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Tag der offenen Tür der BundeswehrBallern auf Mitrovica

Geschmacklose Nachwuchswerbung: Gebirgsjäger ließen in Bad Reichenhall Kinder mit Waffenattrappen auf ein Modelldorf zielen. Inklusive angekokelten Dächern wie im Krieg.

Unterm Tarnnetz lernen Kinder, auf ein Modelldorf zu ballern. Bild: RABATZ Buendnis/dapd

MÜNCHEN taz | Was die Bundeswehr derzeit nicht alles veranstaltet, um junge Freiwillige für den Dienst an der Waffe zu gewinnen: Beachvolleyballturniere, Schulbandwettbewerbe, eine Deutschlandtour mit dem Bundeswehr-"Karrieretreff"-Truck. Doch geschmackloser als beim Tag der offenen Tür der Gebirgsjäger in Bad Reichenhall kann Nachwuchswerbung kaum aussehen.

Die Truppe hatte extra für Kinder eine Stadt im Modellformat aufgebaut - kleine Häuschen mit bunten Dächern, eine Fabrik, eine Kirche. Einige Gebäude sahen halb zerstört und angekokelt aus wie im Krieg. Hinter Sandsäcken, unter einem Tarnnetz konnten Kinder unter Anleitung von Bundeswehrsoldaten mit Gewehrattrappen auf das Modelldorf zielen.

Das eh schon wenig geschmackvolle Kriegsspiel wurde noch durch ein kleines Ortsschild getoppt, das die Soldaten neben dem Modelldorf in die Erde gesteckt hatten: "Klein Mitrovica" - nach der Stadt Mitrovica im Kosovo. Dort waren im Zweiten Weltkrieg Soldaten der 1. Gebirgsdivision der Wehrmacht eingesetzt, um den Widerstand von Partisanen zu bekämpfen.

Untersuchung ist eingeleitet

Die Bezeichnung "Klein Mitrovica" sei "mehr als geschmacklos" sagte der Sprecher des Heeresführungskommandos, Siegfried Huben, in der Süddeutschen Zeitung. Das Heer hat eine Untersuchung der Vorkommnisse eingeleitet.

Die plötzliche Eile der Truppe überrascht. Denn der Tag der offenen Tür mit dem umstrittenen Kriegsspiel fand bereits vor über einer Woche statt. Erst als das linksautonome oberbayerisch-österreichische Bündnis Rabatz am vergangenen Freitag Fotos des geschmacklosen Kinderprogramms veröffentlichte, wurde der Tag der offenen Tür zum Skandal. "An dem Kriegsspiel hat es rege Beteiligung gegeben, es ist massiv genutzt worden", sagt ein Rabatz-Sprecher zur taz. Kritik an dem Modelldorf habe es trotz tausender Besucher nicht gegeben. Bis Rabatz die Fotos an die Medien schickte. "Ohne das hätte es keinen Skandal gegeben", meint der Rabatz-Sprecher.

Seitdem hagelt es Kritik an der verunglückten Form der Nachwuchswerbung. Sogar der Schirmherr des Tags der offenen Tür distanzierte sich am Wochenende: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Sollte sich der Vorwurf bestätigen, so Ramsauer, "könnte ich das in keiner Weise gutheißen".

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16 Kommentare

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  • Q
    Querulant

    Das Stadtschild trug den Namen "Mitrovica - Kreis Zwickau", also wurde theoretisch nur auf Nazis im Osten geschossen... das geht dann schon klar....

  • DF
    der finne

    @typisch deutsch:

    "manche Kids, die zwar kein Gewehr mehr anfassen dürfen, dafür aber das Töten in der Cyberwelt lernen."

     

    *kopfschüttel*

     

    Herrje, wie sich die Mär von sogenannten "Killerspielen" schon so tief in die Köpfe gepflanzt hat. Und dann geißeln Sie die angebliche "medien- und gesellschaftsgesteuerte KONSENSDIKTATUR"?! Da passt doch irgendwas nicht.

  • JR
    Josef Riga

    Ausgerechnet "Mitrovica"!

    Der kleine Vorfall bei den Gebirgsjägern - immerhin eine Eliteeinheit der Deutschen Wehrmacht bzw. jetzt der Bundeswehr - macht eines überdeutlich: ein Heer, welches sich selbst rekrutieren muss (darf), wird immer zu dubiosen Methoden greifen; falsche Erwartungen wecken; über die Natur von Waffen und deren Einsatz lügen müssen.

    Denn nur durch das Appelieren an niedrigste Instinkte (töten müssen, töten wollen, um eigenes Leben zu retten ...) lassen sich Menschen dazu bringen, einem solchen Verein beruflich beizutreten. Insbesondere dann, wenn das eigene Leben, das eigne Land, ja gar nicht gefährdet sind. So wird jede sicherheitspolitische Behauptung in Deutschland

    mittlererweile zum unverantwortlichen "Kinderspiel". Es ist aber leider ein Spiel mit tödlichem Ausgang. Das Gewaltpotential unserer

    Sicherheitsideologie wird überall seine Opfer finden. Meistens werden sie keine BW-Uniform tragen, sondern einen Kaftan, eine zerissene Kinderjeans, ein Frauengewand, einen Schleier. Da hilft das Argument, dass die Bundeswehr in Dörfern wie Mitrovica bürgerkriesähnliche Zustände verhindert , nicht weiter. Denn die BW ist selbst der "bürgekriegsähnliche Zustand", nur mit angezogener Handbremse, im Dienst des Weltbürgerkriegs der Besitzenden gegen die Habenichtse dieser Welt. Sie 'poduziert Sicherheit', so der Slogan der siebziger Jahre, als man sich in den Dietl- und Keitel-Kasernen schon einmal etwas überflüssig vorkam, und mit diesem Werbespruch versuchte, Anschluss an vermarktbares Verhalten zu gewinnen. Jetzt darf die Wehr endlich auf den freien Welt-Markt der Gewalt losgelassen werden. Frau Dr. Merkel und Herr Dr. Westerwelle sorgen für genügend Einsatzmöglichkeiten. Z.Zt. ist gerade in Washington wieder eine Beschaffungsmesse dieser Art im Gang; die oberste Befehlshaberin hat gerade einen Orden für ihre diesbezüglichen Vasallendienste bekommen.

    Armes Deutschland! Du warst einmal, nach einem Wort deines dichters Hölderlin, die Mutter der Völker. Heute bist du nur noch ein ängstliches, fettes, verwöhntes Kind, das aus Langeweile und Verdruss auf andere Menschen schießen lässt.

  • TD
    typisch deutsch

    Ich kann den meisten Vorrednern nur Recht geben.

     

    Dass ausgerechnet diejenigen, die die Bundeswehr in den Krieg schickten - SPD und Grüne - sowie die Nachfolger der SED, die die NVA in Uniform und Aufmarsch bewusst in Tradition an das deutsche Soldatentum sahen, sich hier am meisten empören, ist erbärmlich!

     

    Ich habe meinen Kriegsdienst verweigert - und dafür auch Schikanen hingenommen. Im SED-Staat hätte ich diese Freiheit nicht gehabt! Aber ich habe als Kind auch gerne mit Waffen gespielt - in Rollenspielen aller Art - und bin am Tag der offenen Tür bei der Bundeswehr am liebsten in Militärfahrzeugen rumgeklettert und habe mir einen Stahlhelm aufgesetzt.

     

    Keiner aus meiner Generation ist irgendwie Amok gelaufen oder zum Killer mutiert - anders als manche Kids, die zwar kein Gewehr mehr anfassen dürfen, dafür aber das Töten in der Cyberwelt lernen.

     

    Jungs wollen einfach mit Waffen spielen - das sollten die ach so friedliebenden Puppendiktatorinnen in den Kindergärten einmal berücksichtigen.

     

    So, wie in den letzten Jahren Dinge hochstilisiert und stigmatisiert werden, zeigt das nur, dass die Freiheit des Einzelnen schrittweise verloren geht zugunsten einer medien- und gesellschaftsgesteuerten KONSENSDIKTATUR, in der man sich nur noch permanent empört oder entrüstet ist und jeder, der irgendeine andere Meinung vertritt, gleich in irgendeine Ecke gestellt wird.

     

    Das produziert aalglatte Menschen. Die beste Voraussetzung für eine Diktatur.

     

    Lasst die Kinder Krieg spielen und Puppenstuben bauen. Jede Erfahrung ist ein Schritt zu einem frei bestimmten Leben.

  • M
    milan

    ...300 Roma mussten hier Zwangsarbeit verrichten und wurden schließlich von der SS ermordet, das ist in Kleine Mitrovica passiert in II Weltkrieg, nur im diesem taxt kann man das nicht lesen!?

  • H
    Heuchelei

    Wie verlogen. Waffen bei der Bundeswehr? Skandal! Die Bundeswehr ist da um gegebenenfalls zu kämpfen. Was soll sie kleinen Jungs zeigen? Bunte Wattebäuschchen? Wenn die Grünen Jugoslavien bombardieren lassen ist das O.K., wenn sioe Soldaten um die Welt in den Krieg(Pardon, Friiiiidenseinsatz natürlich) schicken auch(dafür ist das Musterdorf aufgebaut) wenn Jungs mal Soldat spielen dürfen, dann ist das furchtbar und die Entrüstung riesig. Volksverhetzung etc. Dann kommt die umbenannte SED voll mit Mördern, Spitzeln und Leuteschindern die in der DDR Wehrerziehung veranstalteten und bei Massenmord fein säuberlich unterscheiden unter welcher Ideologie er veranstaltet wurde oder wird und häucheln mit. Die Westkollaborateuere aller durchgeknallten K-Gruppen und anderer Diktatorenfans sind natürlich mit dabei. So ist die derzeitige "Bunte Republik Deutschland" und die alten Medien und ihre alten 68er-Redaktionen heucheln schön mit. Das Mao-Bild über dem Schreibtisch, die Heldengeschichten aus Klassenkämpfertagen im Kopf, die Grußkarte an die roten Khmer in der Schublade und das Ganze umgeben von Nachwuchsklonen die vor der politischen Korrektheit die Hose voll haben. Irgendwann kommt der Gegenzug und man springt auf um bloß nicht weiter diese Verlogenheit ertragen zu müssen.

  • GR
    Gerhard Reth

    Auch Schulen veranstalten Truppenbesuche. Deshalb gibt es den Musterantrag des Bayerischen Elternverbandes:

     

    Antrag auf Freistellung vom Unterricht durch Bundeswehr-Vertreter

     

     

    Hiermit beantrage/n wir/ich, (Name/n)

     

    meine Tochter/meinen Sohn (Name)

     

    geb. am

     

    derzeit in Klasse

     

    von schulischen Veranstaltungen bzw. vom Unterricht mit Vertretern der

    Bundeswehr freizustellen und währenddessen anderweitig zu beaufsichtigen.

     

    Begründung:

    Wir/ich erziehe/n unser Kind zum friedlichen Umgang mit Konflikten.

    Unser/Mein Gewissen verbietet uns/mir daher die Teilnahme unseres/meines

    Kindes am Unterricht durch eine Organisation, deren Auftrag es ist,

    bewaffnete Interventionen vorzunehmen.

     

    Dieser Antrag gilt für die gesamte Schulzeit des Kindes, so lange er nicht

    widerrufen wird.

     

    (Datum)

     

    (Unterschrift)

  • D
    Dr.Eadnought

    Schrecklich - da werden Jugendliche eingeladen und sehen Modelle von brennenden Häuser auf dem Balkan.

     

    Nicht auszudenken, welche Schäden ein Mensch von 17 Jahren erleidet muss er einen Blick auf Hausruinen aus Pappe werfen. Dann warten wir lieber noch ein Jahr, um ihn mit den echten (brennenden) Gehöften zu konfrontieren.

     

    Oder besser noch:

    Wir ignorieren die Realität und weisen die Rekruten an, lautlos zu sterben. Alternativ schicken wir die Mitglieder von "Rabatz" los, um ethnische Säuberungen zu verhindern. Hauptsache, es wird gemordet und wir können wegsehen.

  • TH
    Thorsten Haupts

    Mitrovica heisst das Nest, in dem die Bundeswehr seit mehr als 10 Jahren verfeindete Volksgruppen davor schützt, sich gegenseitig niederzumetzeln. Aber das kann man ja in einem Empörungsbericht der Sonderklasse schlicht verschweigen, nicht wahr? Die Bundeswehr darf also nicht einmal mehr Modelldörfer nach Orten benamsen, in denen sie Leben rettet? Im Auftrag und auch im Namen aller Bundestagsfraktionen, natürlich mit Ausnahme der LINKEN? Was für eine hinterfotzige und geschmacklose Schmierenkomödie. Der angebliche "Skandal", nicht das tatsächlicher Verhalten der Bundeswehr.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Möchte die Bundeswehr ein Sammelbecken der Dummen und Saudummen werden?

  • E
    Eisvogel

    Ich hab als Kind auch mal die Visierung einer Fliegerfaust auf Modelljets gerichtet und lebe noch.

     

    Wenn tausende junge Männer mit "Allah" oder "No Parasan" auf den Lippen ihre Kalashnikow schwenken und sinnfrei damit herumschiessen, da geht einem natürlich das Herz auf, das ist Revolution und das darf auch Waffen interessant finden - sogar die RAF liess sich drillmässig ausbilden. Die gute alte Verlogenheit der Linken, egal ob Sex, Knarren, geile Autos: wenn wir selber was dran finden hilft uns der Deckmantel namens Fortschritt&Style, wenn andere drauf abfahren ist es Verrohung und mangelndes Bewusstsein.

     

    Gähn.

  • M
    Marko

    Finde ich in Ordnung, so bringt man schon die Kleinen auf den Geschmack. Aber vielleicht hilft es ja das die Kinder in Zukunft die Kriegsparteien SPD und Grüne nicht wählen.

  • P
    Paulson

    Und wieder ein kranker Zug der Bundeswehr, welcher mich in meiner pazifistischen Grundhaltung nur unterstützt, als wäre Tod und Leid nicht schon genug, wird damit auch noch gespielt und verharmlost. Diese Leuten hätten mal damals in Mitrovica sein sollen, ich bin mir sicher dann würden sie sich solche Geschmacklosigkeiten nicht leisten. Genau solche Bilder machen mich furchtbar wütend. Wirklich erbärmlich was sich die Bundeswehr hier wieder hat einfallen lassen. Besonders, jetzt ganz große Empörung in den oberen Reihen der Bundeswehr: "Davon wussten wir nichts, das ist wirklich geschmacklos"...Da frag ich mich welcher Vogel den Mist da genehmigt hat! Einfach nur krank!

  • J
    JGO

    Ich frage mich was in den Köpfen der verantwortlichen Offiziere vor sich geht. Sind wirklich alle die freiwillig zum Bund gehen doof? Anstelle von Einbürgerungstests für Ausländer würde ich mir mal lieber Gedanken um Einstellungstests für diesen Bundesverein machen.

    Und die CDU will diese Leute auch im Innern einsetzen.

    Dann aber viel Spass.

  • S
    sepp

    jaja. aghanistan bombardieren lassen und auf dem balkan beim völkermord zuschauen, außerdem einen mehr als fragwürdigen luftkrieg gegen lybien mal eben so hinnehmen. aber wenn ein paar deppen kinder krieg spielen lassen, dann ist das ein skandal. ihr habts doch alle eine schraube locker, anders kann mans nicht sagen.

  • P
    Patrick

    "mit Waffenattrappen auf ein Modelldorf zielen"

     

    Wie soll ein "offener Tag der Bundeswehr" denn sonst aussehen? Blümchen pflanzen? Die Wahrheit über die Aufgaben einer Armee verschweigen?

     

    Da ist sie wieder...die Überempfindlichkeit der Deutschen über die die restliche Welt lacht!!