piwik no script img

Tagebuch aus der UkraineDie Gegend der Affen

Unsere Autorin besucht gerne einen Hof mit exotischen Tieren. Ein Ehepaar kümmert sich hier um Vier- und Zweibeiner, die zurückgelassen wurden.

Dezember 2014: Ein Tiger in einem Zoo erlebt einen russischen Angriff auf die Ukraine Foto: Garanich/Reuters

W ie stellen Sie sich eine Gegend vor, in der Affen leben? Denken Sie da an einen riesigen Dschungel? Oder eher an einen Strand mit Palmen und Bananenbäumen? Doch wie wäre es mit den großen Akazien in Odesa? Und mit Affen, die auf schneebedeckten Feldern in der Ukraine herumspringen?

Nein, es waren nicht die Affen, die aus irgendwelchen Gründen ihren Lebensraum gewechselt und beschlossen haben, in den Süden der Ukraine zu ziehen. Es waren reiche Ukrainer:innen, die ein exotisches Tier zu Hause haben wollten, weil sie damit prahlen konnten.

Auf dem Flughafen von Odesa konnte man vor ein paar Jahren die wildesten Geschichten hören: von Flamingos, die eingewickelt in Klebeband in einem Koffer verstaut waren, bis hin zu Tigerbabys, die in einer Tragetasche transportiert wurden. All diese armen Tiere konnte man im Internet bestellen. Einige der Händler wurden rechtzeitig verhaftet, doch anderen gelang es, das Tier an einen reichen Besitzer zu verkaufen. Wie viele solcher Tiere es in der Ukraine gibt, ist nicht bekannt.

Niemand wusste, was mit Löwen, Schlangen und Affen geschehen sollte. Wie sorgt man für die?

Mit dem Beginn der großen Invasion in der Ukraine begann für arme und für reiche Menschen die Flucht aus ihren Häusern, um dem Tod zu entgehen. Einige nahmen ihre Tiere mit, andere ließen sie zurück. Ausgesetzte Hunde und Katzen wurden von den Menschen, die blieben, aufgenommen, auch Tierheime gibt es noch. Aber niemand wusste, was mit Löwen, Schlangen und Affen geschehen sollte. Wie sollte man sie behandeln, womit sollte man sie füttern, wie sollte man für sie sorgen?

Ein Tierarztehepaar wird aktiv

In Odesa leben die Tier­ärz­t:in­nen Valentina und Leonid Stoyanovy. Kurz nach der großen Invasion begann das Ehepaar, ausgesetzte exotische Tiere in seinem Haus aufzunehmen. Zu den ersten Tieren, die sie bekamen, gehörten drei Löwenbabys aus einem privaten Zoo in Cherson. Die Mutter dieser kleinen Löwen war gestorben, und die Jungen befanden sich in einem kritischen Zustand. Das Tierarztpaar fütterte sie alle drei Stunden, therapierte sie und brachte sie in einen Zoo in einem anderen Land.

Doch es wurden mehr und mehr exotische Tiere. Auf den Bäumen im Hof ließen sich Affen nieder. Alle waren aus Kriegsgebieten gerettet worden, einige waren in einem privaten Heimzoo ausgesetzt worden.

Valentina und Leonid berichten: „Die Hauptaufgabe dieser Affen war es, Menschen dadurch glücklich zu machen, indem sie Befehle befolgten, damit schöne Fotos entstehen konnten. Den Rest der Zeit verbrachten sie in einer Kiste, ohne irgendeine Chance, Gras zu berühren oder die Sonne zu sehen. Während der Evakuierung versuchten die Affen, die Sonnenstrahlen einzufangen, weil es sie glücklich machte. Es war furchtbar mitzubekommen, dass die Ursache für den schlechten Zustand der Tiere der Mensch war.“

Ich beobachtete lange einen Affen namens Fiti, der in den vielen Bäumen von Odesa herumsprang. Wenn ich den Hof des Tierzarztpaares besuche, habe ich Äpfel, Bananen und Beeren dabei. Auf Tiktok gehen die Videos viral, die zeigen, wie ein Affe Erdbeeren isst. Wir sehen dann: Das ist Fiti, einer der vielen neuen Bewohner unserer Stadt Odesa.

Tatjana Milimko ist Chefredakteurin des ukrainischen Onlinenachrichtenportals USI.online.

Aus dem Russischen: Tigran Petrosyan. Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Zwei Unrechte auf einmal: die unsägliche Anmaßung, exotische Tiere in die Ukraine zu verfrachten, dazu der Krieg.



    Die einzig Unschuldigen sind am Ende die Tiere, die offensichtlich für Menschen beider Seiten höchstens einen dekorativen Wert haben. Ein zusätzlicher, trauriger Aspekt dieses sinnlosen Krieges.

  • Schade, dass Tiere und übrige Natur stets verlieren.

  • Gab es da nicht schon mal einen Artikel darüber in der taz?