indem ich manche Meldungen zusätzlich in einfacher Sprache bringe, zeige ich damit doch erst recht, dass ich das Thema für so komplex halte, dass es nicht jeder sofort versteht.



      Wie komplex die Lösung zum Problem ist, kann ich auch in einfacher Sprache ausdrücken.